Dass Krähen geistige Überflieger sind, das hat bereits der griechische Dichter Äsop vor circa 2600 Jahren gewusst. In seiner Erzählung lässt eine durstige Krähe so lange Steine in einen halb leeren Krug plumpsen, bis der zum Trinken nötige Wasserstand erreicht ist.
Die modernen Krähen spannen sogar Menschen für sich ein, legen Nüsse auf die Straße und lassen sie von drüberfahrenden Autos knacken, wobei sie sogar zwischen Rot- und Grünphasen der Ampelanlagen unterscheiden können. In punkto kognitives Denken werden Krähen Fähigkeiten von fünf- bis siebenjährigen Kindern zugeschrieben.
Für eine Einschulung reicht es dennoch knapp nicht, was aber nicht nur daran liegt, dass sie partout ihren Schnabel nicht halten können, sondern in erster Linie an ihrer fehlenden Bereitschaft, zumindest für das große Geschäft eine Toilette aufzusuchen. Das ist auch der Grund dafür, dass einige Besucher des Unterhachinger Friedhofs sie seit Jahren schon gerne teeren und federn würden - wenn Saatkrähen nicht unter Artenschutz stehen würden.
Sie machen Lärm, Dreck und sind mitunter eine echte Plage: Saatkrähen breiten sich in den Gemeinden im Münchner Umland immer mehr aus. Mit Tricks versuchen Menschen, sie zu verscheuchen. Doch die Vögel sind oft schlauer.
Wer den Ort der Besinnung und Andacht aufsucht, kann den Unmut der Leute verstehen. Aus Dutzenden Nestern hoch droben in den Bäumen zetert es, dass einem unweigerlich Szenen aus Hitchcocks "Die Vögel" in den Kopf schießen. Viele Jungvögel sind bereits geschlüpft, schreien ihren Hunger über alle Gräberreihen hinweg oder üben das Krächzen, was auch nicht wohltuender klingt.
Vor allem die Exkremente stören die Friedhofsbesucher
Doch weniger die Lärmbelästigung ist es, die Friedhofsbesucher auf die Palme bringt. "De scheißn de Grabstoana voll, des host no net gseng", sagt der Sachgebietsleiter Feuerwehr im Rathaus, Josef Gmeinwieser, der nach eigenen Angaben einen "persönlichen Krieg" gegen die Krähen führt. Bis dato kommt er noch unbewaffnet zum Blumengießen, auch wenn er wohl gedanklich den Finger bereits am Abzug hat. Im Oberland, so weiß der ehemalige Feuerwehrkommandant Gemeinwieser, da werden die Krähen runtergeschossen.
Ja, und weil sie im Oberland abgeknallt werden, richten sie sich in Unterhaching häuslich ein. "Die wissen genau, dass sie bei uns nicht geschossen werden", sagt Gertraud Schubert von der Unterhachinger Ortsgruppe des Bundes Naturschutz und betont die Schlauheit der Vögel: "Sie haben die Intelligenz von Schimpansen." Selbst Feuerwehrler Gmeinwieser hebt auf den Grips der Krähen ab, freilich auf seine Weise: "Des san kluge Vögel, die wissen ganz genau, dass mia in Haching de Blädn san."
Die Umsiedlung ist gescheitert
In Haching also vermehren sie sich ungeniert und lachen sich vermutlich obendrein über allerlei Vergrämungsmaßnahmen einen Ast. So etwa über den Versuch, sie an den Rand des Friedhofs umzusiedeln, indem man ihre Nester dorthin umsetzt - wohlgemerkt keine Nester von irgendwelchen dummen Geschöpfen, sondern Nester von Vögeln, die sich mehrere Dutzend verschiedene Futterverstecke einprägen können, nur bei Grün über die Straße gehen und bis fünf zählen können.
Welch heiteres Krächzkonzert mag jedes Mal eingesetzt haben, wenn sich Feuerwehrler vom Hubsteiger hinauf zu den Nestern hieven ließen, um den Umzug in die Hand zu nehmen. Die Krähen denken gar nicht daran, ihren Lebensraum zwischen Hecken, Bäumen und Grabsteinen aufzugeben. Außerdem gibt es in den nahen Schulen schmackhaftes Pausenbrot. Wenn nun jemand auf den Artenschutz pfeift und entschlossen zum Schießgewehr greift, dem sei gesagt: Krähen können sich Gesichter merken, und Rache ist ihnen nicht fremd.