Weihnachten:Jessas, Maria und Josef!

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Margarete Haberl ist es gewohnt, dass Leute zum Kripperlschauen kommen. (Foto: Angelika Bardehle)

Margarethe Haberl aus Unterhaching baut jedes Jahr im Advent eine Riesen-Krippe in ihrem Wohnzimmer auf - mit einem echten Bach und immer neuen Figuren

Von Michael Morosow, Unterhaching

Wer hier, nur wenige Meter neben dem Hachinger Bach, neuen Wohnraum schafft, der verstößt zweifelsohne gegen die Bauregeln der Gemeinde Unterhaching. Zumal, wenn der Bach auch noch durchs Haus läuft und ein sicher nicht genehmigtes Mühlrad antreibt. Und weil hier außerdem ohne Baugenehmigung ein Schweinestall errichtet wurde und offenbar auch eine illegale Hühnerzucht betrieben wird, könnte man eigentlich Rabatz von den Nachbarn erwarten und ein schnelles, entschiedenes Eingreifen der Unterhachinger Bauabteilung. Stattdessen: Friede auf Erden, auch im Wohngebiet hinter der St.-Korbinian-Kirche. Selbst an den Elefanten mitten auf einer Wiese stört sich niemand. Den göttlichen Segen, davon sollte man ausgehen können, hat die Bauherrin für ihr Siedlungsprojekt ohnehin.

Margarethe Haberl empfängt in weißer Schürze. Schon im Flur ihres Hauses duftet es himmlisch, und wie erst in der Küche, wo sich die Nussplatzerl auf dem Backblech entspannen. So schnell kann man nicht schauen, da hat sie ihre Hände gewaschen und an der weißen Schürze getrocknet. Die Bauherrin ist auch mit 80 Jahren noch erstaunlich flink. Jetzt öffnet sie die Tür zum Wohnzimmer und sagt: "Da schaung's her, da steht's." Ja, da steht es, ihr Heiligtum, wie sie es selbst nennt, und der Besucher kann ein "Jessas, Maria und Josef" nur knapp unterdrücken. Wobei diese Interjektion das Gesehene trefflich beschreiben würde. Im Eck des Wohnraumes steht auf mehreren Tischen die Stadt Bethlehem, freilich nicht im Original, aber von einer Größe, die weit über das gewöhnliche Format einer häuslichen Weihnachtskrippe hinausgeht. Auf circa acht Quadratmetern hat die gläubige Frau den Geburtsort des Jesuskindes nachgebildet, Gebäude, Tiere und vor allem so viele Menschen, dass eine Volkszählung hier lange dauern würde. Und eben Maria und Josef, ohne Christuskind, wohlgemerkt. "Das lege ich am Heiligen Abend vor dem Friedhofsbesuch dazu", sagt Margarethe Haberl. Ihre XXL-Krippe kennen bereits viele im Ort und den "Kripperl-Tourismus" ist sie gewohnt.

Die Unterhachingerin hat schon etliche Neugierige aus der Nachbarschaft zu ihrem Heiligtum geführt, das jedes Jahr am ersten Advent im Wohnzimmer aufgebaut wird. "Alles Handarbeit", sagt sie und deutet auf Futterkrippen, Schäferkarren, Brotbackofen, Hundehütte und natürlich den Stall, in dem die Heilige Familie auf die Niederkunft des Erlösers wartet. Ihr Bekannter, der in diesem Jahr verstorbene Hartmut Teth, hat alles gebastelt, geformt und modelliert, nur die Figuren sind gekauft.

Vor etwa zehn Jahren war Baubeginn für Klein-Bethlehem, inzwischen haben mehrere Nachverdichtungen stattgefunden und ist die Bevölkerungszahl nach oben geschnellt. "Jedes Jahr kommt ein Stück dazu, erklärt die rüstige Seniorin. Heuer etwa wurde ein Wildpferd nach Bethlehem umgesiedelt und ein Schäfer mit Kraxe eingebürgert. Früher seien sehr viele zum Krippenschauen gekommen, erinnert sich Margarethe Haberl, die man kennt im Ort, ist und war sie doch aktiv bei den Trachtlern, im Fischereiverein und bei der Arbeiterwohlfahrt.

Sogar die kleinen Bäume sind echt und werden gegossen. Das Moos stammt aus dem Vorjahr, weil es nicht feucht sein soll, "sonst kriegen die Viecher braune Füßerl", sagt die 80-Jährige und zeigt die Verfärbungen an einem Elefanten. Bethlehem wird alljährlich von den Enkelinnen Elisabeth und Veronika neu aufgebaut, aber den Bach lassen sie nun nicht mehr über echtes Felsgestein laufen, sondern über einen mit Bauschaum modellierten Hügel. Das ist in jedem Fall angenehmer, als wenn der echte Hachinger Bach ins Haus fließt, was öfter der Fall sein soll. "Vor drei Jahren hatten wir ihn wieder im Keller", sagt Haberl.

Ihr Faible für Weihnachtskrippen ist ihr quasi in die Wiege gelegt worden. "Ich bin im Berchtesgadener Land mit Krippen groß geworden", sagt Margarethe Haberl, die 1960 der Liebe wegen nach Unterhaching zog, wo sie mit ihrem Mann ein Malergeschäft führte. Jetzt aber muss sie weiterbacken, kommt doch an Heiligabend wieder die ganze Familie zu ihr, drei Kinder, fünf Enkel und drei Urenkel. Und alle werden sie auch wieder einen Blick nach Bethlehem werfen. Wer wohl zuerst sieht, dass ein Wildpferd und ein Schäfer mit Kraxe dazugekommen sind?

© SZ vom 21.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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