Am 11. September 2001 hatte der Unterhachinger Gemeinderat eine epochale Entscheidung getroffen, als er den Einstieg in die Geothermie beschloss. Nicht weniger Aufsehen erregend ist der Beschluss, den das Gremium an diesem Mittwoch gefasst hat: Bis zum Jahr 2027 soll das mit Geothermie gespeiste Fernwärmenetz der Gemeinde komplett ausgebaut sein und jedem Interessenten ein Anschluss an die Tiefenwärme garantiert werden.
Es ist ein überaus ehrgeiziges Vorhaben, das am Donnerstag Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD) und der Geschäftsführer der gemeindeeigenen Geothermie-Gesellschaft (GTU), Wolfgang Geisinger, in einem Pressegespräch vorgestellt haben. Nicht nur, was die Kosten anbelangt, die gesamt voraussichtlich 70 Millionen betragen werden, wovon die GTU über Kredite circa 30 Millionen Euro aufbringen muss, für die die Gemeinde indes bürgen wird.
Es ist vor allem auch eine technische Herausforderung, vor der die Unterhachinger stehen. Wenn in fünf Jahren der Vollausbau des Fernwärmenetzes und 2030 die Klimaneutralität der Gemeinde erreicht werden sollen, dann muss die GTU die Zahl der Neuanschlüsse von bisher jährlich 75 vervierfachen. Dafür aber glaubt Wolfgang Geisinger eine kluge Lösung gefunden zu haben, die möglicherweise anderen Geothermie-Gemeinden als Blaupause dienen könnte: ein Konzept für kurze Wege bei Anschlüssen für knapp die Hälfte der 950 Reihenhäuser in Unterhaching.
Damit der Anschluss schneller und günstiger erfolgt, hat die Geothermie-Gesellschaft ein neues Konzept
Nur die erste Wohnung von Reihenhäusern wird dann von der Straße her erschlossen, die folgenden in der Reihe werden über eine so genannte Subnetzverlegung von Keller zu Keller mit geothermischer Wärme versorgt. Damit ginge nicht nur alles schneller voran, sondern würden auch die Kosten gegenüber einem Einzelanschluss um zwei Drittel reduziert auf dann 3500 Euro pro Anschluss, wovon die Gemeinde 1000 übernimmt. "Und es müssten nicht ständig Straßen aufgerissen werden", sagt Geisinger, der die GTU hierbei in einer Vorreiterrolle sieht.
Dass sich die Gemeinde am Mittwoch zu diesem Kraftakt entschieden hat, liegt zum großen Teil an den wesentlich besseren Rahmenbedingungen für Geothermie in Deutschland. So etwa an der deutlich höheren staatlichen Unterstützung im Rahmen des Bundesförderprogramms für effiziente Gebäude (BEG) und für effiziente Wärmenetze (BEW), wobei letzteres noch in Vorbereitung ist. Wolfgang Geisinger legt daher Wert auf die Feststellung, dass der beschlossene Vollausbau der Fernwärmenetze in Unterhaching noch unter dem Vorbehalt steht, dass das BEW in Berlin verabschiedet wird.
Aber auch der Krieg in der Ukraine und seine Auswirkungen auf den globalen Energiemarkt spielen eine Rolle. Die Zuversicht von Panzer und Geisinger basiert daher auch auf einem deutlich gestiegenen Interesse in der Bevölkerung an einem Anschluss an die Geothermie. "Seit zwei Monaten treten uns die Kunden die Tür ein", berichtet Geisinger, in den acht Wochen seien mehr Nachfragen eingegangen als sonst in einem ganzen Jahr.
Zu den 55 Kilometern Fernwärmenetz müssen weitere 16,5 Kilometer Rohre verlegt werden
Wer nun aber glaubt, er würde schon bald einen Geothermie-Anschluss an sein Haus bekommen, den muss er enttäuschen. Kunden müssten zum Teil bis 2027 warten, bis sie an der Reihe sind, erklärt der GTU-Chef. Für die Neuerschließung von Trassen hat die Geothermie-Gesellschaft einen festen Zeitplan ausgearbeitet, sodass jeder sehen kann, für wann er mit einem Anschluss rechnen kann. Zu den bereits bestehenden 55 Kilometer Wärmetrasse werden in den Jahren 2024 bis 2027 weitere 16,5 Kilometer hinzukommen.
Der Ausbau des Fernwärmenetzes wird zwar den Gemeindehaushalt nicht belasten, basiert er doch auf Fremdkapital und Bundesfördermaßnahmen; aber dem Gemeinderat wird dennoch in einem halbjährlichen Rhythmus der jeweilige Status des Ausbaus dargelegt, "bei maximaler Transparenz", wie Geisinger sagt.
In einer ersten Fassung war irrtümlich von 16 500 Kilometern Leitungsnetz die Rede, tatsächlich sind es 16 500 Meter, also 16,5 Kilometer.