Tierpark Hellabrunn:Zoo ohne Aushängeschild

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Missverständnis oder männliche Zwistigkeit? Warum die beliebten Schautafeln des Künstlers Günter Mattei im Januar wirklich abgenommen werden sollen, bleibt offen.

Astrid Becker

Wenn der Aufsichtsrat des Tierparks Hellabrunn am Freitag zusammenkommt, wird auch ein heikler Punkt angesprochen werden, der noch für Aufregung sorgen könnte. Bis zum 11. Januar sollen sämtliche Großtafeln des beliebten Tierparkmalers Günter Mattei abgehängt werden.

Ende einer Ära: Die von Günter Mattei gezeichneten Lehrtafeln im Tierpark Hellabrunn sollen bald verschwinden. (Foto: Stephan Rumpf)

Als Mattei vor fünf Jahren den Auftrag für die Werbeplakate des Zoos verloren hatte, war die Empörung groß gewesen. Diesmal ist es nicht der Aufsichtsrat, der Matteis Vertrag nicht mehr verlängern will, sondern der neue Zoodirektor Andreas Knieriem. Dass die Schilder möglicherweise nur noch wenige Wochen zu sehen sein werden, hat eine Grundschule in Bogenhausen alarmiert.

In einem Brief, der vom Lehrkörper und der Elternvertretung unterzeichnet ist, warnt die Lehrerin Lucy Engler-Hamm vor diesem Schritt. Die Lehrer hätten die Großschilder stets in ihren Lehrplan miteinbezogen - wenn es beispielsweise darum ging, bei den Kindern Achtung und Verantwortung gegenüber Tieren zu entwickeln und ihnen die gesamte Evolution näher zu bringen.

Dies lasse sich "nirgendwo besser erklären als im Urwaldhaus", heißt es in dem Brief. Tatsächlich basiert das Konzept dieses Hauses auf der Evolution; sie wird den Besuchern ergänzend auf den bisherigen Tafeln näher gebracht: "Wie soll das jemals ersetzt werden?", fragen sich die Lehrer.

"Ein echter Schock für mich"

Tierparkdirektor Knierim zeigte sich erstaunt über die Existenz eines solchen Schreibens. "Wir haben das Ganze doch in keinster Weise publiziert", sagt er. Die Lehrerin Lucy Engler-Hamm hat jedoch den Künstler Mattei, den sie persönlich kennt, vor kurzem zufällig getroffen. "Und dabei hat er mir erzählt, dass die Schilder abgehängt werden. Und das war ein echter Schock für mich. Da geht es wohl kaum nur ums Geld."

Ja - und nein. Knieriem redet zwar über das "teure Geld", das Mattei für die Nutzung seiner auf den Schildern liegenden Urheberrechte verlange: für 52 Schilder 10 400 Euro für eine Dauer von fünf Jahren, was etwa 2000 Euro im Jahr und etwa 40 Euro pro Schild entspricht. Es gehe aber "nicht nur" ums Geld.

Vielmehr basierten die Tafeln ja auf einem Buch von Mattei und dem ehemaligen Zoodirektor Henning Wiesner, und "im Zoo will man nun mal kein Buch lesen." Die ersten Schautafeln dieser Art zeichnete Mattei für Hellabrunn 1982. Sieben Jahre später kam die überarbeitete Version heraus: "Das große Buch der Tiere", das in acht Sprachen übersetzt wurde.

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Seit langem erfreuen sich die mit leichter Hand gezeichneten Tier-Darstellungen großer Beliebtheit, weil Matteis Stil unverwechselbar ist - der Affe, der mit einer Banane telefoniert, ist zu einem Markenzeichen für Hellabrunn geworden. Doch Knieriem hält die Tafeln offenbar nicht mehr für zeitgemäß. Er träumt von einem Gesamtkonzept, das "auf vernünftige didaktische Weise alle Bevölkerungsgruppen" ansprechen soll. Allerdings muss dieses Konzept erst noch entwickelt werden.

"Das steckt noch ganz in den Kinderschuhen", sagt der Direktor. Demnach gäbe es im Januar, wenn die Schilder abgehängt werden, wohl noch keinen Ersatz für sie - was Knieriem ausdrücklich bedauert. Eine Übergangslösung wäre ihm recht gewesen, aber der Tierpark habe ja keine andere Wahl, weil der Nutzungsvertrag auslaufe, sagt er.

Knieriem hat nach eigenen Worten bereits im Frühjahr mit Mattei über die Zukunft der Schilder gesprochen. Die Initiative zum Abhängen der Schilder sei nicht vom Zoo ausgegangen. Vielmehr habe Mattei über seine Anwältin eine Verlängerung des Nutzungsvertrages um weitere fünf Jahre zu den gleichen Konditionen angeboten: "Das hieß für uns: entweder so oder gar nicht, also ja oder nein. Da kann man nur mit nein reagieren".

Matteis Version klingt etwas anders. Knieriem soll in dem Gespräch vom Frühjahr lediglich eine Kürzung der Texte auf den Tafeln gefordert haben - was Mattei ablehnte. Der Zoodirektor habe dennoch gefragt, ob er, Mattei, bereit sei, auch mit ihm zusammenzuarbeiten - eben so, wie er es auch mit Wiesner getan habe: "Ich habe gesagt: Wenn er vernünftige Ideen hat, dann ja." Danach habe er "ewig" nichts mehr vom Tierpark gehört.

Der "totale Cut"

Im Juli habe er deshalb seine Anwältin beauftragt, dem Zoo die Verlängerung seines Vertrages zu denselben Konditionen anzubieten. Mitte Oktober kam dann die Antwort: Da man gerade an einem neuen Gesamtkonzept für die Beschilderung des Tierparks arbeite, "möchten wir von diesem Angebot Abstand nehmen und werden die Tafeln fristgerecht bis spätestens 11.01.2011 entfernen."

Knierim wiederum betont, er wolle sich "zumindest vorbehalten", noch einmal mit dem "von mir sehr geschätzten Mattei" zu reden. Der glaubt daran aber offenbar nicht. Er glaube, dass Knierim "den totalen Cut" wolle "und die Ära Mattei und Wiesner endgültig beendet wissen will".

Der weitere Verlauf könnte noch kompliziert werden. Matteis Vertrag ist Bestandteil eines Aufsichtsratsbeschlusses vom 21. Dezember 2005, der gefasst worden war, nachdem das Ende der Werbeplakate von Mattei so große Bestürzung ausgelöst hatte. Deshalb wollte der Aufsichtsrat noch ein wenig Mattei im Zoo erhalten - in Form der Großtafeln.

© SZ vom 18.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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