Literatur:In Gedanken flanieren

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Henriette Friedoline Schmidt hatte die Idee und liest die Texte. (Foto: Jeanne Degraa)

Im Podcast "Kopfkino" laden die Texte von Münchner Autoren zu Spaziergängen durch die Stadt ein

Von Dirk Wagner, München

Mit dem Hörspiel "Soundseeing Metropolis München" gelang Paul Wühr in den 1980ern ein auditives Stadtbild, das einzig von Klängen der Stadt gezeichnet wurde. Klänge, die den Hörer auf einen akustischen Spaziergang durch die München geleiteten. Ähnlich funktioniert auch der in der aktuellen Pandemie geborene Podcast "Kopfkino" der Schauspielerin Henriette Fridoline Schmidt und des Musikers Benno Heisel. Nur dass der Komponist Heisel die hier zu hörenden Wege nicht allein mit aufgenommenen Stadtgeräuschen nachbildet. Bisweilen deutet er auch nur musikalisch die Atmosphäre der Stadtteile an, durch die die Texte wandeln, die vorwiegend Münchner Autorinnen und Autoren eigens für den Podcast geschrieben haben. Spannend inszeniert die Sprecherin Henriette Schmidt die Texte mal als Hörspiel, mal als inneren Monolog jener Spaziergänger, die seit Beginn der Pandemie das Stadtbild prägen.

Tatsächlich kam Schmidt die Idee zum Podcast vor einem Jahr auch während eines Spaziergangs: "Ich bemerkte, wieviele der anderen Spaziergänger Kopfhörer trugen. Da fragte ich mich: Was hören die eigentlich? Wo sind die eigentlich gerade mit ihren Gedanken?", sagt Schmidt. Das Bedürfnis der Spazierenden nach etwas, das sie einen inneren Rückzug nennt, könne sie zwar verstehen. Trotzdem fände sie es schöner, wenn die Menschen dabei ihre Umgebung auch auditiv wahrnehmen würden. Entsprechend kombinieren die literarischen Hörgänge, die ihr Podcast "Kopfkino" nun schon in zehn monatlich erschienenen, circa zwanzigminütigen Folgen anbietet, die vorgetragenen Texte mit klanglichen Merkmalen ihrer Spielorte.

Natürlich kann man so jene Orte auch zuhause sitzend vor dem inneren Auge entstehen lassen, wenn man dem Podcast über die entsprechenden Internetseiten wie Spotify, Soundcloud oder https://theater-hochx.de/kopfkino.html lauscht. Benno Heisel empfiehlt allerdings, den Podcast während eines Spaziergangs im entsprechenden Stadtviertel zu hören. Dass man dort nämlich Gehörtes auch visuell zuordnen könne, hätte einen weiteren Reiz.

Entsprechend planen er und Schmidt sogar, im Frühjahr die literarischen Hörgänge als tatsächliche Spaziergänge zu inszenieren. Wie bei einer Silent Disco würde das Publikum dann vor Ort über Kopfhörer die in dem Fall live präsentierte Mischung aus Musik, Klangcollage und Lesung erleben. Damit würden Schmidt und Heisel, die ja beide vom Theater kommen, ihren Podcast, der als Alternative zur ausgefallenen Theaterarbeit konzipiert wurde, letztlich wieder zur Theaterveranstaltung machen.

Immerhin wird ihre Arbeit mittlerweile sogar vom Bund und vom Münchner Kulturreferat finanziell unterstützt. Also können die beiden für die Texte mehr Geld zahlen, als die freiwilligen Spenden ihrer Hörer es bisher ermöglicht haben. Und sich selbst können sie auch eine Gage sichern, freut sich Schmidt: "Schließlich machen wir das ja beruflich und nicht als Hobby". Ab Montag, den 15. Februar um 20 Uhr gibt es eine neue Folge von "Kopfkino" zu hören. Diesmal mit einem Text von Mira Mann.

© SZ vom 15.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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