Ludwigsvorstadt:Und noch ein Hotel

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Der Häuserblock am Nordende der Schillerstraße gibt das ortsübliche Bild ab. Unter anderem beherbergt er ein Hotel, einen Sex-Shop und ein Sportcafé. (Foto: Robert Haas)

Investor Hubert Haupt und der Konzern Motel One wollen an der Schillerstraße ein 280-Zimmer-Haus errichten. Lokale Hoteliers befürchten verdrängt zu werden, Stadtviertelvertreter warnen vor dem Verkehrsinfarkt

Von Julian Raff, Ludwigsvorstadt

Die Schillerstraße ist vielleicht nicht Münchens feinste Adresse, hält aber den europäischen Rekord bei der Hoteldichte. Nun bringt eine geplante neue Großherberge die angestammten Unternehmer auf die Barrikaden. An der Schillerstraße 3 und 3a plant Immobilienunternehmer Hubert Haupt in Zusammenarbeit mit dem Konzern Motel One ein Haus mit (bestätigt) 280 Zimmern und (mutmaßlich) rund 560 Betten, das aus Sicht von Hoteliers und Lokalpolitikern das Fass zum Überlaufen bringt.

Wie ein gutes Dutzend lokaler Hotelbetreiber, und mit ihnen der Bezirksausschuss (BA) befürchten, könnte das Angebot mit dem neuen Betrieb endgültig über die Nachfrage hinausschießen und so ein für Familienbetriebe ruinöses Preisdumping auslösen. Daneben drohen Verkehrsengpässe und die Vertreibung von 35 wenig zahlungskräftigen Mietern. Das Projekt verstoße damit gegen eine städtische Absichtserklärung, die bestehende Nutzungsmischung zu erhalten. Der Häuserblock am Nordende der Schillerstraße beherbergt heute das "City Hotel" mit 100 Betten und gibt ansonsten mit einem Beate-Uhse-Laden samt Kino und Liveshow, einem Sportcafé, Wechselstuben und ähnlichem das ortsübliche Bild ab. In den 35 Wohnungen im nördlichen Gebäude leben überwiegend Beschäftigte der umliegenden Betriebe.

Der Block wurde vor einigen Monaten von der Concrete Capital I erworben, einem auf kurze Projektlaufzeiten und Firmenpartnerschaften ausgelegten Immobilienentwickler, gegründet vom Grünwalder Unternehmer Hubert Haupt. Bekannt wurde Haupt unter anderem durch die Umwandlung des früheren Obersendlinger Siemensstandorts zur "Südseite", aber auch durch die konfliktträchtige Sanierung eines Wohnhauses an der Blütenstraße (Maxvorstadt). Zu 25 Prozent beteiligt ist die internationale Motel-One-Kette, die in München ihr neuntes Haus eröffnen will. Sollten aktuell anstehenden Hotelprojekte in der Sonnen-, Schwanthaler- und Bayerstraße umgesetzt werden, könnte die Zahl neuer Betten in der näheren Umgebung auch ohne dieses Vorhaben vierstellige Dimensionen erreichen. Wie die Hoteliers aus der Schillerstraße (unter anderem Hotel Haberstock, Schiller 5, Conrad-Hotel de Ville) schriftlich zu bedenken geben, beschäftigen "durchoptimierte Systemhotels" zum einen weniger Mitarbeiter pro Gast als Mittelständler, zum anderen ziehen sie so, selbst bei anhaltender Nachfrage, die Preise nach unten. Es drohen Qualitätsverluste, Einheitsbrei und die Abwanderung von Erträgen und Steuern aus München. Dabei sind die bahnhofsnahen Hotels laut Betreibern nur an rund 35 Tagen pro Jahr ausgelastet. Münchenweit müsste der Tourismus jährlich um unrealistische 20 Prozent wachsen, um die aktuell 50 neuen Hotelprojekte mit 10 000 Betten zu rechtfertigen, schreiben die Hoteliers.

Sollte eine Hotelblase platzen, hinterließe sie Leerstand, der sich nicht in Wohnraum oder Gewerbeflächen umwandeln ließe. Der Fall zeige aktuelle Fehlentwicklungen "im Brennglas", findet ein Vertreter der Anwohner und Hoteliers, der aus Angst vor Repressalien nicht namentlich auftreten will. Dabei habe die Stadt das Problem an sich erkannt: Ein vor zwei Jahren beschlossenes Konzept zum Schutz von Wohnraum und gewachsenen Strukturen bezieht sich zwar vor allem auf das südliche Bahnhofsviertel ab der Schwanthalerstraße, will aber den heutigen "Nutzungscharakter" im "nördlichen Reisestandort mit Hotelkonzentration" zumindest "stabilisieren". Während der BA dieses Ziel nun durch eine "unerwünschte Monostruktur" gefährdet sieht, verspricht Concrete Capital mit dem Projekt einen "Beitrag zur Aufwertung der Umgebung" und verwahrt sich gegen den Vorwurf der Mietervertreibung. An sich unterliegt das Gebäude der Zweckentfremdungssatzung, die einen Abriss nur bei Schaffung von adäquatem Ersatz zulässt.

Der Investor hat einen entsprechenden Antrag gestellt und zweifelt nicht an der Genehmigung. "Allen Mietern wird Ersatzwohnraum und finanzielle Entschädigung geboten. Den Umzug organisieren wir auf eigene Kosten", heißt es in der Stellungnahme. Die Ersatzwohnungen seien dabei "deutlich attraktiver als der baufällige Bestand in der Schillerstraße". Bisherige Kündigungen seien "gut begründet und basieren auf der Gesetzeslage". Der BA weiß natürlich um die Geschäftsinteressen, teilt aber die Bedenken der Hoteliers. Darüber hinaus drohe in der engen Straßenschlucht mit einem neuen Großhotel der Verkehrsinfarkt. Da eine Lieferzone auf dem Grundstück fehlt, dürften in zweiter Reihe stehende Lieferfahrzeuge und Reisebusse die Schillerstraße permanent verstopfen. Ein Verkehrskonzept brauche es daher für den späteren Betrieb, erst recht aber für die Bauphase. Auch wenn nicht alle Gäste per Pkw anreisen dürften, hält der BA außerdem ein unterirdisches Stellplatzkontingent von 33 Plätzen für unzureichend und fordert, auch die abgelösten 45 Plätze auf dem Gelände zu schaffen, inklusive ausreichender behindertengerechter Flächen. Verdichtet wird das Gebiet vor allem im Hinterhof, allerdings entsteht auch zur Straße hin eine durchgehende Fassadenfront, höhengleich zum nördlich angrenzenden Eckbau. Der BA möchte "aufgrund dieser Dimension und der prominenten Lage" einen Architektenwettbewerb ausgeschrieben-, oder wenigstens die Stadtgestaltungskommission eingeschaltet sehen. Die Agenda des Investors sieht derlei Zusatzrunden im Planungsvorlauf nicht vor: Abriss und Neubau sollen bis Mitte 2019 starten.

© SZ vom 30.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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