"Wer bist du?", fragt Nurten A. (alle Namen geändert) ihren Sohn manchmal unverhofft. Ein paar Stunden später weiß die 76-Jährige plötzlich wieder, wer er ist. Manchmal aber ist sie so ängstlich, dass sie den vermeintlich Fremden sogar wegschickt. Einmal, erinnert dieser sich, musste er ihr Dinge über ihr Leben erzählen, um zu beweisen, dass er sie kennt. "Sie schaut dann auch immer ganz anders aus", sagt Sohn Tarkan über die Demenzphasen seiner Mutter, "richtig böse."
Nurten A. leidet unter Epilepsie, seit sie vor zweieinhalb Jahren einen Schlaganfall hatte. Seitdem hat sie auch eine extreme Angststörung und Panikattacken. "Sie wohnt im Erdgeschoss und fürchtet immer, dass jemand einbrechen könnte", erzählt der Sohn. Er musste ein Einzelbett kaufen und neben ihrem aufstellen und quasi als Wache darin schlafen. Sogar als sie einmal im Krankenhaus war, hatte sie große Angst, solange sie alleine im Zimmer war.
Tarkan A. hat fünf Geschwister, doch diese sind in aller Welt verteilt. Nur er selbst ist noch in Taufkirchen. Die Mutter ist Analphabetin, sprach noch nie viel Deutsch und verbrachte die meiste Zeit ihres Lebens als Hausfrau bei den Kindern. Der Vater war Baggerführer und starb schon 1998. Weil Tarkan A. schon so überlastet und verzweifelt war, hatte er sogar schon einen privaten Helfer engagiert und dafür große Summen bezahlt, bis er endlich zufällig von der Kultursensiblen Altenhilfe der Nachbarschaftshilfe erfuhr.
Jetzt freut er sich, dass Nurten A. in ihrer Muttersprache mit der ehrenamtlichen Helferin über alte Zeiten sprechen kann. Und nur weil diese Türkisch spricht, hat sie auch überhaupt Vertrauen. Die Mutter bezieht 300 Euro Witwenrente und bekommt Grundsicherung. Ein wenig bessere Alltagsausstattung möchte der Sohn seiner Mutter von einer Spende des SZ-Adventskalenders besorgen. Kleidung, Bettwäsche, einen Teppich und gutes Essen. "Sie war immer eine sehr gute Köchin."