Kritik:Ludwig und die Discoqueen

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Wo eine Bühne ist, da ist auch Lola. Im Hintergrund staunt Ringsgwandl als Ludwig I. (Foto: Birgit Hupfeld)

Georg Ringsgwandls Musical über Lola Montez im Cuvilliés-Theater.

Von Christian Jooß-Bernau, München

"Auf die Knie vor dieser Gräfin, die uns weckte aus dem Schläfchen / Sie ist ganz zweifellos für diese Stadt zu groß" - ja, so war das wohl. Als Lola Montez in unserem König Ludwig die Gefühle tanzen ließ. Auf der Bühne des Cuvilliés-Theaters steht sie im pinken Glitzeranzug, den Lola Paltinger entworfen hat, unter einer Riesenkrone. Die hat Volker Hintermeier mit Edelsteinen versehen, die in Bonbonfarben blinken können. Mit Liebe zum Detail sind kleine Brezn als ornamentale Verzierung eingearbeitet. In Lolas Schatten: Ludwig I. im verbeulten Uniformrock. Das Hemd hängt aus der Hose. Am Stock schlurft er schwadronierend in ausgelatschten Pantoffeln herum. Und ist, so liebevoll verhaut, gar nicht weit entfernt vom Ringsgwandl, der ihn spielt, Musik und Text geschaffen hat. Beeindruckende 26 Songs listet der Programmzettel für dieses Musical, das schon im Frühjahr 2020 auf die Bühne sollte, wäre nicht die Pandemie in die Quere gekommen.

Ende der Neunziger hat Georg Ringsgwandl schon einmal einen König gespielt, Ludwig II., in einer Inszenierung, die, wenn die Erinnerung nicht trügt, seinerzeit von führenden Guglmännern wärmstens empfohlen wurde. Als Ludwig I. trägt er jetzt auch nicht die Königswürde spazieren, aber der alte Gockel ist einem doch erstaunlich sympathisch, wie er tattrig um das junge Ding schwarwenzelt, verliebt in die Liebe. Ihr seine kiloschweren Gedichtbände zu Füßen wirft und am Piano seiner "Lolita" eine schaurig gereimte Ode zu Gehör bringt.

Die "Lolita" ist, so wie sie Antonia Münchow spielt, eine durch und durch zielstrebige Person mit blitzenden Augen, die, so wenig spanisch wie irgendwas, im Hoftheater einen Spinnentanz vorführt, der möglicherweise in echt so unbeeindruckend war wie hier, dafür aber textlich toll bizarr: "Tarantula olé, olé". Dazu fetzt die Band, der zwei Bläserinnen schön Druck geben und die das Geschehen rechts und links flankiert, etwas, das man von fern für Flamenco halten könnte. Gespielt wird halbszenisch, heißt, öfter mal mit Textblatt, was zu einer sympathischen Wurschtigkeit führt, in der Münchow den Ringsgwandl schon mal anschnauzt, er brauche ihr nicht vorsagen, sie habe hier selber einen Text.

Seine Lola hat Ringsgwandl fast ins Heute gezogen. In eine Zeit, die er selber recht gut aus jüngeren Jahren kennt. Als Discoqueen mischt sie mit fröhlicher Soulstimme zur funky Guitar das miefige Nest auf. Musikalisch ist das mit Bandbreite liebevoll gestaltet. Der König rhapsodiert mal zur Zither, rumpelrockt mit allen den Hitschunkler des Abends: "Die zwoa ghern zam". Und darf dann staunen, wenn Lola und ihre Zofe abhotten oder sogar mal gerappt wird, was allerdings weniger Trap als der gute alte Sprechgesang ist.

Die Zofe übrigens hat einen schwarzglänzenden Vollbart. Nicola Mastroberardino spielt sie als züchtig schüchterne Mamsell, unter deren Haube es brodelt. Als kleine Nebenhandlung gibt es Noah Saavedra als Baron von Heideck mit dem schnieken Schnurrbart, der der Zofe mit Ösi-Schmäh den Hof macht. Was dann in ein Verhältnis mündet, das doch um einiges ernsthafter ist, als das, was Lola und der König da veranstalten. Saavedra ist außerdem als Leutnant Nußbammer eine nette Nebenbeschäftigung der Montez, die den unverkrampftesten Materialismus verkörpert, den man sich denken kann: "kaufen, kaufen kaufen". Für was hat man einen Sugardaddy? Es ist eine bewundernswert postmoralische Haltung, die man, Spaß beiseite, durchaus als Selbstbestimmheit deuten kann. So, wie in diesem Märchen aus dem patriarchalen Machtgefüge auch die Krone der Schöpfung Recht und Freiheit hat, sich zum Trottel zu machen.

Lola M., Mittwoch, 20. April, 19.30 Uhr (ausverkauft), Cuvilliés-Theater

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