SZ-Adventskalender:Ordnung ins Leben

Lesezeit: 3 min

Das "Unterstützte Wohnen" hilft Menschen in Krisen

Von Franziska Gerlach, Ottobrunn

Multiproblemlage. Das klingt schon nach verdammt vielen Problemen, nach etwas, das vielleicht anderen passiert. Aber nicht einem selbst. Dabei, sagt Eva Gruber, kann man sehr schnell in eine Krise geraten: Der Partner stirbt, man verliert erst die Lebensfreude, dann die eigene Achtsamkeit, schließlich den Job, und wenn es ganz schlecht läuft, kommen noch Schulden oder Probleme mit der Wohnung hinzu. Und plötzlich findet man sich in Grubers kleinem Büro bei der Caritas in Ottobrunn wieder - damit die Sozialpädagogin einem hilft, das eigene Leben wieder in Ordnung zu bringen.

Gruber arbeitet für das "Unterstützte Wohnen", eine Kooperation des Arbeiterwohlfahrt-Kreisverbandes München-Land und der Caritas, gemeinsam betreuen sie 16 Gemeinden im Landkreis. Bezahlt wird die Maßnahme vom Landratsamt, maximal anderthalb Jahre wird eine solche Unterstützung pro Person genehmigt. Allerdings: Ein Problem mit der Wohnung zu haben, das reicht nicht aus. Es müsse schon eine "Multiproblemlage" vorliegen, sagt die Sozialpädagogin, "das Wohnproblem ist nur der Aufhänger".

Momentan betreut Gruber ein gutes Dutzend Menschen im Landkreis, die in irgendeiner Form ein Problem mit ihrer Wohnung haben. Diese Probleme können ganz unterschiedlicher Art sein: von Mietrückständen über Schwierigkeiten mit den Nachbarn bis hin zur Vermüllung ist alles dabei. Oft tritt Gruber auch als Vermittlerin zwischen Mieter und Vermieter auf. Solche Konflikte auszubügeln, "das Dach über dem Kopf" zu sichern, wie sie das nennt, das gelinge ihr in vielen Fällen sehr gut.

Und ihr Wunsch? Eigentlich würde sie sich ja freie Wohnungen für ihre Klienten wünschen. Doch diese lassen sich natürlich nicht herbeizaubern, das weiß Gruber nur zu gut. Die prekären Verhältnisse, in denen ihre Klienten leben, die lassen sich durch finanzielle Zuwendungen aber schon lindern. Und deshalb sollten Spenden auch voll und ganz diesen Menschen im Landkreis zukommen, mit denen es das Leben gerade nicht so gut meint.

Was die Sache mit den Wohnungen betrifft, ist die Not im Landkreis zwar noch nicht so groß wie in der Stadt München. Doch dass der Druck auf den Wohnungsmarkt zunimmt, das spürt auch Eva Gruber, wenn sie ihre Klienten bei der Suche nach einer Bleibe unterstützt. "Wir haben nix, wir können Ihnen nix geben", hat die Mitarbeiterin des "Unterstützten Wohnens" schon oft zu hören bekommen. Sollten die Leute halt nach Sachsen ziehen. Doch so einfach ist das nicht. Ihre Klienten seien im Landkreis München ja verwurzelt, hätten sich über Jahre hinweg soziale Kontakte aufgebaut, erläutert Gruber. Brechen diese dann in einer ohnehin schwierigen Phase weg, trägt das nicht gerade zu Bewältigung einer Krise bei.

Wie gesagt: Grubers Unterstützung beschränkt sich nicht nur auf das Wohnen. Und es greift wohl nicht zu hoch, wer sie als Tausendsassa des Sozialen bezeichnet. Denn ihre Aufgaben sind so vielfältig wie die Probleme ihrer Klienten: Da sind zum Beispiel alleinstehende Männer, denen sie nach dem Tod der Ehepartnerin eine Haushaltshilfe organisiert, damit die Wohnung nicht verkommt. Da sind die Einsamen, die sie dazu ermutigt, Freundschaften aufzubauen. Kranke, die sie zum Arzt begleitet. Ausländer mit unzureichenden Deutschkenntnissen, denen sie beim Lesen komplizierter Briefe von Versicherungen oder dem Jobcenter hilft. Und da sind schließlich die Arbeitslosen, mit denen sie übt, wie man ein Bewerbungsschreiben verfasst.

Allerdings, und das ist der Frau von der Caritas ganz klar, gehe es bei ihrem Angebot nicht darum, den Leuten alles abzunehmen. Über kurz oder lang sollen ihre Klienten lernen, sich selbst zu helfen. Die Sozialpädagogin, die auch mit anderen Einrichtungen wie etwa der Katholischen Jugendfürsorge zusammenarbeitet oder der Schuldnerberatung, zeigt ihnen auf, an wen man sich mit diesem oder jenem ganz spezifischen Problem wenden kann. Vor allem erfahren die Menschen durch Gruber wieder Regelmäßigkeit im Alltag.

"Die Klienten haben meist keinen strukturierten Tag, da bin ich oft der erste Termin", sagt die Sozialpädagogin. Den allerdings müssen die Leute schon in der Lage sein, pünktlich wahrzunehmen. Meistens funktioniere das auch gut. Manchmal aber ist da auch eine Sucht oder eine psychische Erkrankung, die den Willen zur Rückkehr in einen ganz normalen Alltag blockiert. Dann kann auch Eva Gruber nicht weiterhelfen, das vermag dann nur noch eine Therapie. Denn: "Wer nicht mehr in der Lage ist mitzuarbeiten, der ist hier falsch."

© SZ vom 23.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: