Unterföhring/München:S-Bahn auf dem Nordring

Lesezeit: 3 min

Eine Machbarkeitsstudie lotet aus, ob auf dem 30 Kilometer langen Gütergleis auch Personenverkehr möglich ist. Die neue Tangential-Verbindung könnte die geplanten Wohngebiete entlang der Strecke umweltfreundlich anbinden

Von Anita Naujokatund Simon Schramm, Unterföhring/München

Die Untersuchungen, den Eisenbahn-Nordring künftig für S-Bahnen und Personenzüge zu nutzen, kommen in Fahrt. Gemeinsam mit dem Staatsministerium des Inneren, für Bau und Verkehr als oberster Baubehörde und dem Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) plant das Planungsreferat, in die Machbarkeitsstudie einzusteigen. Geprüft werden soll, ob der bestehende Nordring der Deutschen Bahn ein Baustein zur Erweiterung des S-Bahn-Systems werden könnte, der den Münchner Norden tangential mit neuen Haltestellen - beispielsweise für BMW - erschließt.

Das Projekt ist vor allem wegen der Entwicklung im Münchner Norden interessant: BMW will stark ausbauen und wird Zulieferbetriebe anziehen, auf dem Gelände von Knorr-Bremse entstehen neue Wohngebiete und Gewerbebauten, für das Gebiet der ehemaligen Bayernkaserne sind mehr als 5000 neue Wohnungen und 1000 Arbeitsplätze geplant. Noch nicht erwähnt in der Stadtratsvorlage sind die neuen Entwicklungsgebiete im Münchner Norden mit 900 Hektar Fläche und im Nordosten mit 600 Hektar. Doch das Vorhaben wirft derzeit noch mehr Fragen auf, als dass es Antworten liefert.

Auf dem knapp 30 Kilometer langen Nordring verkehren derzeit fast nur Güterzüge. Die Gleise führen von Olching im Osten über den Rangierbahnhof München-Nord, Milbertshofen, Freimann und verlaufen durch den Südzipfel der Gemeinde Unterföhring und Englschalking bis Trudering. Die Strecke für die S-Bahn könnte aber auch von Pasing aus auf den Weg der S 1 einschwenken und östlich des Rangierbahnhofes mit Haltestellen an der Knorrstraße und Freimann-Süd bis Trudering reichen. Derzeit beschränkt sich die Untersuchung innerhalb der Stadt auf das Gebiet zwischen den beiden S-Bahn-Achsen S 2 und S 8.

Eine der zentralen Fragen ist, inwieweit sich Güter- und Personenzüge auf denselben Strecken in die Quere kommen könnten - vor allem dann, wenn 2026 der Brenner-Basistunnel in Betrieb geht. Denn noch ist offen, ob der zusätzliche Verkehr zwischen Italien und Deutschland durch München oder durch Rosenheim, Mühldorf und Landshut an der Landeshauptstadt vorbei geleitet wird, wogegen es in den Anrainer-Kommunen bereits großen Widerstand gibt. Ihnen hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) erst vor Kurzem gesagt, dass der Hauptverkehr weiter über München fließen wird.

Der Planungsausschuss hält es schon aus Lärmschutzgründen für problematisch, sollten die Güterzüge im reinen Transitverkehr durch München rollen. Ähnlich sieht das auch der Moosacher Bezirksausschuss. Er unterstützt die Machbarkeitsstudie, will aber, dass die betroffenen Stadtbezirksgremien besser beteiligt werden und Fragen des Lärmschutzes nicht unter den Tisch fallen. Mit Überraschung nahmen die Lokalpolitiker auch zur Kenntnis, dass der 15-Minuten-Takt für die S 1 schon vor dem Umbau des beschrankten Bahnübergangs am Bahnhof Fasanerie kommen soll; angeblich soll es nicht zu mehr Schließzeiten der Übergänge Feldmochinger-/Lerchenauer Straße und Lerchenstraße kommen. "Das geht doch nur, wenn der Gegenzug auch gleichzeitig kommt", wunderte sich die Bezirksausschussvorsitzende Johanna Salzhuber (SPD). Geklärt haben wollen die Moosacher auch, welche Rolle die geplante Reaktivierung der Feldmochinger Kurve im Nordring-Projekt spielt, die wie die Unterföhringer Kurve laut Vorlage einbezogen werden soll.

Markus Auerbach (SPD), der Vorsitzende des benachbarten Bezirksausschusses Feldmoching-Hasenbergl, interpretiert den Vermerk in der Beschlussvorlage so, dass untersucht werden soll, ob das durch Feldmoching und Lerchenau verlaufende Güterverkehrsgleis auch für den S-Bahn-Verkehr freigegeben wird; so soll eine Verbindung der S 1 zum geplanten Forschungsund Innovationszentrum (FIZ) von BMW geschaffen werden. Das besagte Gütergleis zweigt von der Strecke der S 1 ab und verläuft in den Nordring. Möglich ist die Verbindung zum (FIZ) aber nur dann, wenn auch das Gleis der Feldmochinger Kurve wieder in Betrieb wäre.

Derzeit müssen Züge, die aus Feldmoching in Richtung Nordring fahren, in den Westen Münchens abbiegen. Wäre die Lücke geschlossen, könnten die Züge gleich in Richtung Osten nach Milbertshofen abbiegen. Die mögliche neue Strecke zum FIZ bringe nichts, meint Auerbach, eher müssten Kommunen aus dem Nordwesten wie Karlsfeld und Dachau besser angebunden werden.

Darum haben sich die Feldmochinger Stadtviertelpolitiker geschlossen gegen die Idee gestellt und stattdessen vorgeschlagen, auf der U 2 zwischen den Stationen Frankfurter Ring und Feldmoching den Takt zu verstärken. Jüngst in der Bürgerversammlung für Feldmoching-Hasenbergl forderte eine Bürgerin, dass an der Strecke ein Lärmschutz entstehen solle, falls das Gleis tatsächlich für den Personennahverkehr freigegeben wird - aber schon bevor die S-Bahn das Gleis dann auch wirklich nutzt. Die Landkreise Dachau, Fürstenfeldbruck, München, Freising und Erding gehören unter anderem zum weiteren Untersuchungsraum. Der ebenfalls im engeren Kreis betroffene Bezirksausschuss Bogenhausen hat dem Beschlussentwurf einstimmig ohne Diskussion zugestimmt, das Stadtteilgremium in Trudering-Riem hat den Entwurf noch nicht behandelt.

Die Finanzierung der ersten Projektstufe wollen sich der Freistaat Bayern und die Landeshauptstadt München teilen, deren Anteil mit bis zu 90 000 Euro beziffert ist. Zu den weiteren Finanzierungspartnern gehören der MVV, die Flughafen München GmbH (FMG), BMW sowie die Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern (IHK), die ebenfalls an den Planungen beteiligt sind.

© SZ vom 05.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: