Stimmenzuwachs:"Wir liegen himmelweit auseinander"

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Sieger unter sich: Grünen-Kandidatin Claudia Köhler mit Florian Ernstberger und Otto Bußjäger von den Freien Wählern im Landratsamt. (Foto: Claus Schunk)

Die Grünen im Landkreis schneiden überdurchschnittlich ab, eine Koalition mit der CSU sehen sie eher kritisch. Anders als die Freien Wähler

Um 17.50 Uhr, zehn Minuten vor den ersten Hochrechnungen, zehn Minuten, bevor er kurz die Arme hebt, kurz klatscht und bevor ihm seine Frau einen schnellen Kuss auf die Wange gibt, holt sich Markus Büchler, Direktkandidat der Grünen im Münchner Süden, an der Bar eine Apfelsaftschorle zum Anstoßen. Zweimal trat er bei einer Landtagswahl an, zweimal scheiterte er. Trotzdem sei er nicht nervös, sondern bloß froh, dass der Wahlkampf vorbei sei. Vier Wochen jeden Abend woanders einen Termin, das schlauche, erzählt er in der gut gefüllten Muffathalle. Grüne T-Shirts, grüne Fähnchen und ganz hinten Büchler in einer grünen Lederjacke, neben seiner Frau, seiner Tochter und seinem Sohn, 19 und 13 Jahre alt. Dann ploppen um kurz nach 18 Uhr auf der Leinwand die Balken auf: Die Grünen liegen bei etwa 18 Prozent, sie sind zweitstärkste Kraft und Büchler, der auf dem Listenplatz vier platziert war, hat es aller Voraussicht nach in den Landtag geschafft.

Fantastisch sei das, sagt der 45-Jährige. Doch richtig euphorisiert klingt er nicht. Vielleicht wegen seiner Erkältung, vielleicht weil er den Ausgang der Wahl bereits ahnte, Umfragen sagten ein ähnliches Ergebnis vorher. Für ihn geht es allerdings noch besser aus als für die Grünen in ganz Bayern: Im Münchner Süden wählten Büchler 23,6 Prozent der Wähler. Doch wie geht es nun weiter? Sollen die Grünen mitregieren, eine Koalition mit der CSU bilden?

Prinzipiell, sagt Büchler, müsse man mit allen demokratischen Parteien sprechen. Doch dass sich die Grünen an einer Regierung mit Markus Söder beteiligen, sei für ihn kaum vorstellbar. "Wir liegen himmelweit auseinander."

Der Rechtsschwenk, den Söder zeitweise während des Wahlkampfs vollzogen habe, sei nicht akzeptabel. Themen wie die dritte Startbahn und das Polizeiaufgabengesetz könne seine Partei nicht mittragen. "Einfacher als mit uns hätte es die CSU sicher mit den Freien Wählern", sagt er. Komme diese Koalition nicht zu Stande, stehe seine Partei allerdings für Gespräche bereit. "Doch klar ist auch: Der Preis für die CSU muss hoch sein. Wir sind die stärkeren Verhandlungspartner." Andreas Zenner, Vorsitzende des Kirchheimer Ortsverbands, der ein paar Meter von Büchler entfernt steht, schüttelt bei der Frage "regieren ja oder nein" sofort den Kopf: "Das würde unsere Partei zerreißen. Was man so lange bekämpft hat, kann man doch nicht plötzlich mit ins Boot holen."

Claudia Köhler, die im Münchner Norden für die Grünen antrat und im grünen Blazer und grünen Kleid um 19.30 Uhr die Muffathalle betritt, kann diese Haltung nicht nachvollziehen: "Wir haben uns verdoppelt, wir haben ein sehr gutes zweistelliges Ergebnis bekommen und das ist schon ein Regierungsauftrag", sagt sie. Fast jede fünfte Stimme sei an die Grünen gegangen - damit sei eine Verantwortung verbunden. Klar sei aber auch: Eine Koalition sei nur möglich, wenn die Grünen in den Verhandlungen ihre Themen auch durchsetzen könnten. Die Grünen hätten sich nie angepasst oder verbogen und das sei aus ihrer Sicht ein Grund für den Erfolg ihrer Partei gewesen. So wie Büchler schnitt auch Köhler, die im Unterhachinger Gemeinderat sitzt, besser als die Grünen im landesweiten Durchschnitt ab. Sie erhielt 23 Prozent der Stimmen.

Grund für den Erfolg war aus Christoph Nadlers Sicht auch, dass die Grünen in ihrem Wahlkampf das Lebensgefühl der Menschen gut aufgenommen hätten. "Wir konnten die Jüngeren ansprechen, Frauen, gebildetere Schichten." Nadler ist Fraktionsvorsitzender der Grünen im Kreistag, in den vergangenen Wochen begleitete er Claudia Köhler auf ihrer Wahlkampftour und an den Ständen habe er viele ehemalige CSU-Wähler getroffen, die über den Kurs der Partei, der immer weiter nach rechts abzudriften schien, frustriert gewesen seien. Eine Regierung mit der CSU dürften die Grünen aus seiner Sicht nicht um jeden Preis eingehen. Auch für ihn ist das Polizeiaufgabengesetz ein Punkt, bei dem sich die CSU in jedem Fall bewegen müsse. Und so wie Büchler sagt auch er: "Mit Markus Söder wird es wohl besonders schwer."

Die Freien Wähler sehen das wesentlich lockerer. "Das ist das beste Ergebnis, das wir uns wünschen konnten", frohlockt Ilse Ertl, Direktkandidatin aus dem Landkreissüden. "Jetzt können wir endlich Regierungsverantwortung übernehmen." Sie zählt auf die Koalition mit der CSU, auch damit der "Etikettenschwindel" endlich ein Ende habe und die CSU keine politischen Forderungen der Freien Wähler mehr übernehme und unter eigenem Namen verkaufe. Sie selbst wird kaum in den Landtag kommen, anders als ihr Kollege Nikolaus Kraus aus Ismaning. Der Landtagsabgeordnete könnte sein Mandat verteidigen; in seiner Heimatgemeinde ließ er sogar den CSU-Favoriten Ernst Weidenbusch hinter sich. Otto Bußjäger, stellvertretender Landrat aus Höhenkirchen-Siegertsbrunn, zeigt sich zufrieden mit dem prognostizierten Ergebnis von gut elf Prozent: "Wir sind zum dritten Mal zweistellig und haben unser Ergebnis zum dritten Mal gesteigert. Das zeigt, dass die Freien Wähler auf die richtigen Themen und die richtigen Personen gesetzt haben."

© SZ vom 15.10.2018 / chrh, gna, stä - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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