Kinderbetreuung:"Der Rechtsanspruch wird mit Füßen getreten"

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Bewegung soll in den Champini-Einrichtungen, wie hier auf einem Archivfoto in der Kita des Trägers in Geretsried, im Vordergrund stehen. Doch oft sind in diesem Jahr die Stunden in Unterhaching gekürzt worden. (Foto: Manfred Neubauer)

Erboste Eltern machen Unterhachings Bürgermeister massive Vorwürfe, weil die private Kita Champini wegen Personalausfällen Gruppen schließt und Öffnungszeiten kürzt.

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Mit einem "ganzheitlichen, bewegten Lernen" wirbt die Kindertagesstätte Champini in Unterhaching und verspricht eine vertrauensvolle Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit den Familien. Doch die sehen diese Versprechungen von dem privaten Träger nicht immer eingehalten. Am Mittwochabend beklagten aufgebrachte Väter und Mütter im Gemeinderat massive Betreuungsausfälle. In der Kita am Sportpark werde über Monate hinweg kein regulärer Betrieb mehr sichergestellt, berichtete Gerhard Treitinger. Der Vater macht auch den Bürgermeister dafür verantwortlich, dass nichts gegen diese Situation unternommen werde, und pocht auf den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung. Wolfgang Panzer (SPD) weist die Vorwürfe zurück.

Nun ist das Rathaus nicht die erste Adresse, an die sich die verzweifelten Eltern wegen der Reduzierung der vereinbarten Betreuungszeiten wenden. Seit März schon versuchen sie für ihr Anliegen beim Träger Champini, der Kitas in ganz Süddeutschland betreibt, aber auch beim Landratsamt als zuständige Aufsichtsbehörde Gehör für ihr Anliegen zu finden. Seit Wochen und Monaten seien die Eltern der Situation mit Gruppenschließungen und früheren Abholzeiten ausgesetzt. Das dem eigenen Arbeitgeber gegenüber zu vertreten, werde zunehmend schwierig.

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Doch bislang hatten die Verantwortlichen im Landratsamt nur darauf verwiesen, dass der gesetzlich vorgeschriebene Anstellungsschlüssel seitens der Einrichtung eingehalten werde, wie das Landratsamt bestätigt. Der Träger Champini selbst äußerte zwar Verständnis für den Unmut der Eltern, weist aber den Vorwurf einer zu dünnen Personaldecke zurück und führt eine Krankheitswelle als Begründung an. Die Personaldecke sei "grundsätzlich ausreichend" und könne Krankheiten und Urlaub bis zu einem gewissen Grad auffangen, bekommen die Eltern aus der Zentrale der Champini GmbH in Nürnberg mitgeteilt. Dies werde auch von der Fachaufsicht ständig überprüft. "Ein größerer Personalüberhang ist leider schlicht nicht finanzierbar", schreibt ein Prokurist des Unternehmens den Eltern. "Respektloser gegenüber den betroffenen Kindern, Eltern und den eigenen Mitarbeitern vor Ort kann man mit der Situation nicht mehr umgehen", findet deren Sprecher Gerhard Treitinger. Er wirft dem Betreiber betriebswirtschaftliche Kostenminimierung und Profitmaximierung vor.

Das war im April und nach Auskunft der betroffenen Eltern ist seither nichts passiert. Auch die Gemeinde Unterhaching reagierte bis Anfang dieser Woche nicht auf die Aufforderung der Eltern, tätig zu werden. Die finden: "Der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz wird mit Füßen getreten." Und: Wenn Champini, der als Träger eine Betreuungsleistung für Unterhaching anbietet, keinen regulären Betrieb sicherstellen könne, stehe der Bürgermeister in der Verantwortung.

Überall fehlt pädagogisches Fachpersonal

Bürgermeister Panzer verwies in einem Antwortschreiben an diesem Dienstag darauf, dass die Gemeinde dem Träger jährlich eine arbeitsmarktpolitische Zulage von etwa 30 000 Euro zahle. Es sei aber trotz der ausreichend zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten nicht immer möglich, allen Kindern einen Betreuungsplatz anzubieten und die aktuelle Personalsituation in den privaten Einrichtungen zu gewährleisten. Denn es fehle trägerübergreifend im gesamten Landkreis an pädagogischen Fach- und Ergänzungskräften.

Eine mögliche Lösung des Problems sprach Panzer nicht an. Das kann er auch nicht, wie er in der Gemeinderatsitzung verdeutlichte: "Es handelt sich um einen privaten Träger, mein Einfluss ist begrenzt, auch weil der Schlüssel wohl rechnerisch nicht unterschritten wurde und die Personalsituation überall angespannt ist." Da platzte Treitinger der Kragen: "Jeder versteckt sich hinter einem Feigenblatt", schimpfte er. Die Kinder seien dem Bürgermeister wohl nicht wichtig. "Zaubern können wir auch nicht", sagte Panzer. "Aber mir zu unterstellen, dass mir die Kinder nichts bedeuten, ist eine Unverschämtheit", wies er den Vorwurf zurück.

Aktuell hat sich die Lage in der Unterhachinger Champini-Kita offenbar entspannt, wie die Einrichtungsleiterin Carolin Dingenthal am Donnerstag auf Anfrage mitteilte. "Seit den Osterferien haben wir wieder normale Öffnungszeiten von 7 bis 16 Uhr, die Ausfälle sind deutlich geringer." So viele Krankheitsfälle wie in diesem Winter und anhaltend kalten Frühjahr habe sie in den vergangenen 20 Jahren nicht erlebt. "Das war eine Verkettung ungünstiger Umstände. Wir haben einfach Pech gehabt." Für das kommende Kindergartenjahr habe man aber trotz leer gefegtem Arbeitsmarkt bereits neue Kräfte gewinnen können, so die Leiterin. Sie habe Verständnis dafür, dass die Eltern sich dennoch an den Gemeinderat wenden. Das habe mit "Ohnmacht und Unzufriedenheit" zu tun und mit der Angst, "dass das wieder vorkommt".

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