Maxvorstadt:Harter Konter

Lesezeit: 3 min

Die Maxvorstädter CSU fordert ein rigoroses Vorgehen gegen aggressives Betteln. Anwohner und Polizei sehen dagegen keinen Handlungsbedarf, für das Kreisverwaltungsreferat ist der Vorstoß "nicht umsetzbar"

Von Franziska Gerlach und Stefan Mühleisen, München

"Aggressive Bettler, hier?" - Die Frau schüttelt den Kopf und hebt die Stimme, denn es ist viel los an diesem Ort in der Maxvorstadt, an dem sich täglich zahlreiche Menschen treffen, die auf milde Gaben angewiesen sind. Im Kloster St. Bonifaz an der Karlstraße, einer Institution der Obdachlosenhilfe, sitzen an diesem Vormittag Dutzende Menschen bei einem Teller Suppe, unterhalten sich lebhaft. Mitten drin sitzt diese Frau im geschundenen Mantel, seit Jahren auf Platte. Aggressive Bettler, gar Bettelbanden, so berichtet sie, habe sie in der Maxvorstadt bislang noch nicht gesichtet: "Die sitzen halt herum und betteln."

Die örtliche CSU hat nach eigener Aussage andere Beobachtungen gemacht. "In der Maxvorstadt hat die Zahl der aus Südosteuropa stammenden, professionellen Bettelbanden in den letzten Monaten stark zugenommen", schreibt Günter Westner, der Vorsitzende des CSU-Ortsverbandes Maxvorstadt, in einer Mitteilung. Viele Bewohner fühlten sich durch die "steigende Zahl und ihr aggressives Verhalten belästigt". In einem Antrag, über den der Bezirksausschuss an diesem Dienstag im Saal der Bayern LB, Oskar-von-Miller-Ring 3, von 19.30 Uhr an beraten wird, fordert die CSU-Fraktion: Die Stadt soll das Aufenthaltsrecht bei diesen Menschen überprüfen und sie gegebenenfalls "in ihr Heimatland" zurückschicken.

Schwieriger Anblick: Menschen, die mitten in der reichen Stadt betteln, sind immer wieder Anlass für kontrovers geführte Diskussionen. (Foto: Robert Haas)

Für die Stadtpolitik sind organisierte Bettelbanden immer wieder ein Thema. Es geht dabei um Schlepper, die ihre Landsleute aus Osteuropa zum Geldsammeln eigens nach München karren - und ihnen das Geld ganz oder teilweise abnehmen. Im August 2014 erschien es Polizei und Ordnungsamt geboten, dagegen vorzugehen: Es wurde ein strenges Bettel-Regelwerk für die Innenstadt, eine so genannte Allgemeinverfügung, erlassen. Zuletzt hatte im Oktober der Chef des Bezirksausschusses Altstadt-Lehel, Wolfgang Neumer (CSU), gefordert, Kameras gegen aggressive Bettler einzusetzen. Die Rathaus-CSU selbst dachte über einen "Bettel-Pass" nach. Ein hartes Vorgehen, gar die Abschiebung, war aber kein Thema; ebenso wenig war bisher zu hören, dass Bettler, mithin Bettelbanden, nun vermehrt im Innenstadtrandbezirk auftauchten.

Besonders im südlichen Bahnhofsviertel gehören Bettler schon lange zum Straßenbild - auch solche, die mit flehendem Blick und zur Schau gestellten Behinderungen um Gaben bitten. Das Polizeipräsidium hebt hervor, dass sich nur schwer ermitteln lasse, wer zum Geldsammeln genötigt wird oder schlicht für sich um Almosen bittet. "Dazu wäre ein unverhältnismäßig hoher Observierungsaufwand nötig", sagt Sprecher Sven Müller. Er spricht von etwa 70 bis 80 Personen in der City und um den Hauptbahnhof, die Bettelbanden zugeordnet werden könnten. Aber: "Das ist definitiv kein Akut-Thema", betont er. Mit dem Erlass der städtischen Bettler-Verordnung sei ihre Zahl ohnehin deutlich zurückgegangen. Müllers Fazit: "Für eine Großstadt wie München sind die Zahlen nicht dramatisch." Von neuen Brennpunkten am Rande der Innenstadt weiß er nichts.

Auch die Menschen in der Maxvorstadt haben davon nichts bemerkt. Seit elf Jahren führt John Browner den "Munich-Readery"-Buchladen an der Augustenstraße, die Zahl der Bettler sei seitdem nicht gestiegen, sagt er. Einige wenige gebe es hier, die fielen aber nicht weiter auf. Ähnlich äußert sich Urai Babak, Filialleiter der Metzgerei Konradhof an der Ecke zur Heßstraße. Es kämen ab und zu zwei Rumänen in den Laden, die um Essen bäten: "Aber das sind stille Gesellen." Vor dem Vollcorner-Biomarkt berichtet ein Anwohner, der seit 25 Jahren an der Schraudolphstraße wohnt, dass es weder mehr Bettler gebe, noch diese durch aggressives Verhalten auffielen: "Die sind friedlich und sitzen halt herum", beschreibt er die Situation. Auch am östlichen Rand der City, in Haidhausen, treten Bettler offenbar ebenfalls nicht unangenehm in Erscheinung. Simon Gruber, der an der Inneren Wiener Straße in einem Lebensmittelgeschäft arbeitet, hat drei Bettler ausgemacht, die sich hier abwechselten; als störend oder gar aggressiv nimmt er sie nicht wahr. Der eine sitze einfach nur da, ein anderer suche Blickkontakt: "Aufdringlich werden sie aber nicht."

Für Andreea Untaru, Leiterin der Wohnungslosen-Beratung "Schiller 25", gilt das auch für die Hauptbahnhof-Gegend: "Ich sehe hier kein aggressives Betteln." Ferner hebt sie hervor, dass den Streetworkern keine Bettelbanden bekannt seien. Sie registrierten vielmehr Familienverbände aus den armen Dörfern in Rumänien oder Bulgarien: "Die tun das, weil sie ums Überleben kämpfen." Von Belästigungen können auch hier die Geschäftsleute nichts erzählen. Manchmal, sagt Blumenhändler Ahmed Elbasi in seinem Geschäft an der Goethestraße, würden die Kunden zwar über Bettler in der Umgebung meckern. Probleme gebe es aber keine. Nur einmal habe er ein Mädchen, das direkt vor seinem Laden gebettelt habe, gebeten weiterzugehen.

Im Bezirksausschuss Maxvorstadt haben SPD und Grüne den CSU-Vorstoß mit Empörung aufgenommen. "Dieser Antrag lässt auf eine ausländerfeindliche Einstellung schließen", sagt SPD-Sprecherin Katharina Blepp. Er richte sich gegen schwache, bedürftige Nichtdeutsche. Svenja Jarchow (Grüne) nennt die Forderung, Bettler ins Heimatland zurückzuschicken, ein "unmenschliches Vorgehen". Das Kreisverwaltungsreferat teilt unterdessen mit: "Die Forderung widerspricht den Grundprinzipien der EU-Freizügigkeit und ist faktisch nicht umsetzbar."

© SZ vom 15.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: