Hilfsaktion:Taschen mit buntem Innenleben

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Angelika Krödel, Renate Buchberger und Helene Nestler (von links) präsentieren ihre neusten Werke. (Foto: Claus Schunk)

Die Näherinnen des Vereins "Mammalade für Karla" verarbeiten unterschiedlichste Stoffe zu praktischen Tortentaschen. Diese kommen mal trachtig, mal sehr vornehm daher - und das für einen guten Zweck.

Von Gudrun Passarge, Hohenbrunn

Die Stoffe wecken Erinnerungen. So ein Vorhang hing mal in der Küche der Oma, und die grünen Hirsche, die elegant im Kreuzstich über das weiße Leinen springen, die hätten auch auf einem Tischläufer der ungarischen Tante sein können. Diese Assoziationen bei den Tortentaschen sind gewollt. Das neueste Projekt des Vereins "Mammalade für Karla" recycelt alte Stoffe, auch solche, die mit lieben Erinnerungen behaftet sind. "Ein Stück-von-dir-Taschen" nennt Helene Nestler das. Sie organisiert das Projekt zusammen mit Angelika Krödel. Die Erlöse gehen wie schon bei der Marmelade an obdachlose Frauen und Kinder in München.

Die Kreativität der Näherinnen ist verblüffend. Im Seniorentreff der Kaiserstiftung in Hohenbrunn hängen einige der Beutel, jeder ein Unikat. Mal kommen die Tortentaschen eher trachtig daher, gefertigt aus alten Dirndlschürzen und teils mit Waschleder abgesetzt, mal vornehm in Samt und Brokat, mal lustig bunt, zusammengesetzt aus den verschiedensten Stoffen. Da fällt die Auswahl schwer.

Lieber zitroniger Frühling oder ein sommerlicher Rosengarten, modische Streifen quer oder längs? Doch die Taschen sind nicht nur ein Hingucker, sie sind auch praktisch. Jeder, der schon mal Kuchen in die Arbeit transportiert hat oder eine Schüssel mit Salat zum Grillfest im Gepäck hatte, weiß, dass die runden Behältnisse in länglichen Taschen nur schwer zu befördern sind.

Ganz anders in den Tortentaschen, die ihrem Namen alle Ehre machen. Nestler hat extra einen Apfelkuchen gebacken, um die Vorzüge zu demonstrieren. Es ist ein leichtes, die runde Tasche mit dem Kuchen über die Schulter zu hängen, er passt genau rein. Genauso wie die runde Salatschüssel.

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Aber natürlich können die Taschen auch für andere Dinge hergenommen werden. "Sie werden beim Einkaufen immer größer", hat Nestler auf dem Markt festgestellt. Tortentaschen sind ein Folgeprojekt des Maskennähens. Die 31 ehrenamtlichen Helfer, 29 Frauen und zwei Männer, sind sonst geübte Marmelade-Einkocher. Doch während Corona machten sie Pause, erst langsam geht die Produktion in Kleinstgruppen wieder los.

Viele der Helferinnen blieben aber während der Pandemie nicht untätig. Sie begannen, Masken zu nähen, zumindest bis die FFP2-Maske vorgeschrieben wurde. Die Frauen überlegten, was sie nun machen könnten, zumal so viele Stoffe übrig waren. "Es hat uns gereut, sie wegzuschmeißen", sagt Krödel. Da fiel Nestler ihre Tortentasche ein, die sie mal auf einem Weihnachtsmarkt in Ulm erstanden hatte. Eine Schneidermeisterin entwarf den Schnitt und schon ging's los.

153 solcher Taschen sind inzwischen entstanden, steht auf der neu gestalteten Homepage des Vereins, sie sind, wie die Frauen stolz berichten, bereits zwischen Bielefeld und Hamburg in Gebrauch, eine hat es sogar bis nach Italien geschafft. Neun Näherinnen gestalten die originellen Taschen.

Die Auswahl der Stoffe ist groß. Da gibt es alte Tischdecken, Vorhänge, Bettbezüge, aber auch alte Hemden und viele Bordüren. Teilweise färben die Frauen die weißen Leinenstoffe ein und setzen damit bunte Akzente im Innenleben der Beutel. "Die Näherinnen werden immer mutiger und kreativer", sagt Krödel. Renate Buchberger ist eine von ihnen. Sie hat Spaß an dieser Arbeit für eine gute Sache, und sie betont den positiven Nutzen, besonders die Nachhaltigkeit: "Wir beleben wieder."

Das ist das Stichwort für Nestler, auf noch einen ganz anderen Hintergrund hinzuweisen. Sie erinnert sich an eine junge Frau, die mit Tischdecken von ihrer Oma kam, diese dann aber doch nicht hergeben wollte.

Nestler bot ihr an, zwei Tortentaschen daraus zu nähen, jetzt trägt sie die Erinnerung immer bei sich. Genauso wie eine Frau, deren Mann gestorben war. Zusammen hatten sie schöne Fahrten mit dem Wohnmobil unternommen, stets mit einer besonders bunten und fröhlichen Bettwäsche im Fahrzeug. Auch sie bekam eine Tortentasche aus dem Stoff und war ganz begeistert, wie Nestler erzählt. Sie habe gesagt, "meinen Franz, den hab ich jetzt immer dabei".

Die Tortentaschen können zu einem Preis von 18 Euro von Montag bis Mittwoch, 10 bis 15 Uhr im Seniorentreff Kaiserstiftung in Hohenbrunn erworben werden. Nähere Infos finden sich auch auf der Homepage des Vereins (mammaladefuerkarla.de).

© SZ vom 26.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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