Ein Radler in einer grell grünen Trainingsjacke zischt den Asphaltweg entlang. Es ist ein junger Mann in den Zwanzigern, sein rotes Rennrad ist im Mittelpunkt des Zooms. Das Kamerabild wechselt, nun fährt ein professioneller Biker durch den Wald, mit Helm und Fahrradhandschuhen, im Trainingshemd. Blätter, Schlamm, Waldmatsch spritzen unter den wuchtigen Rädern des Mountainbikes hervor. Nach nur zwanzig Sekunden Kamerafahrt ist man mitten drinnen im Erlebnis des Fahrens, das Tempo der Räder überträgt sich. Insgesamt zwei Minuten ist der Werbefilm der Berufsschülerin Sophia Wagner lang und er zeigt noch spektakuläre BMX-Stunts, Kinder beim Einradfahren, zum Schluss ein Fahrradtreffen junger Leute.
Wagner ist Azubi beim "Mediateam München", ihre lockigen, braunen Haare trägt sie schlicht zusammengebunden, sie lächelt, schließlich ist sie eine der Siegerinnen an diesem Vormittag in der Berufsschule in Starnberg. Eben gewann ihr Team den Auftrag, ein Fahrrad-Festival im Juni in Taufkirchen zu veranstalten. Ihr Kurzfilm ist Teil des überzeugenden Marketing-Konzeptes der Fünfergruppe. Anlässlich des Bike-Festivals in Taufkirchen bekamen Schüler des Studienganges "Veranstaltungskonzeption und -organisation" an der Berufsschule Starnberg die Möglichkeit, ein Konzept für das Festival zu entwerfen. In fünf Gruppen traten sie gegen einander an. Ziel jedes Teams war es, "den Pitch zu gewinnen", also den Auftrag letztlich ausführen zu dürfen. Seit Mitte November hatten sie Zeit.
Das Praxis-Projekt ist eine Besonderheit der Berufsschule Starnberg
Das Praxis-Projekt der Berufsschule sucht seinesgleichen; zwar gibt es im bayerischen Umland einige öffentliche Berufsschulen, die das Fach "Veranstaltungstechnik" anbieten, aber deren Projektarbeit orientiert sich nicht an einem realen Auftrag: "Die Kollegen in Günzburg oder Erlangen arbeiten mit rein fiktiven Projekten, sie entwerfen praktisch Fallstudien, die als Muster dienen", berichtet Bankkaufmann Andreas Ludwig, der an der Schule in Starnberg lehrt. Der Gruppe um Andreas Ludwig ist es indes wichtig, "nicht mit Projekten aus dem Schuhkarton zu arbeiten", sondern sich nach "realen Auftraggebern umzusehen und ein Projekt für die Wirklichkeit zu planen."
Als Auftraggeber konnte in diesem Jahr das Kultur- und Kongresszentrum Taufkirchen gewonnen werden. Es folgte eine offizielle Ausschreibung des Projektes, - im Fachjargon "Briefing" genannt - die Markus Bauer in Starnberg präsentierte. Der PR-Beauftragte des Kulturzentrums agiert als Mittler zwischen Taufkirchen und der Berufsschule.
Auftraggeber ist das Kultur- und Kongresszentrum Taufkirchen
Anliegen der Taufkirchner Einrichtung ist es, am Wochenende 11. und 12. Juni ein Kultur-Event "rund ums Fahrrad" zu veranstalten. Vor knapp zwei Monaten stellte Markus Bauer das Projekt vor, jetzt, Mitte Januar, steht er wieder vor der Klasse, um diejenige Gruppe von Schülern zu ernennen, die das Projekt gemeinsam mit seinem Arbeitsteam zu Ende führen darf. Für die Berufsschüler ist das eine große Chance, Erfahrung in der Praxis zu gewinnen. Erwartungsvoll blicken die Auszubildenden aus Medienagenturen, Cateringfirmen, Kinobetrieben nach vorne.
Eine Auszubildende aus dem Kulturzentrum Taufkirchen ist auch dabei: Katharina Schrempff arbeitet seit Sommer unter der Anleitung von Markus Bauer im Kongresszentrum. Natürlich sei sie "ein paar Mal darauf angesprochen worden", dass es ja ihr Chef sei, der das Projekt betreue und sie die Crew aus Taufkirchen kenne, erzählt die Schülerin aus Aying. "Tatsächlich aber war die Festivalplanung ein reines Schulprojekt für mich und hat komplett getrennt von meiner normalen Büroarbeit existiert", sagt Schrempff.
Damit wiederholt sie, was Erfahrung der meisten Schüler war: In den Bürozeiten beim Betrieb ließ sich schlecht am Konzept für das Bike-Fest feilen. Das musste dann eher abends oder am Wochenende erledigt werden. "Zugegeben", räumt Katharina Schrempff ein, "einziger Vorteil war vielleicht, dass ich zum Beispiel wusste, wie hoch die Treppenstufen auf dem Gelände in Taufkirchen sind, einfach weil ich vor Ort saß und Details in der Logistik schnell überprüfen konnte". Andere Teams fuhren für die Beantwortung dieser Fragen als Gruppe nach Taufkirchen, machten Bilder und besprachen gemeinsam die Architektur.
ACDC-Vorband und Limonaden-Radl
Nun gibt Bauer die Sieger des Wettbewerbs in Sachen Marketing, Sponsoring, Catering bekannt. "Oft hat man nach einem Briefing nicht die leiseste Ahnung, woran man gescheitert ist", erzählt der sportlich gekleidete Marketing-Experte, "mir ist es aber wichtig, euch mitzuteilen, wie eure Präsentationen im Speziellen auf mich gewirkt haben." Im Gegensatz zur schnelllebigen Wirtschaftswelt will Bauer Verlierern wie Gewinnern ein Feedback geben.
Am Ende gewinnen zwei Gruppen den "Pitch". "Emotional überzeugt" hat das Team um Sophia Wagner. Die clevere Planung der Gruppe zeigt sich nicht nur im Film, sondern auch in der Musikauswahl: Geplant ist ein Konzert von Claudia Cane und Band, die schon im Vorprogramm von ACDC aufgetreten sind, eine Bühne soll der Radiosender Ego FM bespielen. Außerdem locken Freiluftkino, BMX-Freestyle-Auftritte und das Limonaden-Radl - eine rollende Ausschanktheke.
Anders hat es das zweite Siegerteam gemacht. Die Gruppe von Katharina Schrempff ist weniger innovativ, aber dafür äußert präzise: Hier wird nichts dem Zufall überlassen, Einnahmen und Ausgaben, Programmablauf und Zielgruppe sind genau kalkuliert. Bauer gefällt, "wie gut und übersichtlich das Projekt strukturiert ist." Mit den Siegerteams treffen also die Stichworte "Emotion" und "Struktur" aufeinander. Auf den ersten Blick ergänzen sich die Gruppen gut.