Unterschleißheim:Neustart in wirtschaftlich schwierigen Zeiten

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Austausch unter der großen Glaskuppel: Nach sechs Jahren kehrt die Gewerbeschau wieder ins Unterschleißheimer Ballhausforum zurück. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Nach einer sechsjährigen, pandemiebedingten Pause kehrt die Gewerbeschau ins Ballhausforum zurück - aber es kommen weniger Besucher als früher und es fehlen große Unternehmen ebenso wie Handwerksbetriebe oder Autohändler.

Von Bernhard Lohr, Unterschleißheim

Microsoft und EADS waren mal da. Damals im Jahr 2000 war die Unterschleißheimer Gewerbeschau (UGA) ein Renner. Und sie brach in den Folgejahren immer wieder Rekorde bei Besuchern und Ausstellern. Nach dem Jahr 2018 und sechs Jahren Zwangspause infolge der Corona-Pandemie hat die Regionalmesse am Wochenende eine Neuauflage erlebt. Es war ein Start in schwierigem Umfeld. Für viele Unternehmer ist es eine Krisenzeit, weil die Zinsen hoch sind, Fachkräfte fehlen, Energie teuer ist und sie sich wegen bürokratischer Hürden gegängelt fühlen.

Und hat nicht die Digitalisierung die Beziehung zum Kunden völlig verändert? Braucht man noch Regionalmessen? Funktionieren die noch?

Nach drei Tagen Messe mit 92 Ausstellern im Veranstaltungszentrum Ballhausforum und auf den Freiflächen hinter dem Gebäude zeigt sich, dass es gerade keine Zeiten sind für Rekorde. Große Firmen wie die einst in der Stadt ansässigen Microsoft und EADS waren diesmal nicht anwesend, auch blieb die Zahl der Aussteller und Besucher hinter früher zurück. Aber es war offenbar der richtige Moment für Visionäre, mit solch einer Messe ein Zeichen zu setzen. Margit Schuhmann stellte als Vorsitzende des Bundes der Selbständigen Unterschleißheim-Haimhausen (BDS) gegen alle Widrigkeiten die Messe mit Unterstützung der Stadt auf die Beine. Sie sagt bei der Eröffnung am Freitag, gerade jetzt sei wichtig, dass Menschen sich wieder begegneten. Gemeinschaftliches Handeln sei angesagt. Es gehe um ein Statement für das "Offline-Leben". Am Sonntag meldet sie: "Es ist ein Erfolg." Erste Buchungen für 2026 habe sie schon eingesammelt.

Rudi Por will den seiner Meinung nach verkümmerten Service-Gedanken auf der Gewerbeschau leben. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Firmenchef Rudi Por betont bei einem Messerundgang an seinem Stand gleich am Eingang in die große Halle unter der weitgespannten Glaskuppel, wie wichtig ihm die Begegnung mit Kunden sei. "Wir kommen aus Unterschleißheim, wir leben hier, wir arbeiten hier." Vor sechs Jahren bei der bisher letzten UGA habe er sehr viel positives Feedback von Besuchern erhalten. Por hat seinen Hausmeister-Service erst 2014 gegründet und zählt nach seinen Worten heute gut 1200 Kunden. Er wolle weiter wachsen und Mitarbeiter gewinnen, sagt er. Die Messe sei dafür der richtige Ort. Wichtig sei ihm der Service-Gedanke. Den wolle er hier leben.

"Der Neustart ist gelungen", sagt die Vorsitzende des Bundes der Selbständigen

Die persönliche Begegnung schafft, was das Internet-Marketing manchmal nicht hinbekommt. Das erlebt Michael Eckert, der seinen Stand draußen auf dem Freigelände hat. Er vertritt ein Elektrounternehmen aus Scheyern im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm. Er ist zum einen skeptisch. "Das wird immer mehr sterben", sagt er zum Genre der Regionalmessen. Könnten doch Kunden schon mit ein paar Klicks im Netz vom Sofa aus ein recht konkretes Angebot für eine Solaranlage auf dem Dach bekommen. Doch Eckert sieht schon auch, dass online viele Abschlüsse am Ende nicht zustande kommen. Denn der Kunde weiß nicht, wer hinter der Firma steckt - und umgekehrt. "Das Menschliche muss auch passen", sagt Eckert. Das könne man auf einer Messe auszuloten.

Den Wert des direkten Austauschs schätzt er wohl: Trotzdem ist Solar-Unternehmer Michael Eckert skeptisch, ob Regionalmessen eine Zukunft haben. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die UGA ist auch ein Marktplatz im klassischen Sinn. Es ist ein großes Hallo. Die Firmenchefs kennen sich, sagt Por und blickt zum Stand vom "Baumarkt Lohhof", wo er selbst Kunde ist. Es gibt Vorträge für interessierte Bürger etwa über erneuerbare Energien. Die Stadt präsentiert sich. Groß ist das Interesse an den Netzausbauplänen der Geothermie-Gesellschaft. Der Investor aus Hamburg, der das Mehrgenerationenwohnen-Quartier in Lohhof-Süd hochziehen will, stellt sich Fragen von Bürgern. Und am Freitagabend bringen die Lokalmatadoren der Partyband "Ois Ösi" Stimmung in die Halle. Bürgermeister Christoph Böck (SPD) sagt bei der Eröffnung, die Messe solle der "schlechten Stimmungslage in der Wirtschaft und in der Gesellschaft" etwas entgegensetzen. Man müsse "anpacken und nach vorne blicken".

Ein Selbstläufer ist das aber nicht. Microsoft und EADS gibt es nicht mehr in der Stadt. Die neuen großen Player wie BMW oder die Firma Wenglor, die seit Kurzem in der Stadt hochwertige Sensorentechnik entwickelt, sind nicht vertreten. Autohändler fehlen ebenso weite Teile des klassischen Handwerks wie etwa Schreiner. Im modernen Bürokomplex Koryfeum und auch im Business-Campus stehen Flächen leer. Aber auf der UGA preist die niemand an. Margit Schuhmann sagt, die 2020 bereits geplante und coronabedingt ausgefallene Messe wäre ein großes Ereignis mit 130 Ausstellern gewesen. Jetzt habe sie bei der Akquise erstmal schauen müssen, welche Betriebe es noch gebe. Manche Firmenchefs hätten Probleme, Nachfolger zu finden. Nicht jeder sei bei knappem Personal in der Lage, Leute für eine Wochenendmesse abzustellen. Und dann die neue Online-Welt.

Michael Schmitt ist Wirtschaftsförderer der Stadt Unterschleißheim. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Ohne die Unterstützung der Stadt hätte es Schuhmann zufolge die Messe nicht wieder gegeben. 35 000 Euro steuert das Rathaus bei und garantiert, dass im Ballhausforum die Standmiete mit 130 Euro pro Quadratmeter attraktiv bleibt. Der städtische Wirtschaftsförderer Michael Schmitt sagt, für eine Stadt wie Unterschleißheim, die wachse und von einer starken Wirtschaft profitiere, sei solch eine Plattform für Firmen wichtig. Nicht jeden erreiche man online. Das sei "eine Frage des Alters", sagt Schmitt. Dabei weiß er seit vergangenem Jahr, dass auch die Jugend die Begegnung schätzt. 2023 richtete die Stadt erstmals eine Ausbildungsmesse aus. Die sei gut angekommen, sagt Schmitt. Sie werde wiederholt.

Patric Eckstein (links) und Peter Müller suchen als Vertreter des regionalen Energieversorgers E-Werke Haniel den Kundenkontakt. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Und auch Margit Schuhmann vom BDS denkt Sonntagnachmittag schon an die nächste UGA 2026. "Ich habe mit vielen Ausstellern gesprochen", sagt sie, "der Neustart ist gelungen." Aussteller hätten die "Qualität der Besucher" gelobt. Dass es mehr hätten sein können, bestreitet Schuhmann nicht. "Jetzt sind auch die Besucher gefragt." Dann könne der "Spagat zwischen online und offline" gelingen. Die Schattenseiten des Online-Geschäfts haben die E-Werke Haniel aus Haimhausen als regionaler Stromversorger in der Energiekrise erlebt. Peter Müller sagt, der "wilde Strommarkt", bei dem alle nur auf den Preis geschaut hätten, habe sich korrigiert. Kunden schätzten wieder, einen Ansprechpartner am Ort zu haben, sagt sein Kollege Patric Eckstein.

Lars Knabe leitet den Baumarkt Lohhof und sieht "Service" als Erfolgsrezept. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Lars Knabe, Marktleiter des Baumarkts Lohhof, glaubt an die Stärke des regionalen Markts. "Wir haben Umsatz- und Kundenzuwachs." Auf die Frage nach seinem Erfolgsrezept sagt er wie aus der Pistole geschossen: "Service."

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