Foodsharing:Kühlschrank statt Container

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Die Kunden nehmen das Gratis-Angebot im Pullacher AEZ an. (Foto: Angelika Bardehle)

Die Supermarktkette AEZ verschenkt in Pullach und Fürstenfeldbruck Lebensmittel, deren Mindesthaltbarkeitsdatum am selben Tag abläuft. Das Angebot wird so gut angenommen, dass Mülltonnen eingespart werden konnten.

Von Gudrun Passarge, Pullach

313 Kilogramm Lebensmittel werden in Deutschland jede Sekunde weggeworfen, so das Ergebnis einer Studie der Umweltorganisation WWF von 2015. Die Supermarktkette Amper-Einkaufszentrum (AEZ) stemmt sich mit ihrer Aktion "Food-Share - zu gut für die Tonne" dagegen. In einem Kühlschrank hinter der Kasse bietet der Lebensmittelhändler jetzt auch in Pullach kostenlos Produkte an, deren Haltbarkeitsdatum am selben Tag ausläuft. "Wir wollen einen Beitrag leisten, indem wir den Leuten sagen, das sind Lebensmittel, die wirft man nicht so einfach weg", sagt Udo Klotz, Geschäftsführer der AEZ GmbH. Er hat nach eigenen Worten bisher "nur positive Resonanz" erfahren und betont: "Wir wollen keine Konkurrenz zur Tafel sein.

Wir sprechen eine ganz andere Bevölkerungsschicht an." Die Idee ist neu und sie war nicht unumstritten im eigenen Haus, wie Geschäftsführer Klotz einräumt. Es habe durchaus Bedenken gegeben. Aber nachdem der Versuch in Fürstenfeldbruck schon länger als sechs Wochen läuft, weiß Klotz, dass diese Befürchtungen unnötig waren. Jeden Tag bestücken die Mitarbeiter den Kühlschrank neu. Konserven kommen in ein Regal, zusätzlich ist noch eine Box aufgestellt - "für Mümmel, Hopsi und Schnuffel", wie es auf der Tafel heißt, also für die Haustiere, die sich über Grünzeug und Karotten freuen. Am Abend wird die übrig gebliebene Ware entsorgt, aber Klotz hat festgestellt: "In der Regel bleibt nichts übrig."

Darüber freut sich der Geschäftsführer, denn damit ist das Ziel erreicht. Es geht darum, weniger wegzuwerfen, darum, solche Lebensmittel "aus der Schmuddelecke rauszuholen". Durch optisch ansprechende Präsentation soll der Eindruck vermieden werden, hier werde etwas Minderwertiges angeboten. Hauptsächlich im Angebot sind Molkereiprodukte, die einen Stempel mit dem Datum des jeweiligen Tages tragen. Aber das bedeute nicht, dass sie nicht mehr genießbar sind, betont Klotz. Trotzdem hängt am Kühlschrank der Hinweis: "Der Verzehr der Ware liegt in Ihrer Verantwortung." "Wir müssen uns absichern", sagt Klotz, das sei bei ihm nicht anders als bei der Tafel. Würde das AEZ die Waren einen Tag nach Verfallsdatum abgeben und der Kunde käme mit Bauchschmerzen, "dann müssen wir nachweisen, dass sie nicht von uns kommen".

Für die Tafel ist das Projekt keine Konkurrenz

Dieses Problem kennt auch Johannes Schuster, Leiter des Isartaler Tischs. "Wir geben in der Regel keine abgelaufenen Dinge aus", sagt er, und wenn ein Supermarkt mal eine Chips- oder Suppentüte mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum an die Tafel weitergebe, komme das in eine Extrabox, bei der die Kunden der Tafel wüssten, was sie erhielte. Schuster hat den Kühlschrank im Pullacher AEZ schon bemerkt, als Konkurrenz sieht er ihn bisher nicht. Generell müsse die Tafel Molkereiprodukte zukaufen, das bekomme sie nicht vom Supermarkt gespendet.

Das Projekt im AEZ sieht er ganz entspannt: "Es ist ja nicht so, dass sie damit 50 Leute versorgen können", sagt er. Ihm sei es recht, wenn die Leute sich da etwas aus dem Schrank nehmen, zumal wenn es sich um Menschen handle, die knapp über der Hartz-IV-Grenze liegen und denen es helfe, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Nur wenn sich das Modell extrem verbreite, dann könne es schon sein, "dass es an den Grundfesten der Idee der Tafel rüttelt", sagt Schuster. Er bezweifelt jedoch, dass genau die Menschen damit erreicht werden, die es brauchen. Schuster fragt sich eher, ob der Lebensmittelhändler sich damit nicht selbst Konkurrenz macht, weil die Leute abwarten, ob sie nicht etwas aus dem Kühlschrank nehmen können statt die reguläre Ware zu kaufen.

Das kontert Klotz mit dem Hinweis, dass die meisten Kunden ein bestimmtes Budget für Lebensmittel hätten. "Wir glauben einfach, wenn wir dem Kunden was schenken, dann kauft er dafür mal andere Ware, vielleicht auch Bio- oder regionale Ware, die etwas teurer ist." Bisher habe er beim Umsatz jedenfalls keine Veränderungen feststellen können. Nur von einer Neuerung kann er berichten, die er aber als positiv wertet: "Der Vorteil ist, dass wir die Ware nicht wegwerfen müssen." Das AEZ in Fürstenfeldbruck hat deshalb schon seine Mülltonnen reduziert, um 20 Prozent, wie Klotz sagt. "Das erspart auch wieder Kosten." Das System Food-Share soll sukzessive auf alle AEZ-Märkte ausgedehnt werden. Ende November folgen auch Germering und Martinsried.

© SZ vom 08.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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