In die Mitte eines Dorfes gehören die Kirche, der Maibaum, das Gasthaus und das Rathaus - mitsamt dem Bürgermeister natürlich. So stellt sich manch einer das vor und so findet das in Straßlach-Dingharting etwa Albert Geiger, Gemeinderat von der Bayernpartei, weiterhin wichtig, wenn die ländliche Welt in Ordnung bleiben soll. Für den Bürgermeister ist die bisherige Anordnung nicht so entscheidend, zumindest hält er sie für diskussionswürdig.
Denn Hans Sienerth (parteifrei) braucht den Platz im jetzigen Rathaus für die Nachmittagsbetreuung der Kinder aus der benachbarten Grundschule. Für sich und seine Verwaltung würde er daher den Marienweg etwa hundert Meter weiter runter gegenüber der Feuerwehr ein neues Gebäude errichten. Diese Idee erläuterte er am Mittwochabend dem Gemeinderat. Doch der war mäßig begeistert. Hundert Meter weiter, da ist man in Straßlach gleich mal am Ortsrand bei den Sportplätzen. Und das - findet Albert Geiger - geht gar nicht. Ein Bürgermeister gehöre in die Ortsmitte, das Rathaus an zentrale Stelle. Man könne ja dort hinten ein zentrales Gebäude, ein Art technisches Rathaus errichten und die "repräsentativen Gemeindeinstitutionen" belassen, wo sie sind, so sein Vorschlag.
Der Hailafing-Äquator
Straßlach-Dingharting hat etwa 3200 Einwohner, die Verwaltung im Rathaus 16 Mitarbeiter und einen Bürgermeister. Sienerth sieht sich auch nicht als den großen Repräsentanten, bei dem jeden Tag die Leute vorbeischauen. Und wenn, dann höchstens die Straßlacher. Der Ortsteil Dingharting ist dazu zu weit weg, Holzhausen sowieso, "spätestens ab dem Hailafing-Äquator ist es den Leuten egal", sagt der Bürgermeister im Straßlacher Rathaus mit Blick auf den nahe gelegensten Gemeindeteil.
Sienerth, der Parteifreie, der vor 23 Jahren aus Fürth kam, hatte zunächst die Geschäftsleitung im Rathaus übernommen und wurde 2008 hauptamtlicher Bürgermeister. Er sagt: "Ich verstehe mich eher als City-Manager." Und als der müsse er nicht unbedingt in der Ortsmitte sitzen. Auch sei ja das Grundstück, auf dem ein neues Rathaus entstehen könnte, gar nicht so weit weg.
Die Gemeinde hat das Areal gekauft, jetzt will sie es baureif machen. Die eine Seite soll für Wohnbebauung genutzt werden, es soll ein Mehrfamilienhaus entstehen. Durch den Verkauf will die Gemeinde Einnahmen generieren - Geld, das sie dringend braucht, um die anderen Pläne zu verwirklichen, etwa den Umbau des alten Rathauses für die Kinderbetreuung, um daraus zusammen mit Musikschule und Grundschule einen "Bildungs- und Betreuungscampus" zu gründen. Und der Neubau eines Verwaltungsgebäudes muss ja finanziell auch gestemmt werden.
Aber kann sich die Gemeinde das alles leisten? Manch einer im Gemeinderat ist da skeptisch. Niko Stoßberger von der CSU etwa hat "große Bedenken". Schließlich sei der Haushalt eh schon auf Kante genäht, warf er ein. Leonhard Schlickenrieder (Grüne) zeigte sich wenig begeistert von den Bürgermeister-Vorschlägen, vor allem auch deswegen, weil er sich "überrumpelt" fühlte. Andere forderten erst einmal einen umfassenden Plan, wie es mit der Ortsgestaltung in der Gemeinde weitergehen soll. Da winkte der Bürgermeister allerdings ab: "Den großen Masterplan wird es nicht geben, wir müssen reagieren. Und zwar nicht weil wir Defizite haben, sondern weil sich die Gesetze ändern", sagte Sienerth.
Im Nacken sitzt der Gemeinde Straßlach-Dingharting, wie allen anderen Kommunen auch, der von 2026 an geltende Rechtsanspruch auf Ganztagsbildung und -betreuung von Grundschulkindern. Sienerth ist überzeugt, dass die bisherigen Nachmittagsplätze nicht reichen werden. Man habe das bei Krippe und Kindergarten gemerkt, sobald der Rechtsanspruch da war, sei auch die Nachfrage gestiegen. "Und alle, die jetzt in der Krippe sind, werden als Grundschulkinder auch einen Betreuungsplatz benötigen", ist er überzeugt.
Die Kritiker seiner vorgeschlagenen Pläne, wie diese Herausforderung zu meistern wäre, versuchte er zu beruhigen: "Das sind nur Ideen. Wir beschließen noch nicht, dass wir da hinten ein Rathaus bauen", betonte er. Im Jahr 2026 würden die Räumlichkeiten in der Schule auch noch ausreichen, weil die Umsetzung der neuen Regelung zunächst nur die erste Klasse betreffe und dann Jahr für Jahr auf die höheren Jahrgangsstufen ausgeweitet werde.
Bevor der Gemeinderat nun weiter über die Rathausverlagerung nachdenkt, soll zunächst geprüft werden, ob die offene Ganztagsschule nicht doch durch einen Umbau des Schulgebäudes dort untergebracht werden kann. Der Bebauungsplan für das Grundstück wird aber schon mal auf den Weg gebracht.