SZ-Serie: Lichtblicke, Folge 5:Palast der tausend Kabel

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Ein ständiges An und Aus: Im Lichtlabor des TÜV prüft Florian Hockel mit seinem Team Leuchtmittel aller Art. Sie müssen 6000 Stunden Dauertest überstehen. (Foto: Florian Peljak)

Im Garchinger Gewerbegebiet Hochbrück testet der TÜV in seinem Lichtlabor die Qualität von allerlei Leuchtmitteln. Glühbirnen, Handydisplays und LED-Module kommen viele Stunden lang auf den Prüfstand. Der jüngste Mitarbeiter ist ein Roboter.

Von Gudrun Passarge, Garching

Schleißheim hat seine Schlösser, Garching seinen Lichtpalast. Was kaum einer vermutet in der nicht gerade für ihren Glamourfaktor bekannten Universitätsstadt und schon gar nicht im umtriebigen Gewerbegebiet Hochbrück. Wobei der Name auch eher schönfärberisch ist. Licht gibt es zwar zuhauf in dieser Einrichtung, die vom Tüv Süd betrieben wird. Aber schwarz gefärbte Wände, Metallregale und Türen, viele Kabel und auf Zweckmäßigkeit hin ausgerichtete Räume passen doch eher zum Namen Lichtlabor. Und dann ist da noch der neue Kollege. Schwarz glänzendes Metall, präzise, langsame Bewegungen. Seit diesem Jahr verfügt das Labor, in dem Lichtquellen aller Art geprüft werden, über einen Robogoniometer. Florian Hockel ist stolz auf den Roboter, der Leiter des Lichtlabors sagt, "diese Anlage gibt es nur einmal auf der Welt".

Das Lichtlabor liegt etwas versteckt in dem weitläufigen Tüv-Areal. Hier, wo verschiedene Dinge getestet werden, von Batterien bis zu Haushalts- oder Gartengeräte, gibt es eine eigene Abteilung fürs Licht. Hockel, der zuvor bei Osram die Anwendungstechnik für LED-Module geleitet hatte, wechselte 2017 zum Tüv und lernte dort, wie er sagt, die "andere Seite der Medaille" kennen. Denn hier werden die Leuchtmittel der Hersteller auf ihre Funktionen überprüft, vom beleuchteten Schneemann über Straßenlaternen bis zur Designer-Stehlampe oder der integrierten Tischleuchte ist alles dabei.

Offiziell heißt seine Abteilung "Licht, Leuchten und Multimediageräte", das bedeutet, die 25 Prüfer und Prüferinnen testen auch beispielsweise Displays von Smartphones auf ihre Leuchtdichte. Auftraggeber sind die Hersteller oder Verkäufer, wie etwa große Ketten, die ihre Waren zum Beispiel in Asien erwerben und wissen wollen, ob sie auch funktionieren. Auch die Bedienungsanleitung wird daraufhin angeschaut, ob sie für den Verbraucher verständlich ist.

Das Hauptaugenmerk liegt natürlich auf den Lichtquellen. In einem der Räume des Lichtpalasts werden gerade Hunderte von Leuchten getestet. 4200 Brennstellen stehen dafür zur Verfügung. An den Decken sind unterschiedlichste Glühbirnen angebracht. Auf den Tischen stehen kleine Lampen. Es ist ein ständiges An und Aus. Eine Zeitschaltuhr regelt die Brenndauer. Eine Birne in der Ecke flackert. Sie wird den Test sicher nicht überstehen. Für die Prüfung vorgeschrieben sind von der EU mindestens zehn Leuchtmittel einer Sorte als Grundlage. Sie müssen 6000 Stunden Dauertest überstehen und dürfen dabei maximal 20 Prozent ihrer Leuchtfähigkeit einbüßen. In der Praxis laufen die Tests häufig nur 1000 Stunden, danach wird extrapoliert. Hockel erklärt, es gebe genügend Studien und damit auch Werte, auf deren Basis hochgerechnet werden könne.

Der zweite Raum des Lichtpalasts ist ganz auf den neuen Kollegen aus Augsburg ausgerichtet. Der Spezialist für Robotikanlagen Kuka hat den Roboter gebaut, nach den Wünschen der Lichtfachleute. Zwei Jahre habe die Planung gedauert, sagt Hockel. Die Firma Opsira hat ihn dann nach den Vorgaben des Tüvs programmiert. Das Robogoniometer könnte theoretisch 8000 Lichtstellen bedienen. Er verfügt über einen Spektrometer und einen Fotometer. Damit kann er die Lichtmengen und die Qualität gleichzeitig prüfen.

So interessiert die Prüfer unter anderem, ob die Kelvin-Angaben stimmen, die aussagen, ob die Quelle eher warmes oder kaltes Licht ausstrahlt. Im Hausbereich würden meist Lampen mit 2700 bis 3000 Kelvin eingesetzt, im Büro dagegen eher 4000 Kelvin mit einem höheren Blauanteil. Dieses bläuliche Licht bewirke eine höhere Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit, so Hockel. Dazu gebe es zahlreiche Untersuchungen. Das Robogonio fährt immer wieder Leuchtquellen an, die in den Regalen stehen. Vorher mussten die Prüfer stets die Leuchtmittel in unterschiedlichen Versuchsstationen aufbauen, das ist nun mit dem Roboter obsolet.

Bei der Prüfung der Leuchtmittel hilft auch Hockels neuester Mitarbeiter, ein Roboter von Kuka, der für die Lichtexperten konstruiert wurde. (Foto: Florian Peljak)

Wenn es auch im Lichtlabor in der Hauptsache um modernste Lichtquellen geht, so kann Hockel doch auch etwas über mittelalterliche Zeiten erzählen. Der Elektroingenieur berichtet von einem Projekt des Bayerischen Rundfunks, der sich für Licht im Mittelalter interessierte. Also machten sich die Prüfer in Garching ans Werk und testeten Öllampen, Talgkerzen und Kienspan. Das vernichtende Ergebnis: "Das war von der Lichtmenge her katastrophal. Da würde man sich die Augen kaputtmachen oder die Wohnung anzünden." Hockel demonstriert mit den Händen, wie sich die Menschen früher einen Kienspan in den Mund gesteckt haben, um beispielsweise lesen zu können. Von der Lichtmenge her sei das mit einem Teelicht zu vergleichen, "und es hat mordsmäßig gestunken". Die Halle der Prüfer habe noch eine halbe Woche danach gerochen. Hockel fand es trotzdem interessant.

Und wie sieht es bei ihm zu Hause aus? Hat er seinen privaten Lichtpalast? Hockel verneint lachend. Er finde zwar immer wieder mal interessante Ideen bei der Arbeit, doch es sei wie beim Schuster und den Schuhen. Wenn man sich den ganzen Tag mit dem Thema beschäftige, lege man zu Hause nicht so viel Wert darauf. Allerdings erzählt er dann doch, dass er durchaus verschiedene Lichtquellen nutzt. So habe er fast kein Möbelstück, das nicht beleuchtet sei. Und die Lichtleisten auf dem Schrank, die habe er schon seit vielen Jahren. "Die geben ein wunderbares indirektes Licht."

© SZ vom 05.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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