Baubranche:Lego für Erwachsene

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Ganze Hauswände mit eingebauten Fenstern werden fertig auf der Baustelle eingesetzt. (Foto: Klaus Lorke/No Limit Fotodesign)

Der Montessori-Verein lässt in Unterschleißheim von der Firma Goldbeck eine Schule nach dem Prinzip des Seriellen Bauens errichten. Das geht flott und verspricht Lösungen gleich für mehrere Probleme.

Von Bernhard Lohr, Unterschleißheim

Gerade erst war Baubeginn. Mitten in den großen Ferien griffen Bürgermeister Christoph Böck (SPD), die Schulleitung und Richard Greß zu den Spaten und läuteten am Münchner Ring symbolisch die Arbeiten an der neuen Montessorischule in Unterschleißheim ein. Zwei Monate später stehen von dem Gebäude die beiden Geschosse. Die Fenster sind drin. Und wer etwas oberflächlich hinschaut, könnte meinen, dass dort locker vor Weihnachten der Unterricht beginnen kann. Der Bau kommt auffällig flott voran. Das hat damit zu tun, dass die beauftragte Firma Goldbeck vieles anders macht als andere. Das Unternehmen ist ein Vorreiter beim "Seriellen Bauen".

Es baut mit standardisierten, industriell gefertigten und angelieferten Bauteilen und verspricht, auf diese Weise auch kostengünstiger und nachhaltiger als andere zu bauen. "Das ist wie Lego für Erwachsene", sagt Richard Greß, Leiter der Goldbeck-Niederlassung Süd in Neuried.

Spatenstich mitten in den Ferien: (von links) Bürgermeister Christoph Böck, vom Montessori-Förderverein Aufsichtsrat Djan Walsh sowie Vorstände Cinderella Weiß und Charlotte Hirth, die Schulleiterinnen Katrin Jarosch und Antonella Kisselat sowie Richard Greß von der Goldbeck Süd GmbH. (Foto: Stadt Unterschleißheim)

Dabei geht es nicht um eine Spielerei. Vielmehr scheint das Unternehmen mit Sitz in Bielefeld mit seinem Geschäftsmodell gerade einen Nerv in der von multiplen Krisen geschüttelten Branche zu treffen. Das 1969 gegründete Familienunternehmen baut in Unterschleißheim zwar nur eine relativ kleine Schule, ist aber in der Branche ein Großer und wächst gerade in jüngster Zeit stark. Die Zahl der Mitarbeiter legte von 2019 bis 2023 um 72 Prozent auf knapp 11 000 zu. Der Auftragseingang verdoppelte sich in dieser Zeit und der Umsatz stieg bei dem europaweit tätigen Unternehmen auf 6,7 Milliarden Euro. 573 Gebäude wurden im zurückliegenden Jahr in 23 Ländern fertig übergeben. Das Spektrum reicht von Gewerbebauten, Schulen und Wohngebäuden bis hin zu Parkhäusern.

Zwei Monate nach dem Baubeginn sieht der Bau von außen schon ziemlich fertig aus. Die Fenster sind drin. (Foto: Robert Haas)

In Unterschleißheim setzt der Montessori-Verein auf den Bauträger. Die bisherige Schule in angemieteten Räumen an der Ganghoferstraße ist längst zu klein. Schon seit Jahren behilft man sich mit zusätzlichen Containern als Klassenzimmern. Nun soll innerhalb von zwölf Monaten eine einzügige Schule entstehen, die Platz für etwa 200 Kinder und Jugendliche von der Jahrgangsstufe eins bis zehn bietet. 2270 Quadratmeter Bruttogeschossfläche soll die Schule haben und außer Unterrichts- und Fachräumen Platz für eine Mensa, für die Mittagsbetreuung und für offene Ganztagsangebote bieten. Laut Goldbeck wurde zusätzlich ein Konzept für einen möglichen Bau einer Sporthalle und einer Kindertagesstätte auf dem Grundstück entwickelt. Das Bausystem ermögliche problemlos eine Erweiterung durch einen Anbau.

Beim seriellen Bauen werden Bauteile - sogenannte Produkte - in Fabrikhallen gefertigt. (Foto: Klaus Lorke/No Limit Fotodesign)

Auf der Baustelle fällt auf, dass keine Steine angeliefert werden, und keine Betonmischer vorfahren. Stattdessen bringen schwere Lkw fertige Wände, in denen die Fenster samt Rollläden schon eingebaut sind. Ein Kran hebt die Teile passgenau ein. So wächst der Bau in die Höhe. Wenn Richard Greß erklärt, wie sein Unternehmen tickt, fällt seine Sprache auf. Er benutzt starke Bilder wie die von den Legosteinen, um zu erklären, was man macht, und er redet auch sonst nicht wie die Leute vom Bau. "Wir denken in Produkten", sagt er, "das ist der Ansatz aus der Automobilindustrie." Denn so ähnlich wie in hochmodernen Fabriken, in denen auf Fertigungsstraßen mit genau getakteten Abläufen Teile produziert werden, die dann am Ende Arbeiter oder Roboter zu Fahrzeugen zusammensetzen, läuft es beim Seriellen Bauen ab. Goldbeck betreibt 14 Produktionsstätten in ganz Europa, die nächstgelegene in Bayern in Ulm. In den Fabriken werden wie am Fließband Betonteile mit Armierung gegossen und Fensterfronten montiert.

Fertigung im Werk in Hamm. (Foto: Klaus Lorke /No Limit Fotodesign)

Dabei nimmt man laut Greß alle Vorteile eines solchen Vorgehens mit. Viele Abläufe seien standardisiert, sagt Greß. Die Teile seien einmal baulich abgenommen, was Statik oder Brandschutz oder andere Dinge angehe, und könnten dann variabel in vielen Gebäuden eingesetzt werden. Geplant werde immer noch individuell. Jedes Grundstück werde eigens betrachtet und beurteilt, damit etwa Abstandsflächen eingehalten werden könnten. Durch solches Denken und Bauen in Rastern sei nicht jedes beliebige Maß machbar, aber doch finde man jeweils passende Lösungen. "Wir wollen das, was man nicht sieht, rationalisieren und bei dem Sichtbaren individuell sein."

Greß sagt, "wir bauen keine Allianz-Arena" - und auch "keine Elbphilharmonie". Doch man sei im Wohnungsbau gut unterwegs, im Gewerbe- und auch im Schulbau. Im Landkreis Dachau errichtet Goldbeck gerade in der Gemeinde Röhrmoos ein Gymnasium. In München hat man vor einem Jahr eine Siedlung mit 198 Wohnungen in Milbertshofen-Am Hart an die GWG übergeben. In Süddeutschland fasst man mit dem Seriellen Bauen laut Greß gerade erst Fuß. In Norddeutschland sei man mit öffentlichen Auftraggebern bereits mehr im Geschäft. In Berlin habe man etwa den Auftrag für eine ganze Reihe von Schulbauten.

Betonteile werden gegossen. (Foto: Klaus Lorke/No Limit Fotodesign)

Die Produktion von Fertigteilen in Fabriken erlaubt ein Arbeiten im Sommer wie im Winter. Man sei nicht von der Witterung abhängig, sagt Greß und könne Terminsicherheit bieten. Greß streicht heraus, dass das Denken in Produkten auch eine fortlaufende Effizienzsteigerung ermögliche. Denn Erfahrungen von laufenden Projekten könne man in in die Fertigung wieder einbringen und Dinge besser machen. So schaffe man es, teure Materialien einzusparen, etwa bei Bauteilen weniger Stahl einzusetzen als früher. Goldbeck nimmt für sich in Anspruch, den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes im Blick zu haben. Man managt Gebäude und recycelt Materialien beim Abriss. Auch die Revitalisierung alter Bausubstanz zählt laut dem Unternehmen zum Geschäft. Es sieht sich als Technologieführer in der Baubranche und streicht heraus, dass wo immer es möglich sei, die Chancen der Digitalisierung und Künstlichen Intelligenz eingesetzt werden.

Fertige Bauteile sind bereit, mit dem Lkw zu den Baustellen gebracht zu werden. (Foto: Klaus Lorke/No Limit Fotodesign)

Damit ist man wohl ein Unternehmen ganz nach dem Geschmack der Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD). Denn die hat in der aktuellen Krise eine Diskussion darüber angestoßen, ob die Produktivität im Baugewerbe nicht auch gesteigert werden könnte. Bei dieser hinke man im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen hinterher. Gerne weist die Ministerin in dem Zusammenhang auf die Chancen hin, die Modulares Bauen und Serielles Bauen bieten. Beim Modularen Bauen werden mehr noch als beim Seriellen ganze Gebäudeeinheiten vorgefertigt. Man ist weniger flexibel bei der Ausgestaltung. Geywitz sagte jedenfalls, "wir wollen schnell bezahlbaren Wohnraum schaffen. Dafür brauchen wir das serielle und modulare Bauen", als sie gemeinsam mit dem Spitzenverband der Wohnungswirtschaft "GdW" und dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie im Frühjahr ein neues europaweites Ausschreibungsverfahren vorstellte, das Ausschreibungen für Serielles Bauen erleichtern soll. Starre Ausschreibungsmodalitäten, sagt Goldbeck-Niederlassungsleiter Greß, seien aktuell tatsächlich ein großer Hemmschuh.

Es wird nicht gemauert auf den Baustellen. Es wird montiert. (Foto: Klaus Lorke/No Limit Fotodesign)

Der Bau eines Wohnblocks oder einer Schule soll in Zukunft aber nicht nur schneller möglich werden. Klimaschützer kritisieren die schlechte Umweltbilanz der Baubranche, die für einen überproportional hohen Anteil am Ausstoß von Klimagasen verantwortlich sei. Gebäude sollten nachhaltiger errichtet werden und im Betrieb umweltfreundlich sein. Die Dachauer Kreisräte pochten beim Gymnasium in Röhrmoos auf eine Fassade und Fenster aus Holz. Goldbeck sagte zu, Recycling-Stahl einzusetzen und zu 30 Prozent Recycling-Beton zu verwenden. Man strebe eine "stetige Dekarbonisierung" der Abläufe an, teilt das Unternehmen mit. Vor allem aber ist man schnell. "1000 Quadratmeter Fläche können wir in einer Woche hinstellen, wettergeschützt", sagt Greß.

"Es ist nicht die Lösung für alles", sagt Greß übers Serielle Bauen. Aber es ist auch im Münchner Umland im Kommen. Außer den beiden Schulen baut das Unternehmen in Grünwald gerade auf dem Bavariagelände ein Bürohaus und nicht zuletzt hat sich Goldbeck selbst in Neuried den Firmensitz hingestellt, in dem auch Betriebe und Labore ansässig sind. Die Montessorischule werde schlüsselfertig und funktionsfähig hingestellt, sagt Greß, so dass Lehrer und Schüler im September 2024 loslegen könnten. Beim Gymnasium in Röhrmoos ist Goldbeck zusätzlich für 25 Jahre als Betreiber des Gebäudes engagiert und stellt den Hausmeister. Darauf hat man in Unterschleißheim verzichtet.

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