Unterschleißheim:Tröpfchenweise Verdruss

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Bis heute kann keiner sagen, wo überall das Wasser durch das Dach dringt. (Foto: Florian Peljak)

Im Veranstaltungszentrum Ballhausforum traten schon zwei Jahre nach der Eröffnung massive Baumängel auf. Auch 16 Jahre später reißen die Probleme nicht ab. Weil das Dach des Foyers undicht ist, soll es für eine halbe Million Euro saniert werden.

Von Bernhard Lohr, Unterschleißheim

Irgendwie muss man das Unfassbare ja verarbeiten. Und sei es mit einer Portion Sarkasmus. "Wir wissen, von wo das Wasser herkommt", sagt Unterschleißheims Bürgermeister Christoph Böck (SPD). Und ergänzt am Montag im Bauausschuss vor den versammelten Stadträten leicht gequält: "Von oben." Das ist tatsächlich alles, was sie alle miteinander wissen. Denn auch nach 16 Jahren und etlichen Gutachten kann keiner genauer sagen, wo genau das Wasser durch das Dach des Ballhausforums eindringt. Dabei hatte sich im Jahr 2005 alles gut angelassen, als das Sport- und Veranstaltungszentrum mit Pomp eröffnet wurde. Tausende strömten anfangs zu Messen, Box-Events und Dart-Meisterschaften mit internationalen Größen ihres Sports. 2007 begann es in den Räumen zu tröpfeln. Seitdem hören die Probleme nicht mehr auf.

Aktuell gibt es große Probleme im Bereich der Arena, in der seit Jahren keine Großveranstaltungen mehr stattfinden können. Über das Glasdach des Foyers drang bei stärkeren Regengüssen massiv Wasser ein, auch das Arena-Dach selbst erwies sich bei genauerem Hinschauen als undicht. An den Wänden sammelt sich die Feuchtigkeit und läuft dort herab. Gutachter kamen zu dem Ergebnis, dass alleine für den Rückbau des Foyerdachs und dessen Neuaufbau knapp eine Million Euro aufzubringen wäre; die Probleme mit dem Rest des Arena-Dachs gar nicht eingepreist.

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Das Ballhausforum sollte das Leben in der Stadt um eine Konzert-, Sport- und Kulturhalle mit Platz für bis zu 4000 Zuschauer bereichern. Ein Breitensportzentrum gehört dazu mit Turnhallen, Kegelbahnen und Schulungsräumen, die vor allem der SV Lohhof schmerzlich vermisst, weil sie größtenteils nicht genutzt werden können. Im Rathaus spricht man heute von einer "Schrottimmobilie", die man irgendwie wieder ertüchtigen muss. Koste es, was es wolle.

Bürgermeister Böck bezeichnete die jetzt dringend notwendige Sanierung lediglich als einen "nächsten Schritt". Die Stadträte sprachen sich schließlich einstimmig für eine abgespeckte Sanierungsvariante fürs Foyer-Dach aus, die man 2024 für 500 000 Euro umsetzen will. Das Arena-Dach selbst will man weiter beobachten und später entscheiden, was zu tun ist. Von gut 300 000 Euro Kosten ist an dieser Stelle derzeit die Rede.

Dabei gehört das Gebäude nicht einmal der Stadt. Nach der Jahrtausendwende war es angesagt, Großprojekte in einer sogenannten Public-Private-Partnership abzuwickeln. Die Stadt entschied, dass die eigens gegründete Apollo Verwaltungsgesellschaft mbH als Tochter der Hannover Leasing GmbH mit Sitz in Pullach den 25-Millionen-Euro-Bau durch einen Generalunternehmer errichtet. Der erste Generalunternehmer meldete Insolvenz an, ein zweiter übernahm und brachte das Projekt scheinbar gut ins Ziel.

Die Stadt schloss daraufhin mit der Apollo GmbH als Betreiber auf 30 Jahre einen Mietvertrag ab, der mittlerweile bei steigendem Mietzins auf 25 Jahre reduziert wurde und 2030 ausläuft. Dann kann die Stadt das Gebäude von der Apollo GmbH erwerben, die übrigens im Unterschleißheimer Rathaus ihren Sitz hat.

Tolle Räume, aber lange Zeit nicht nutzbar: die Unterschleißheimer Gewerbeausstellung im Jahr 2016. (Foto: Natalie Neomi Isser)

"Es bleibt halt zu hoffen, dass die jetzt beschlossene Sanierung endlich mal Ruhe bringt", sagt Thomas Stockerl jetzt. Er überblickt als langjähriger Amtsleiter im Rathaus die gesamte dramatische Historie des Gebäudes. Das mit dem PPP-Modell bezeichnet er als "Versuch", den man nicht wiederholt habe, wobei er das Kernproblem gar nicht in diesem für Außenstehende schwer zu durchschauenden Konstrukt sieht. Dieses Modell habe damals geholfen, ein solches Großvorhaben mit begrenzten Ressourcen in der Bauverwaltung abzuwickeln. Man habe ein fertiges Gebäude hingestellt bekommen. Allerdings eines, bei dem die Bauaufsicht offensichtlich nicht funktioniert hat, wie Stockerl einräumt. "Da ist sehr viel Murks gemacht worden."

Je genauer man hinsah, desto mehr Mängel tauchten auf

Nach Stockerls Worten begannen die Probleme schon zwei Jahre nach der Eröffnung. Früh erwiesen sich Wasserleitungen im Haus als undicht und der Brandschutz als mangelhaft. Je genauer man hinsah, desto mehr Mängel tauchten auf. Irgendwann war das Gebäude weitgehend mit Schimmel befallen. Es war nicht mehr nutzbar. Gutachter lieferten eine 800 Seiten umfassende Bestandsaufnahme der Mängel, Anwälte wurden eingeschaltet. Und die Stadt hat, wie Stockerl betont, soweit wie möglich noch 2015 ihr Recht auf Gewährleistung gewahrt. Der Generalunternehmer habe auch Kosten übernommen. Schließlich habe man einen Vergleich geschlossen.

Seitdem kämpft die Stadt mit Mängeln und Kosten und hält das Ballhausforum-Projekt mit der Apollo GmbH, die nur geringe Mieteinnahmen verzeichnet, am Laufen. Der Breitensportbereich werde teilweise wieder genutzt, sagt Stockerl. Auch der Kraftsportraum steht laut Rathaus bald zur Verfügung. Schon mehrmals habe man in der Vergangenheit aufgelistet, wie viel Geld man in das Haus gesteckt habe, sagt Amtsleiter Stockerl. Das müsste man einmal aktualisieren. Man liege auf jeden Fall im Millionenbereich.

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