Ludwigsvorstadt:Sprechende Augen

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Gesichter eines Landes: Der Übersetzer, Journalist und Autor Ahmet Arpad hat sich seine Heimat mit der Fotokamera erschlossen. (Foto: Ahmet Arpad)

Ahmet Arpad zeigt Menschenlandschaften aus seiner Heimat Türkei

Von Jutta Czeguhn, Ludwigsvorstadt

Ob es daran liegt, dass Ahmet Arpad Übersetzer ist? Er hat Bücher von Stefan Zweig, Hermann Hesse oder Joseph Roth ins Türkische übertragen, hat also dieses besondere Talent des Vermittlers, dieses Gefühl für Poesie, diesen präzisen Blick. Ahmed, 1942 in Istanbul geboren, ist auch Schriftsteller und Journalist. Und ein passionierter Fotograf. Mit seiner Serie "Türkei: Menschenlandschaften" hat er schon über 40 Einzelausstellungen bestritten. Noch bis zum 31. Mai präsentiert sie das Eine-Welt-Haus München in einer Online-Schau über Youtube (https://www.youtube.com/watch?v=3eTa827Ap0A.)

Mit ruhiger Stimme geleitet Ahmet Arpad durch sein Land. Die Fotografien, erzählt er, seien in mehr als 15 Jahren entstanden. Start ist in seiner Heimatstadt Istanbul. Ein Mann sitzt am Bosporus-Kai, neben ihn einer jener Simit-Wagen, in denen das Hefegebäck verkauft wird. Es ist Winter, der Händler trägt eine blaue Wollmütze und festes Schuhwerk, im Hintergrund, verschwommen im Dunst, das Minarett einer Moschee. Zu Füßen des Mannes zwei Katzen, die beharrlich darauf warten, dass er ihnen ein Stück vom Sesamring zuwirft. "Im Mittelpunkt steht der Mensch", kommentiert Ahmet Arpad, der seit 1968 in Deutschland lebt und Mitbegründer des Deutsch-Türkischen Forums Stuttgart ist. "Mit meinen Bildern möchte ich nicht nur dem Betrachter meine Heimat näherbringen, sondern auch meinen Landsleuten in Deutschland ein Gefühl von Akzeptanz und Zugehörigkeitsgefühl vermitteln", hört man Arpad erklären.

Bild um Bild erschließt der Fotograf sich und seinen Betrachtern die Türkei in all ihren geografischen, sozialen, kulturellen und ethnischen Gegensätzen. Von der alten, flirrenden Metropole Istanbul geht es in die gewaltigen, einsamen Landschaften Anatoliens mit Hochebenen und schneebedeckten Viertausendern, Wandernormaden - Menschen, sagt Arpad, von herzlicher Gastfreundschaft, mit "sprechenden Augen". Er präsentiert die vielen Gesichter der Türkei, in der zwischen Bosporus und Ararat heute neben Türken auch Griechen, Armenier und Juden, Aramäer, Lasen und Albaner, Bosniaken, Georgier, Araber, Turkmenen, Roma oder auch Tataren leben. Sie alle, so Ahmet Arpad, machen die Menschenlandschaften seiner Heimat aus, doch seien bis heute in der Türkei nur Juden, Griechen und Armenier als Minderheiten anerkannt. Doch glaubt er fest an das Zusammenwachsen der Kulturen, "wenn man wirklich den Menschen in den Mittelpunkt stellt."

© SZ vom 16.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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