Leute:Auf Augenhöhe in der Großküche

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Rap-Workshop mit Taiga Trece (links) für geflüchtete Frauen im Bellvue di Monaco. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Britta Coy und Taiga Trece bringen geflüchtete Frauen mit Münchnerinnen zusammen. Um zu rappen - und beide Gruppen aus der Isolation zu holen.

Von Dirk Wagner

Das Bild eines Ankers ziert den Eingang zum Hinterhof des Bellevue di Monaco. "Heimathafen statt Ankerzentren" steht auf dem Spruchband, das den gemalten Anker umschlingt. Vorbeigehenden Passanten mag das Schild eine politische Forderung mitteilen. Den Einkehrenden, die über den Hofeingang die Räumlichkeiten des Bellevue die Monaco jenseits seines offenen Cafés betreten, benennt das Schild, was das Bellevue di Monaco ist: ein Heimathafen.

Ein Ort der Ankunft also. Nicht so sehr geografisch als vielmehr gesellschaftlich. Etwa für jene Flüchtlingsfrauen, die sich hier jeden Dienstagabend im Frauencafé mit anderen Frauen treffen. Mit einheimischen Frauen, aber auch mit Frauen, die aus verschiedenen Ländern und Städten nach München zogen. Weil die Frauen unter sich sind, können Kopftuch tragende Muslima ihre Kopftücher ablegen. Und überhaupt redet es sich in solchem geschützten Rahmen auch freier über Frauenprobleme und Frauenrechte, wenn kein Mann anwesend ist.

Eingerichtet wurde das Frauencafé von Juno, einer Einrichtung des 1894 in München gegründeten Vereins für Fraueninteressen. Mit dieser Einrichtung will der Verein Flüchtlingsfrauen eine Stimme geben. Konzipiert wurde die Einrichtung von der Sozial- und Wirtschaftsgeographin Britta Coy, die keine Lust hatte, ein weiteres Patinnen-Projekt in München zu starten. Patenschaften seien zwar wichtig, weil es sich tatsächlich bewährt hat, wenn ortskundige Münchner zugereiste Flüchtlinge zu den Ämtern oder in den Alltag begleiten. Doch Coy will noch andere Möglichkeiten einer Integrationsarbeit ausschöpfen - und dabei auch Menschen einbeziehen, an die man bei Integration nicht sofort denkt.

Alteingesessene Münchnerinnen zum Beispiel, die gemeinsames Kochen aus der Isolation befreien soll. "Armut isoliert", sagt Coy. Denn wer sich die Teilhabe an soziokulturelle Angebote nicht mehr leisten kann, vereinsamt. Weil Lebensmittel zudem günstiger im Großeinkauf zu kriegen sind, hatte sie schon für ihre Diplomarbeit Ende der 90er Jahre in Montreal eine Großküche ausprobiert, in der arme Menschen gemeinsam kochten. Das Essen wurde portioniert und den Teilnehmenden mit nach Hause gegeben. So konnten diese sich für weniger Geld gesund ernähren. Derlei Projekte versucht Coy als Geschäftsführerin von Juno auch in München zu etablieren. Für Flüchtlingsfrauen, aber auch für Einheimische, die den Flüchtlingen in solchen Projekten auf Augenhöhe begegnen.

Oft stellen die Frauen dabei gemeinsame Interessen fest, sagt Coy. Etwa im interkulturellen Tanzprojekt, in dem geflüchtete Frauen sich mit einheimischen Trachtengruppen tänzerisch, musikalisch und letztlich auch persönlich austauschten. Dafür gewann Juno im letzten Jahr sogar den mit 10 000 Euro dotierten Münchner Paulaner Salvator-Preis. Aber auch andere Projekte werden bei Juno auf Bitten der Betroffenen verwirklicht.

So lernen viele Flüchtlingsfrauen hier das Fahrradfahren. Mit einem zusätzlichen Reparaturworkshop wird den Teilnehmerinnen dabei eine weitere Selbstständigkeit ermöglicht. Empowerment nennt das die Diplompsychologin Sophie Appl, die für Juno die Öffentlichkeitsarbeit macht. Zum Empowerment gehören auch Selbstverteidigungskurse oder Kurse, die die Möglichkeiten und Notwendigkeiten von Verhütungen in der Sexualität aufzeigen. Oder die zahnmedizinische Grundlagen vermitteln.

Allerdings stößt Juno dabei auch auf Hindernisse. So verbieten die allgemeinen Geschäftsbedingungen der städtischen Schwimmbäder Trainerinnen einen Unterricht, der nicht von den Bädern selbst angeboten wird. Eine freiwillige Trainerin wurde darum von einer Bademeisterin während des Frauenbadetags im Müllerschen Volksbad daran gehindert, zwei Frauen, die sie über Juno kennengelernt hatte, das Schwimmen zu lehren. Mittlerweile sei man darum in eine schulische Schwimmhalle gewechselt.

Trotzdem bedauert Britta Coy, dass der öffentlich zugängige Frauenbadetag vom größeren Hallenbad in Giesing ins kleinere Frauenschwimmbecken des Müllerschen Volksbades verlegt wurde. Hier fehle ein Bereich für Kinder, die nicht nur allein erziehende Mütter begleiteten, so Coy. Zum anderen sei der Frauenbadetag im Müllerschen Volksbad wegen des kleinen Beckens auch sehr schnell ausgebucht.

Bettina Hess, Sprecherin der Stadtwerke München, räumt indes ein, dass der Frauenbereich des Müllerschen Volksbades nicht von außen einzusehen ist. Die Fenster des Hallenbades in Giesing mussten dagegen erst aufwendig verhüllt werden. Vor allem aber sei es im größeren Bad schwieriger gewesen, den Personalplan so auszurichten, dass am Frauenbadetag nur weibliche Mitarbeiterinnen beschäftigt sind.

Insgesamt freut sich Coy allerdings über die Unterstützung, die ihre Arbeit erfährt. Seien es die finanziellen Unterstützungen des bayerischen Innenministeriums und der Landeshauptstadt München. Seien es die privaten Spenden oder die Bereitschaft vieler Einrichtungen wie das Münchner Stadtmuseum, den Flüchtlingen in den Kultur vermittelnden Ausflügen mit Juno einen freien Eintritt zu gestatten. Und sie freut sich über die Empathie, mit der die Münchner Rapperin Taiga Trece gerade Flüchtlingsfrauen in den Räumlichkeiten des Bellevue di Monaco das Rappen beibringt. "Beim Rap geht es darum, das Innere raus zu lassen", erklärt Taiga Trece den Teilnehmerinnen des ersten dreitägigen Rap-Kurses.

Jede soll darum darüber singen, was sie persönlich betrifft. Das könne auch in der eigenen Muttersprache geschehen, sagt Taiga Trece, die ihre Jugend in Mexiko verbrachte. Darum rappt sie selbst mehrsprachig. Umso überraschter ist Coy darüber, dass die Mehrheit der Teilnehmerinnen sich trotzdem in der neu gelernten deutschen Sprache ausdrückt. Weil sowohl der Kurs als auch die Kursleiterin von den Teilnehmerinnen sehr gut angenommen werden, findet er künftig monatlich statt. Immerhin ist diese Art der Textarbeit auch die Möglichkeit, Erlebtes aufzuarbeiten, meint Coy, die immer wieder erstaunt darüber ist, wie fröhlich und ausgelassen die traumatisierten Frauen im Frauencafé und in den anderen Angeboten von Juno sein können.

Ganz plötzlich kommen in so einer ausgelassenen Stimmung dann aber auch ernste Themen wie Zwangsehe oder Genitalverstümmelungen auf, sagt Coy. Oder einer Teilnehmerin droht aktuell die Abschiebung. Anfangs hätten die Mitarbeiterinnen von Juno die Betroffenen dann an die zuständigen Fachstellen wie zum Beispiel an den Flüchtlingsrat verwiesen. Allerdings hätten sie schnell erfahren, dass das Vertrauen der Flüchtlinge, das sie über ihre soziokulturellen Angebote gewinnen, nicht übertragbar ist. Infolge begleiten die Mitarbeiterinnen die Flüchtlinge auch noch zu anderen Einrichtungen. Oder sie erweitern das Beratungsangebot in der eigenen Einrichtung. Die eigenen Probleme erscheinen gegenüber denen der Geflüchteten oft sehr klein, resümiert Coy und schimpft über die Ignoranz, mit der hierzulande oft über das Schicksal von Menschen geurteilt wird: "Senegal ist ein sicheres Land. Aber es ist ein Unterschied, ob ich einen Mann in dieses muslimisch geprägte Land zurück schicke, oder eine Frau, die dort umgebracht wird."

© SZ vom 16.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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