Kreis und quer:Frauen auf der Überholspur

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Die Zahl der Autofahrerinnen steigt seit Jahren, allein im Landkreis München sind immer noch mit Abstand die meisten Fahrzeuge in Männerhand.

Kolumne von Michael Morosow

Es war im August 1888, als Bertha Benz den Herren der Schöpfung den Auspuff zeigte. Als erster Mensch wagte sie sich über kürzere Probefahrten hinaus und unternahm mit einem dreirädrigen Motorwagen eine 106 Kilometer lange Fernfahrt von Mannheim nach Pforzheim. Da blieb den Männern auf ihren Pferdekutschen die Spucke weg. Es dauerte freilich nicht lange, bis sie selbst das Steuer in die Hand nahmen und die Frau zur Beifahrerin wurde. Bis 1958 durften Frauen nur einen Führerschein machen, wenn es ihre Männer oder Väter erlaubten. 1973 schließlich erfuhren die Fernsehzuschauerinnen in der Sendung "Der 7. Sinn", warum Autofahren nicht so ihre Sache ist. "Frauen fahren meist vorsichtiger als Männer, weil ihnen die Übung fehlt. Sie behindern dann den fließenden Verkehr", so der Originalton.

Den Rückspiegel nutzten sie angeblich vornehmlich als Schminkspiegel und wenn sie mit ihrem Wagen zum Verkehrshindernis würden, dann liege das meist an ihrem mangelnden technischen Verständnis und sie seien auf männliche Hilfe angewiesen. Es folgte ein Satz, der bei Alice Schwarzer Schnappatmung ausgelöst haben dürfte, so sie vor dem Fernsehgerät saß: "Oft zu beobachten: Ist die Dame jung und hübsch, kommt die Hilfe meist schnell." Schließlich erfuhren die Damen noch, wann sie sich trotz all ihrer Mängel noch hinters Steuer setzen durften: "Es kommt oft vor, dass Männer durch Alkoholgenuss fahruntüchtig und auf die Hilfe der Damen angewiesen sind, obwohl diese ungern abends oder nachts fahren."

Männer, für die auch im Jahr 2022 noch das Verdammungsurteil: "Frau am Steuer, Ungeheuer" gilt, müssen jetzt tapfer sein: Sie holen auf. Sie werden mehr. Der Verkehr in Deutschland wird weiblicher. Laut Kraftfahrt-Bundesamt haben von 2020 bis 2022 bundesweit 1,55 Millionen Männer den Führerschein gemacht, im gleichen Zeitraum 1,68 Millionen Frauen. Das wirkt sich auch beim Autobesitz aus. Von den 48,4 Millionen Fahrzeugen haben 16,8 Millionen oder 34,6 Prozent eine Besitzerin. Das ist schon recht ansehnlich, wenn auch im Landkreis München diese Entwicklung noch mit angezogener Handbremse vorangeht. Lediglich 28,4 Prozent der Kraftwagen sind auf Frauen zugelassen, 44,8 Prozent haben Männer als Halter, der Rest ist geschlechterneutral im Firmenbesitz. Das reicht in einer Bundesliga der Autohalterinnen gerade einmal für Platz 393 unter 399 Stadt- und Landkreisen. Es ist also in dieser Hinsicht noch Luft nach oben für die Frauen im Landkreis München.

Freitagfrüh auf der Landstraße bei Taufkirchen: Ein schwerer Mercedes tuckelt mit 50 km/h vor einem her. Am Steuer ein Mann. Er behindert den fließenden Verkehr. Wie hieß es gleich wieder dazu vor knapp einem Jahrhundert in der Sendung "Der 7. Sinn"?: Witze reißen könnte man auch über den Hut- und Hosenträger-Fahrer, der mit der Zigarre auf dem Zahn gemächlich über die Straßen zuckelt. Vielleicht fehlt ihm einfach nur die Übung.

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