LMU München:Volkswirte werden überrannt

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Zu Beginn des Sommersemesters könnte es an der LMU noch voller werden als sonst. (Foto: Stephan Rumpf)

Die VWL-Fakultät der LMU hat den Eignungstest abgeschafft. Nun haben sich mehr als zehnmal so viele Studenten eingeschrieben wie üblich. "Es wird chaotisch", prophezeit der Dekan - er rechnet mit dramatisch steigenden Durchfallquoten.

Von Sebastian Krass

Im Studium der Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) droht im bevorstehenden Sommersemester der Kollaps. Für das Bachelorstudium im Hauptfach, für das es ausnahmsweise keine Zugangsbeschränkung gibt, haben sich bis Donnerstagfrüh bereits 1037 Studenten eingeschrieben. Die Fakultät rechnet damit, dass es nach Ende der Einschreibefrist an diesem Freitag 1300 sein werden.

Hinzu kommen noch etwa 100 Nebenfächler. Zum Vergleich: Im vergangenen Sommersemester haben an der LMU 88 Studenten mit Volkswirtschaftslehre (VWL) angefangen. Und zuletzt hatte die Fakultät insgesamt 687 Bachelor-Studenten. "Es wird chaotisch", sagt Dekan Joachim Winter. Die Uni-Leitung habe am Donnerstag eine "Soforthilfe von 100 000 Euro zugesagt", erklärt eine LMU-Sprecherin.

Der Ausnahmezustand liegt daran, dass die Fakultät im Januar den bisherigen Eignungstest abgeschafft hat. Zuvor hatte das Wissenschaftsministerium die Genehmigung dafür entzogen. In Bayern stehen die meisten Eignungsfeststellungsverfahren, wie sie offiziell heißen, auf der Kippe, da der Freistaat vor Gericht mehrere Niederlagen erlitten hat. Bewerber, die in einem Test durchgefallen waren, klagten erfolgreich einen Studienplatz ein.

Kernargument der Richter war, dass die Eignungstests den Wert des Abiturs und anderer Abschlüsse, die eine "allgemeine Hochschulreife" bescheinigen, aushöhlten. Demnach sind die Tests nur in Fächern, die besonderes Talent erfordern, unproblematisch - wie Kunst, Musik oder Sport. Die aktuelle Rechtslage löst bei Hochschulen und Studentenvertretern Unmut und Verunsicherung aus. Denn die Eignungstests gelten gemeinhin als gutes Mittel, um später die Quote der Studienabbrecher zu senken.

Große Vorlesungen sollen auf zwei Hörsäle verteilt werden

Mit ihrem Personal könne die VWL-Fakultät eigentlich nur etwa 300 Studienanfänger unterrichten - nicht pro Semester, sondern pro Jahr, erklärt Dekan Winter. Wie viele Studenten es nun tatsächlich werden, wird man erst nach Semesterbeginn sehen. Winter hält es für möglich, dass sich einige nur pro forma eingeschrieben haben, um den Studentenstatus zu haben, und dass andere bereits studiert haben und nun die Chance nutzen, an die LMU oder nach München zu kommen. Bei ihnen könne man womöglich Leistungen anrechnen; das nähme Druck aus den Einführungsveranstaltungen. Am grundsätzlichen Überlastungsproblem dürfte das aber nichts ändern.

Wie das VWL-Studium trotzdem möglichst gut ablaufen könnte, wird in der Uni im Moment bei zahlreichen Krisengesprächen diskutiert. Winter geht davon aus, dass die großen Vorlesungen auf zwei Hörsäle verteilt werden, mit Videoübertragung vom einen in den anderen. Man könne sie natürlich auch per Internet verfolgen.

Zudem strebt die Fakultät an, mit der Soforthilfe die Zahl der Tutorien zu erhöhen, die von Studenten aus höheren Semestern abgehalten werden. Auf die Schnelle qualifizierte Lehrbeauftragte für zusätzliche Übungen zu gewinnen, sei jedoch nahezu unmöglich, sagt Dekan Winter. Da zum VWL-Studium Kurse in Fächern wie Betriebswirtschaftslehre, Statistik oder Mathematik gehören, sind auch andere Fakultäten vom Ansturm auf die VWL betroffen.

Mit Sorge sieht Winter auch auf die nächsten Semester, wenn die aktuelle Schar verstärkt in Seminaren unterrichtet werden muss. "Wir werden mittelfristig mehr Mitarbeiterstellen brauchen", sagt er, auch mit Blick auf die Verwaltung, die ein Vielfaches an Prüfungen abwickeln muss. Mit der Zeit könnte sich das Problem allerdings entschärfen.

Winter rechnet mit "dramatisch steigenden Durchfallquoten", da die Vorauswahl weggefallen sei. Allerdings versichert er, man werde die Studenten nicht mit erhöhten Anforderungen "rausprüfen". Das fände er "nicht in Ordnung". Für das Wintersemester strebt die Fakultät an, eine Zulassungsbeschränkung per Numerus clausus einzuführen.

Die erste große Lehrveranstaltung für den neuen VWL-Jahrgang ist die Vorlesung "Mikroökonomie I" am 8. April, 14 Uhr c. t., im großen Physiksaal. Der größte LMU-Hörsaal, das Audimax mit 836 Plätzen, steht im Sommersemester wegen Renovierung nicht zur Verfügung.

© SZ vom 28.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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