Mangelnde Barrierefreiheit:Odyssee im Rollstuhl

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Für Rollstuhlfahrer unverzichtbar: Wenn Aufzüge - wie hier jener am Rosenheimer Platz - ausfallen, kommen Behinderte nur noch mühsam voran. (Foto: Robert Haas)

Weil bei der S-Bahn immer wieder Aufzüge ausfallen, müssen Behinderte weite Umwege in Kauf nehmen

Von Ulrike Steinbacher, München

"Es reicht", hat Max Dorner in einer Wut-Mail ans Kundenmanagement der Deutschen Bahn geschrieben. "Es reicht, dass der Lift am Rosenheimer Platz wie fast jede Woche kaputt ist", dass er als Rollstuhlfahrer dann zum Ostbahnhof ausweiche, dort aber wieder vor einem kaputten Aufzug stehe, dass er schließlich bis Berg am Laim fahren müsse, der nächsten barrierefreien Station, und erst dort auf den Bahnsteig in die Gegenrichtung gelange, sodass er zum Ostbahnhof zurückkehren könne. Dort funktioniere dann zwar der Lift an sich, nicht aber die Taste, mit der man ihn holt. "Und es reicht vor allem", schreibt der Mitarbeiter des städtischen Kulturreferats, "dass dies in den letzten Jahren unzählige Male vorgekommen ist."

Eine gute Stunde habe er Anfang Juni letztlich gebraucht für die zwei Stationen vom Marienplatz zum Rosenheimer Platz, eine Strecke, die ein S-Bahn-Fahrgast, der nicht auf Fahrstühle angewiesen ist, in fünf Minuten bewältigt. Dorner fordert daher von der Bahn "die völlig unhaltbare Situation mit den Liften an den Stationen der Münchner Innenstadt zu beheben".

Die Deutsche Bahn allerdings ist gar nicht für alle Fahrstühle in den Münchner Bahnhöfen zuständig, sondern nur für die an der S-Bahn. 101 Aufzüge im S-Bahn-Gesamtnetz sind das, von denen ihr 99 gehören. Der Lift in Unterföhring und einer der beiden in Unterpfaffenhofen-Germering sind Eigentum der Kommunen. 33 Aufzüge der Bahn liegen an der Stammstrecke zwischen Pasing und Ostbahnhof. "Aber am Marienplatz zum Beispiel gehört uns nichts", sagt Pressesprecher Bernd Honerkamp. Für die Fahrstühle dort ist nämlich die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) zuständig, die U-Bahnen, Busse und Straßenbahnen betreibt und dazu die 177 Aufzüge im U-Bahn-Netz.

Max Dorners Vorwürfe zu den Liften am Rosenheimer Platz will Bahn-Sprecher Honerkamp so nicht bestätigen. "Es hat schon mal Ausfälle gegeben", räumt er ein. Insgesamt aber liege die Verfügbarkeit für den einen Fahrstuhl bei 96,8 Prozent, für den anderen bei 96,9 Prozent und damit nur knapp unter dem Zielwert von 97 Prozent im Ballungsraum. Um ihn zu erreichen, habe die Bahn die Wartungsarbeiten in die Nachtstunden zwischen 22 und 6 Uhr verlegt. Am Tag von Dorners Odyssee war laut Honerkamp an dem einen Aufzug die Kühlung ausgefallen, am anderen die Hydraulik. Der eine habe nach fünf Stunden wieder funktioniert. "Das ist tatsächlich schnell", sagt der Bahn-Sprecher.

Nach Angaben seines MVG-Kollegen Matthias Korte legen die stark frequentierten Lifte in der Innenstadt bis zu 1000 Fahrten am Tag zurück, sind also hohem technischem Verschleiß ausgesetzt. "Ein nicht unerheblicher Teil der Störungen" entstehe auch durch Nachlässigkeit oder "Vandalismus". Bei der MVG sei ein Entstörungsdienst rund um die Uhr im Einsatz, auch am Wochenende.

MVG und Bahn informieren im Internet über die Funktionsfähigkeit ihrer Aufzüge, allerdings auf unterschiedlichen Webseiten. Bahn-Sprecher Honerkamp empfiehlt also die App "Bahnhof live" für die 99 Fahrstühle im S-Bahnnetz, die der Bahn gehören, MVG-Sprecher Korte die Webseite www.mvg.zoom.de oder die App "MVG Fahrinfo München" für die U-Bahn. Dort sind seit 2009 auch die Rolltreppen jedes U-Bahnhofs hinterlegt, ein Service, der für die S-Bahnhöfe erst noch realisiert werden soll.

© SZ vom 03.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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