Linksaußen:Neue Experten und alte Legenden

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Gibt am Gründonnerstag ein Comeback im DEL-2-Spiel der Tölzer Löwen: Fritz von Thurn und Taxis. (Foto: Thomas Eisenhuth/imago images/photoarena)

Vorzugsweise für ehemalige Profis aus alten Münchner Beständen haben sich die Fernsehstudios zu einem beachtlichen zweiten Arbeitsmarkt entwickelt.

Von Andreas Liebmann

Meine sehr verehrten Damen und Herren, kennen Sie den? Achtung, genau hinhören jetzt: "Huuuuiiiiiiiii!"

Na? Wirklich nicht? Wie wäre es dann mit, Obacht: "Heieiei!" Dämmert's?

Also gut, letzter Hinweis: "Am liebsten würde ich mit runterspringen und aushelfen da unten. Das gibt's doch gar nicht!" Wer es jetzt nicht erkennt, ist womöglich einfach zu jung, als dass ihn die Töpperwiens und Faßbenders dieser Republik einst in den Schlaf verfolgten, jene Reporterlegenden, zu denen man auch den hier gesuchten T&T zählen muss, Fritz von Thurn und Taxis, eigentlich Friedrich Leonhard Ignatius Josef Maria Lamoral Balthasar Thurn und Taxis, den man streng genommen mit "Durchlaucht" anreden müsste. Ein Österreicher aus der böhmischen Linie des ehemaligen Fürstenhauses. Um es vorwegzuschicken: Er ist kein Experte. Trotz schöner Sätze wie: "Prödl stand im Strafraum, sein Bein außerhalb."

Schöner Gruß von Otto Rehhagel: "Sie haben doch noch nie Fußball gespielt!"

Experten sind begehrt zurzeit, in jeder Talkshow vertreiben sie sich und dem Publikum die Abende, auch wenn just in einer solchen der Psychiater Manfred Lütz kürzlich betonte, dass es etwa für die Pandemie doch gar keine Experten gäbe - weil niemand sie zuvor erlebt habe. Klingt schlüssig und geht in dieselbe Richtung wie die Argumentation von Otto Rehhagel (siehe: Trainerlegende), der im Geisteszustand grenzenloser Überheblichkeit mal einem Sportreporter vorwarf: "Sie haben doch noch nie Fußball gespielt" - sollte heißen: weitere Debatten überflüssig.

Rehhagels Gesprächs- oder dann eben Nichtgesprächspartner war, man ahnt es, der für viele Sportarten so schwärmerisch zu begeisternde Fritz von Thurn und Taxis. Fußball, Basketball, Ski alpin, überall war der Adlige zu hören, schon in einer Zeit, als es nur zwei Fernsehsender gab. Auch ein Dutzend Eishockey-Weltmeisterschaften begleitete der 70-Jährige. Das ist jetzt wichtig, weil er nämlich am Gründonnerstag zum DEL-2-Duell zwischen EV Landshut und Tölzer Löwen ans Mikro zurückkehren wird, nach einem Vierteljahrhundert Eishockey-Abstinenz. Das jüngste Duell beider Teams endete 5:4 für Tölz ("Huuiiiiiiii!"), vielleicht lässt sich T&T aber auch zur finanziellen Lage der Löwen ein gepflegtes "Heieiei!" entlocken.

Dass Thurn und Taxis kein Experte wäre, soll ihm nicht die Kompetenz absprechen. Man muss nur in einer Zeit, in der es statt zwei eher 200 fußballübertragende Sender gibt, scharf unterscheiden zwischen Sportjournalisten wie ihm, co-kommentierenden Experten, Studioexperten und Analyse-Experten, von denen sich jeder der 200 Sender einen Vorrat hält, überwiegend aus alten Münchner Beständen. Aus heutiger Sicht ist es erstaunlich, wie Herbert Zimmermann jemals ganz allein auf die Idee kommen konnte, dass Rahn aus dem Hintergrund schießen müsste.

Es gibt übrigens sogar einen deutschen Experten für isländischen Fußball - oder war es umgekehrt? Er heißt Hannes Sigurdsson, ist Trainer des FC Deisenhofen und hat sein Wissen vergangene Woche während des Länderspiels gegen Deutschland dem isländischen Fußball-Portal fotbolti.net zur Verfügung gestellt.

Gibt es eigentlich auch für Fußballexperten Ablösesummen?

Noch ist nicht abzusehen, ob Thomas Müller mal Experte wird, Trainer oder beides - die Expertenbranche hat sich jedenfalls zum stattlichen zweiten Arbeitsmarkt entwickelt für alle, denen Rehhagel die Erfahrung des Fußballspielens nie absprechen könnte. Gelegentlich findet mal einer aus dem Fernsehstudio in den ersten Arbeitsmarkt zurück, wie Oliver Kahn oder Thomas Hitzlsperger, oder wird abtrünnig wie Mehmet Scholl, der erst Coach und Fußballweiser zugleich war und heute eine Musiksendung moderiert. Bei Bastian Schweinsteiger und Sandro Wagner muss man abwarten, zumindest DAZN-Experte Wagner startet ja bei der SpVgg Unterhaching nun auch eine Trainerkarriere. Lothar Matthäus könnte den umgekehrten Weg einschlagen, als Routinier aus dem Sky-Studio auf den Stuhl des Bundestrainers. Ein Rat übrigens des RTL-Expertenneulings Uli Hoeneß, der neuerdings also das macht, was all seine Ex-Spieler schon lange vor ihm getan haben. Nebenbei: Gibt es eigentlich auch für Experten Ablösesummen?

Was Fritz von Thurn und Taxis von der Idee Matthäus hält, ist nicht bekannt. Vielleicht äußert er sich in Landshut dazu. Seinem Freund Hoeneß hat er fürs Expertendebüt jedenfalls ein Zeugnis erstellt. Etwas angespannt habe er gewirkt, erklärte Thurn und Taxis in einer Gastkolumne von T-Online, und natürlich sei er keiner fürs Analyse-Tool - wie auch T&T selbst die Verwissenschaftlichung des Fußballs auf die Nerven geht. Doch nur ins Tegernseer Tal zu starren, reiche Hoeneß im Ruhestand eben nicht, und zum Zeitvertreib Eishockey zu kommentieren, ist offenbar auch nicht seins. Einstand ordentlich, befand Thurn und Taxis und gab Hoeneß eine Schulnote: "Zwei minus". Huiuiui, verehrte Damen und Herren...

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