Unterschleißheim:Für Vielfalt, gegen Hetze

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Die Unterschleißheimer stehen auf, wenn es ihnen wichtig ist. So wie bei einer Demonstration vor dem Rathaus während der Corona-Pandemie. Damals hieß es "für Solidarität, Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt". (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die AfD lädt zu einer Veranstaltung mit dem durch rassistische Äußerungen aufgefallenen Abgeordneten Andreas Winhart ins Unterschleißheimer Rathaus. Dagegen protestiert ein breites Bündnis aus der Stadt - und auch die Münchner Antifa hat eine Demonstration angemeldet.

Von Bernhard Lohr, Unterschleißheim

Unterschleißheim steht ein turbulenter Samstag bevor. Ein breites "Bündnis für Demokratie und Vielfalt" will ein politisches Zeichen gegen Rechtsextremismus setzen. Mehr als 20 örtliche Organisationen und Parteien planen am Nachmittag unter dem Motto "Unterschleißheim ist bunt" eine Demonstration auf dem Rathausplatz.

Im Anschluss könnte es brisant werden. Denn die AfD hält am frühen Abend im Rathaus selbst eine Parteiveranstaltung ab, was die Antifa-Bewegung aus München nicht einfach so geschehen lassen will. Sie mobilisiert für eine zweite Protestveranstaltung. Parallel zur Veranstaltung mit dem AfD-Landtagsabgeordneten Andreas Winhart heißt es dann "Gegen Faschismus und Hetze - gemeinsam gegen die AfD".

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Die AfD sitzt in Unterschleißheim seit 2020 mit zwei Stadträten im Rathaus. Dagegen regte sich in der Stadt früh Protest. Doch nun, nach der Potsdamer Konferenz, bei der unter Beteiligung von AfD-Vertretern Pläne für eine Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund besprochen wurden, erhält der Widerstand eine neue Qualität. Raphael Kornherr, Sprecher des neu formierten überparteilichen Bündnisses, sagt: "Wir müssen Grundwerte wieder stark machen." Der katholische Pfarrer Johannes Streitberger unterstützt die Demonstration. "Es ist eine klare Sache. Das Christentum stand immer für Vielfalt", sagt er. Seine Kollegin Mirjam Pfeiffer von der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde wird auf der Demo sogar das Wort ergreifen.

Der katholische Pfarrer Johannes Streitberger unterstützt die Demonstration des Unterschleißheimer Bündnisses. (Foto: Claus Schunk)

Dennoch gab und gibt es Irritationen. Die CSU macht nicht mit, was offenkundig auf einen ersten Aufruf per E-Mail zurückgeht, in dem die Aktivisten im Betreff zu einem Protest "gegen rechts" aufgerufen haben. Damit sah sich CSU-Ortsvorsitzender Stefan Krimmer in die Ecke gestellt. Nach einer Beratung im CSU-Vorstand beschloss man seinen Worten nach, bei der Demonstration nicht mitzumachen. Mittlerweile gab es zwar eine Aussprache und einiges wurde klargestellt. Bernhard Schüßler, Grünen-Stadtrat und als Fridays-for-Future-Aktivist einer der Veranstalter der Kundgebung, bedauert den "Formulierungsfehler" und die CSU-Absage. CSU-Chef Krimmer bleibt aber bei seinem Nein. Die Abstimmung in der CSU sei komplex gewesen, er können nicht alle drei Tage umschwenken. Die klare Haltung der CSU gegen Fremdenfeindlichkeit sei aber jedem bekannt. Und jedem stehe frei, zu der Kundgebung zu gehen.

Diese haben Raphael Kornherr, der keiner Partei angehört, und Schüßler gemeinsam mit anderen nach eigenen Worten seit Längerem geplant. Das Zusammentreffen mit der AfD-Veranstaltung habe man als Anlass passend gefunden, ohne allerdings eine Konfrontation zu suchen, sagt Schüßler. Es solle eine "familienfreundliche" Demo werden, weshalb man den Nachmittag gewählt habe. Eine Musikgruppe und mehrere Solisten werden auftreten, Bürgermeister Christoph Böck (SPD) soll reden, wenn er rechtzeitig aus dem Urlaub zurück ist. Dazu ergreifen Vertreter von Beiräten der Stadt wie Sina Fateminejad, Sprecher des Jugendbeirats, das Wort. Die Jugend soll besonders adressiert werden. Das Jugendzentrum "Gleis 1" ist Mitunterstützer der Demo. Für Markus Baier, Leiter des Sozialraums Unterschleißheim beim Kreisjugendring, ist es an der Zeit, zu zeigen, dass Demokratie in der Stadt gelebt und Vielfalt hochgehalten wird.

Pfarrerin Mirjam Pfeiffer wird auf der Kundgebung das Wort ergreifen. (Foto: Stephan Rumpf)

Was bei der Veranstaltung des AfD-Kreisverbands am Abend im Rathaus Thema sein soll, geht aus der Ankündigung nicht direkt hervor. Der stellvertretende Kreisvorsitzende und Unterschleißheimer AfD-Stadtrat Peter Kremer reagierte auf eine Anfrage nicht. Das mit einem Traktor bebilderte Veranstaltungsplakat lässt erahnen, dass die Partei die von Landwirten angefeuerte Welle der Unzufriedenheit aufgreifen will. Der Rosenheimer Abgeordnete Winhart ist aber bisher nicht als Landwirtschaftsexperte aufgefallen. Dafür wetterte er, der dem Haushaltsausschuss und dem Ausschuss Gesundheit und Pflege des Landtags angehört, vor Jahren rassistisch gegen Pflegekräfte aus Kosovo und Albanien und stand unter Beobachtung des Verfassungsschutzes.

Wie solche Auftritte das gesellschaftliche Klima verändern, bereitet Bernhard Schüßler Sorgen. Der Grünen-Stadtrat ist nahezu blind und setzt sich stark für Klimaschutz und gegen Rechtsextremismus ein. Und damit bekommt er es immer wieder mit offenen Anfeindungen zu tun. Einmal, sagt er, sei er einer körperlichen Attacke nur knapp ausgewichen. Und unvergessen ist ihm der 25. September 2017, als er in der S-Bahn von einem anderen Fahrgast als "Scheiß Blinder" beschimpft worden sei, der doch nach Dachau gehöre. Das sei am Tag nach dem Einzug der AfD in den Bundestag kein Zufall gewesen, sagt Schüßler. Und niemand im Abteil habe sich wegen des Vorfalls auch nur gerührt.

Die Polizei stellt sich auf einen fordernden Einsatz ein

Die Polizei stellt sich auf einen fordernden Einsatz am Samstag ein. Angemeldet sind für die erste Demonstration "Unterschleißheim ist bunt" 125 Personen und für die zweite "Gegen Hetze" 50. Doch Manuel Lenk, stellvertretender Leiter der Polizeiinspektion Oberschleißheim, stellt sich auf mehr Menschen ein. Der Zulauf sei schwer abzuschätzen, wie jüngst andere Kundgebungen gegen Rechtsextremismus gezeigt hätten. Die Polizei werde "mit Kräften vor Ort sein", damit alle Veranstaltungen stattfinden könnten.

Ein Politikum für die nächsten Wochen und Monate könnte werden, dass die AfD als zumindest in Teilen offen verfassungsfeindliche Kraft in Unterschleißheim prominent ins Rathaus einladen kann. Das Recht müsse der AfD wie den anderen im Stadtrat vertretenen Parteien eingeräumt werden, heißt es von Stadträten. Grünen-Vertreter Schüßler will das aber auf die Tagesordnung bringen, um das in Zukunft zu verhindern. CSU-Vorsitzender Stefan Krimmer hält das für ein "schwieriges Thema", wie Verbote überhaupt. Er plädiert für eine "inhaltliche Auseinandersetzung" mit der Partei. Gerne auch auf der Demo. Er habe damit "null Komma null Problem".

Die Demonstration "Unterschleißheim ist bunt" findet am Samstag, 17. Februar, 16 bis 18 Uhr, auf dem Rathausplatz statt. Die Protestaktion "Gegen Faschismus und Hetze" geht eben dort von 17.30 bis 20 Uhr. Die Veranstaltung des AfD-Kreisverbands im Rathaus beginnt um 18.30 Uhr.

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