Milbertshofen:Stadt will Haus abreißen - mit den Mietern spricht keiner

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Bewohnt, aber vom Abriss bedroht: das Wohnhaus an der Norderneyer Straße 10 in Milbertshofen. (Foto: Florian Peljak)
  • Die Stadt beschließt eine neue Flüchtlingsunterkunft in der Norderneyer Straße - und vergisst dabei den bestehenden Mietern Bescheid zu sagen.
  • Betroffen sind 45 Menschen mit vorwiegend geringen Einkommen.
  • Geplant ist eine Familienunterkunft für 140 bis 170 wohnungslose Menschen und Flüchtlinge, die bereits im kommenden Jahr bezogen werden soll.

Von Nicole Graner, Milbertshofen

So etwas passiert nur selten. Man deckt das Dach seines Hauses, plötzlich bleiben Nachbarn stehen und bieten ihre Hilfe an. Michael Hübsch hat genau das erlebt. Als er vor einigen Jahren sein Dach an der Norderneyer Straße 13 renovieren musste, kam ein Nachbar aus der Hausnummer 10 mit seinem Sohn vorbei und sagte: "Das schaffst du doch gar nicht allein, sollen wir helfen?" Der Mann half, schleppte Ziegel. "Daraus entstand eine Freundschaft", erzählt Hübsch heute.

Nun kann Hübsch vielleicht ebenfalls helfen. Denn das Haus an der Norderneyer Straße 10 soll dem Stadtratsbeschlusses vom 20. Mai folgend in eine Flüchtlingsunterkunft umgewandelt werden. Das bestehende Gebäude soll durch den künftigen Grundstückseigentümer abgerissen und durch einen maximal zwölf Meter hohen Baukörper ersetzt werden. Geplant ist eine Familienunterkunft für 140 bis 170 wohnungslose Menschen und Flüchtlinge, die bereits im kommenden Jahr bezogen werden soll.

Noch in der vergangenen Woche, so erklärt Hübsch, sei der alte Eigentümer des mit Satellitenschüsseln vollgehängten Gebäudes im Grundbuch eingetragen gewesen. Und noch weiß niemand in der Nachbarschaft, wer der neue Investor sein soll.

Wie viele Mieter betroffen sind

Am wenigsten wissen die 45 Menschen - Bulgaren, Araber und Deutsche - Bescheid, die derzeit noch in dem Wohnhaus gemeldet wohnen, denn: Die Stadt hat nicht mit ihnen gesprochen. Offensichtlich hat sich niemand überlegt, wohin die Mieter mit geringem finanziellen Einkommen ziehen sollen, wenn ein neues Gebäude gebaut wird.

"Ich kann nicht verstehen, dass man seitens der Stadt nicht vorher überprüft, was Planungen auslösen können. Dass niemand mit den Menschen, den Nachbarn spricht", sagt Hübsch. Ein Blick ins Melderegister hätte seiner Meinung nach genügt, um herauszufinden, dass da viele Menschen wohnen: "Da werden wohl Entscheidungen getroffen, ohne sich vorher das Areal anzusehen."

Um den Betroffenen - viele leben bereits seit zehn Jahren dort - wenigstens durch Informationen helfen zu können, hat sich die "Interessengemeinschaft Norderneyer Straße 10" gegründet. Ihr primäres Anliegen liegt in der Aufklärung der aktuellen Mieter. Einen Fragenkatalog hat die Gemeinschaft bereits an die Stadt München geschickt und um Aufklärung gebeten. Bisher hat die Stadt geschwiegen. "Das", sagt Hübsch, "nervt mich am allermeisten. Man hört nichts."

Warum die Familien nicht einfach so umziehen können

Die CSU-Fraktion fordert nun in der jüngsten Sitzung des Bezirksausschusses (BA) Milbertshofen-Am Hart in einem Dringlichkeitsantrag die Stadt ebenfalls auf, dem BA umfassende Informationen zur geplanten Einrichtung zu geben. Insbesondere erwartet die Fraktion Infos zum künftigen Eigentümer beziehungsweise Investor, über die Art der Bebauung des Grundstücks und den Betreiber der Einrichtung sowie den Termin des Baubeginns.

Bedenken hat die CSU ebenso wie Michael Hübsch, was die Zahl der Flüchtlinge betrifft, die auf einem relativ kleinen Grundstück untergebracht werden sollen. "Es gibt noch viele offene Fragen", erklärt Thomas Schwed (CSU). Auch könne es nicht sein, dass diejenigen, die derzeit in einem Wohnhaus wohnen, erst drei Tage vor Spatenstich informiert und irgendwo untergebracht werden. Der Antrag wurde im BA einstimmig angenommen.

"Ich werde tun, was geht", sagt Hübsch. Denn eines ist klar: Alle sieben Familien und ihre Kinder im Alter von fünf bis 20 Jahren können nicht einfach woanders zu höheren Mieten untergebracht werden. Finanziell sei das für die Bewohner der Norderneyer Straße 10 gar nicht möglich. Wenn alle Stricke reißen, dann weiß Hübsch auch schon, was er tut: "Im Notfall kann wenigstens die mit uns befreundete Familie bei mir übernachten."

© SZ vom 23.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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