Maxvorstadt/Obersendling:Neues Heim für die Helfer

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Das Haus der Familie zieht von der Schraudolphstraße nach Obersendling. In der Machtlfinger Straße kann die Beratungsstelle der katholischen Bildungsstätte ihr Angebot für Eltern und Kinder deutlich erweitern

Von Simon Schramm, Maxvorstadt/Obersendling

Der Wickeltisch im Flur, zu wenig Platz für die vielen Kinderwagen, kein eigener Raum zum Umziehen vor der Yoga-Stunde, zu enge Gänge: Wenn man von modernen Standards ausgeht, ist dem "Haus der Familie" an der Schraudolphstraße sein Alter durchaus anzusehen. "Die Qualität der Kurse hat nicht eingebüßt. Aber unsere Räume sind einfach nicht mehr zweckgemäß", sagt Brigitt Schwarzmann, Leiterin der katholischen Bildungsstätte für Familien. Auch der Brandschutz ist nicht mehr auf dem aktuellen Stand. Es wäre außerdem nötig, das Gebäude energetisch zu sanieren. "Im Winter zieht es kalt rein", sagt Schwarzmann.

Eigentlich müsste das ganze Gebäude abgerissen und neu gebaut werden, "bloß dann könnten wir uns die hohe Miete nicht mehr leisten", sagt Schwarzmann. In diesem Jahr wird das Haus der Familie stolze sechzig Jahr alt. Großartig zelebriert wird das Jubiläum nicht. "Unser Geschenk ist: Eine neue Heimat in der Machtlfinger Straße 5." Anfang August, wenn der Umzug vollzogen ist, werden die ersten Kurse beginnen, bis September soll das Haus der Familie an der neuen Adresse in Obersendling voll startklar sein.

Das Kursprogramm der Bildungsstätte umfasst so gut wie jede Angelegenheit zum Thema Geburt und Familie, von der Vorbereitung für werdende Mütter, der Einführung in die Pflege von Säuglingen oder den Umgang mit Pubertierenden. "Die Familie ist der Seismograph der gesellschaftlichen Entwicklung. Wenn sich etwas ändert, kommt es bei den Familien an. Und dann müssen wir unser Angebot ausbauen", sagt Brigitt Schwarzmann.

Ein Beispiel: Noch vor vielen Jahren kümmerte sich das Haus der Familie hauptsächlich um die Betreuung von Kindern im Alter zwischen einem und drei Jahren. Mittlerweile, nach Einführung des gesetzlichen Anspruchs auf einen Krippenplatz, hat sich der Fokus verschoben. Viele Kurse setzen noch früher an und beschäftigen sich vor allem mit den ersten zwölf Lebensmonaten eines Kindes.

An der Schraudolphstraße wurde es zu eng: Das "Haus der Familie" zieht deshalb aus Schwabing nach Obersendling. (Foto: Privat)

"Das erste Jahr ist entscheidend dafür, ob eine Familie später einmal zusammenhält", sagt Schwarzmann. Es gehe darum, ob das Liebespaar auch den Übergang zum Elternpaar schafft. Im Haus der Familie solle die Institution Familie aber nicht nur problematisiert werden, sagt die 59-Jährige, die aus der Schweiz kommt, dort zur Lehrerin ausgebildet wurde und seit 1994 in den Räumen an der Schraudolphstraße arbeitet. Ziel im Haus der Familie sei es auch, die Freude am Kind immer wieder neu zu beleben. "Wir wollen im Alltagsstress die Augen öffnen und den Eltern zeigen: Schauen Sie mal, was das Kind da schon wieder geschafft hat."

Großes Manko am alten Standort ist es auch, dass ein Treffpunkt fehlt, ein Ort, an dem sich die Eltern nach den Kursen noch austauschen und vernetzen können. In der Schraudolphstraße ist dafür kein Platz. In der Machtlfinger Straße 5 wird es jedoch ein Teilnehmer-Café geben. Die Begeisterung im Haus der Familie für die neue Stätte ist wegen ihrer Vorteile ungebrochen: nur wenige Schritte Entfernung von der U-Bahn-Station, ein Aufzug, größere, hellere Räume für jede Kursrichtung, Eltern-Kind-Gruppe, Geburtsvorbereitung und ein großer Bewegungs-Raum. "Der ist gut für Kinder, die in kleineren Wohnungen aufwachsen", sagt Schwarzmann. Wie das Lehrprogramm ausgebaut wird, ist noch offen. "Wir müssen erst einmal entdecken, welchen Bedarf das Viertel hat."

Das Haus der Familie geht in seinen Ursprüngen bis in die Zeit des Ersten Weltkriegs zurück. Um Familien zu befähigen, in den Kriegswirren zu überleben, entstanden sogenannte Mutterschulen, erzählt Schwarzmann; unter dem NS-Regime seien diese Schulen entweder geschlossen worden - oder sie wurden im Sinne der NS-Ideologie benutzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelten Frauen aus dem Katholischen Frauenbund die Idee einer Schule für Eltern neu; 1957 gründeten sie den Verein "Haus der Familie" und boten unter anderem Näh- und Ernährungskurse an.

Brigitt Schwarzmann (links) und Theresia Gleixner packen bereits die Umzugskisten aus. (Foto: Stephan Rumpf)

Seit Anfang der Sechzigerjahre war die Stätte in der Maxvorstadt beheimatet. "Das war damals die zweite Familienbildungsstätte in ganz München", sagt Schwarzmann. Die Art und Weise, wie Eltern mit ihren Kindern in den ersten Jahren zusammenleben, aber auch das Betreuungsangebot selbst hat sich seitdem rasant geändert. "In den Sechzigerjahren waren wir eine Schule für das Management eines Haushalts", sagt Schwarzmann. "Heute sind wir eine Beziehungs- und Erziehungsschule."

Das "Haus der Familie" hat im Laufe der Jahrzehnte sein Angebot über die Stadtviertelgrenzen hinaus erweitert. In mittlerweile 15 Pfarrverbänden bietet die Institution nun Eltern-Kind-Kurse im jeweiligen Viertel an. In Obermenzing kooperiert das Haus mit dem Klinikum Dritter Orden in einer Elternschule, deren Inhalte sich auf die Geburtsvorbereitung konzentrieren. Bei diesem Thema arbeitet das Haus auch mit dem Dominikus-Zentrum in Milbertshofen zusammen. Wie vielen Eltern und Institutionen in München, so fällt es auch dem Haus der Familie oft schwer, Hebammen zu finden, die ihre Kurse leiten. Nun wollen die Mitarbeiter der Bildungsstätte den Kontakt zu Hebammen im Münchner Süden suchen und mit ihnen zusammenarbeiten.

© SZ vom 26.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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