Stadtplanung:Ein lebendiges Quartier rund um die verwaiste Mall

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Ein modernes Quartier mit Geschäften, Bürogebäuden und Wohnungen soll nach den Vorstellungen des Büros Steidle am S-Bahnhof in Taufkirchen entstehen. Der Siegerentwurf des Ideenwettbewerbs bildet die Grundlage für das nun vorgestellte Nutzungskonzept. (Foto: Planungsbüro Steidle (Visualisierung))

Seit Jahren bemüht sich die Gemeinde Taufkirchen vergeblich darum, dass die weitgehend leer stehende Lindenpassage durch einen Neubau ersetzt wird. Jetzt will sie dort und in der Umgebung in großem Stil Wohnungen, Büros und Geschäfte ansiedeln. Doch dazu muss sie sich erst mit den Eigentümern des Areals einigen.

Von Patrik Stäbler, Taufkirchen

Bevor er auf jenen "Meilenstein" bei der Planung des "Quartiers am Bahnhof" eingeht, will Michael Lilienthal zunächst den "geschichtlichen Hintergrund" des Projekts erläutern. Dabei hat der Zweite Bürgermeister von den Freien Wählern sicher jene Klagen im Hinterkopf, die seit Langem in Taufkirchen die Runde machen. Nämlich, dass bei den darbenden Einkaufspassagen westlich des S-Bahnhofs nichts vorangeht. Doch schuld daran sei nicht etwa die Gemeinde, sagt Lilienthal. Vielmehr habe sie schon vor mehr als zehn Jahren einen Neubau der Lindenpassage ermöglichen wollen. Doch dann hätten Eigentümerwechsel das Vorhaben ausgebremst, ehe 2021 die Planung für ein ganzes "Quartier am Bahnhof" startete.

Dieses umfasst nicht nur die Linden- und Eschenpassage, sondern ein mehr als zwölf Hektar großes Areal westlich der Bahngleise. Dort will die Gemeinde ein "lebendiges und nachhaltiges Quartier" entwickeln - zusammen mit den zwei Großgrundbesitzern in dem Gebiet. Zum einen die Immobilienfirma Rock Capital, der unter anderem die Eschen- und Lindenpassage gehört. Zum anderen die Bäckerei- und Konditoreigenossenschaft Bäko München Altbayern und Schwaben, die ihr Betriebsgelände im Norden des Areals mittelfristig aufgeben will.

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Aus einem Ideenwettbewerb ist im April 2022 das städtebauliche Konzept des Planungsbüros Steidle Architekten als Sieger hervorgegangen. Dieses sieht eine Umgestaltung des bisherigen Gewerbegebiets in ein modernes Quartier mit Geschäften, Bürogebäuden, Wohnungen und Grünflächen vor. In einem nächsten Schritt ist nun ein Nutzungskonzept erstellt worden, das der Gemeinderat in nichtöffentlicher Sitzung abgesegnet hat - mithin jener "Meilenstein", der jetzt der Öffentlichkeit präsentiert wird. Für das Konzept habe man verschiedene Nutzungsarten hinsichtlich ihrer Eignung für das Quartier untersucht, erläutert Jan Vorholt von der Beratungsfirma Cima. Ziel sei es gewesen, neben der Entwicklung von Wohn- und Gewerbeflächen einen neuen, attraktiven Ortsteil zu schaffen.

Ausgegangen seien die Planerinnen und Planer dabei von den 200 000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche im Siegerentwurf des Büros Steidle, sagt Vorholt. Laut dem Nutzungskonzept soll davon fast die Hälfte für Wohnraum verwendet werden. Bei einer durchschnittlichen Wohnfläche von 75 Quadratmetern käme man damit laut den Fachplanern auf 865 neue Wohnungen, also 1500 bis 2000 Bewohnerinnen und Bewohner - eine Zahl, die viele Menschen in Taufkirchen schockieren dürfte, die sich in der Vergangenheit lautstark gegen ein zu kräftiges Wachstum ihrer Gemeinde ausgesprochen haben. Wohl auch deshalb betont Michael Lilienthal sogleich, dass das Nutzungskonzept keine konkrete Planung sei, sondern bloß als Grundlage für weitere Gutachten dienen solle. Damit stelle man sicher, sagt der Zweite Bürgermeister, "dass wir auf einem soliden Fundament stehen, während wir Schritt für Schritt in die Umsetzung gehen".

Luft nach oben: das künftige Quartier am Bahnhof im Istzustand. (Foto: Marcus Schlaf)

Neben neuen Wohnungen sieht das Nutzungskonzept 20 000 Quadratmeter - also weitere zehn Prozent der gesamten Bruttogeschossfläche - für "Sonderwohnformen" vor, etwa Wohnraum für Studierende oder Seniorinnen und Senioren. Zwölf Prozent entfallen auf Büronutzung, was die Cima angesichts der aktuell trüben Marktlage als "maximale Kapazitätsgrenze" sehe, sagt Jan Vorholt. Als weitere Nutzungsarten nennt das Konzept - mit je fünf bis acht Prozent der Gesamtfläche - Hotels und Boardinghäuser, Gesundheitseinrichtungen, Geschäfte für die Nahversorgung, Freizeit- und Bildungseinrichtungen sowie Verkehrsflächen.

Auf Basis des Nutzungskonzepts werden nun laut Bauamtsleiter Stefan Beer unter anderem Gutachten zum Verkehr und zur Einwohnerentwicklung erstellt. Deren Ergebnisse sollen bis Mitte nächsten Jahres erst dem Gemeinderat und danach der Öffentlichkeit präsentiert werden, sodass man in der Folge das Bebauungsplanverfahren starten könne. Voraussetzung hierfür sei freilich, dass sich die Gemeinde mit den zwei Großgrundbesitzern über die Kostenaufteilung einige, sagt Beer. Ihm zufolge sind die Gespräche mit diesen "Big Playern" bislang mitunter zäh gewesen. "Da stehen sich Gewinnmaximierung auf der einen und das Wohl der Allgemeinheit auf der anderen Seite gegenüber", so Stefan Beer.

Doch auch, wenn sich Gemeinde, Bäko und Rock Capital zügig einigen sollten, wird es noch einige Jahre dauern, bis das Areal am Bahnhof tatsächlich ein neues Gesicht bekommt. Die Umgestaltung soll dabei schrittweise erfolgen. So rechnet die Gemeinde bei der Umsetzung der Quartiersentwicklung mit einem Zeitraum von "mindestens acht bis zehn Jahren".

Die Verkündung eines "Meilensteins": Bauamtsleiter Stefan Beer, Zweiter Bürgermeister Michael Lilienthal, Marco Eisenack und Jan Vorholt von der Beratungsfirma Cima bei der Vorstellung des Konzepts. (Foto: Claus Schunk)

Bis auf Weiteres wird es wohl auch keine wirkliche Lösung für die weitgehend leer stehende Lindenpassage geben. Der Todesstoß für das zuvor schon darbende Einkaufszentrum kam 2008, als der Nachbarort Unterhaching an der Gemeindegrenze sein Gewerbegebiet am Grünwalder Weg eröffnete. "Das war wie bei einem Intensivpatienten, dem man dann den Stecker gezogen hat", umschreibt es Zweiter Bürgermeister Michael Lilienthal. Im Gemeinderat seien daraufhin Ideen für einen Abriss samt Neubau der Lindenpassage diskutiert worden - bis 2013 die Grünwalder Immobilienfirma Rock Capital das Einkaufszentrum erwarb. Drei Jahre später habe man einen Bebauungsplan für das Areal aufgestellt. "Das hätte es Rock Capital ermöglicht, alles abzureißen und neu zu bauen", sagt Lilienthal. "Doch dann ist nichts geschehen."

Und so wurde es ruhig in der weitgehend leer stehenden und zunehmend verwahrlosten Lindenpassage - bis Rock Capital 2020 verkündete, dass der Firma inzwischen auch die benachbarte Eschenpassage komplett gehöre. "Da wurde quasi der Reset-Knopf gedrückt", sagt Lilienthal. "Damit waren zehn Jahre Planung für die Katz." 2021 sei dann auch noch die Bäckerei- und Konditoreigenossenschaft Bäko aufs Rathaus zugekommen und habe mitgeteilt, dass sie sich vergrößern und ihr Betriebsgelände an der Kreuzung von Lindenring und Waldstraße aufgeben wolle. "Das war für die Gemeinde eine einmalige Chance", urteilt Michael Lilienthal. Und so habe der Gemeinderat beschlossen, das komplette Areal westlich der Gleise inklusive der beiden Einkaufspassagen zu überplanen und umzugestalten - in Form eines neuen "Quartiers am Bahnhof".

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