Experimentelle Musik:"Tiere haben ein anderes Klangempfinden"

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Louis McGuire lässt sich beim Komponieren von Neugier, Empathie und Intuition leiten. Hier sammelt er O-Töne von den Wasserbüffeln in Nantesbuch, die auch in seiner Komposition Verwendung finden. (Foto: Andreas Greiner, VG Bildkunst, 2023/oh)

Andreas Greiner und Louis McGuire haben im Auftrag der Stiftung Kunst und Natur ein Konzert für Wasserbüffel konzipiert. Menschen dürfen bei der Uraufführung auch zuhören. Es geht um "ein kleines Experiment in einer großen Fragestellung".

Von Stephanie Schwaderer, Bad Heilbrunn/Berlin

Wie reagieren Tiere auf Musik? Dieser Frage geht die Stiftung Kunst und Natur am Samstag, 28. Oktober, mit einer Uraufführung nach. Der Berliner Künstler Andreas Greiner und der Musiker Louis McGuire haben ein Konzert für die Nantesbucher Wasserbüffel vorbereitet, zu dem auch Menschen eingeladen sind. Andreas Greiner, 1979 in Aachen geboren, studierte zunächst einige Semester Medizin, wechselte dann an die Universität der Künste in Berlin und wurde 2009 Schüler von Olafur Eliasson am Institut für Raumexperimente an der Berliner Hochschule der Künste. Derzeit arbeitet er in einer Ateliergemeinschaft in Berlin und unterrichtet als Professor für Medienkunst an der Kunsthochschule Kiel.

SZ: Herr Greiner, in Nantesbuch gibt es unter anderem Heckrinder, Exmoor-Ponys, Hühner und Schafe. Warum bekommen ausgerechnet die Wasserbüffel ein Konzert?

Andreas Greiner: Rinder, das weiß man, sind neugierige Tiere, als solche bringen sie auch Musik Aufmerksamkeit entgegen. Davon zeugt schon die lange Tradition der Hirtenmusik; das Alphorn wurde ja von Hirten entwickelt, um die Herden beisammenzuhalten. Wasserbüffel sind scheuer und skeptischer als Fleckvieh, aber vom Temperament her gutmütig. Man kann mit ihnen gut und friedlich arbeiten - im Gegensatz zu Heckrindern, die einem schnell gefährlich werden können.

Haben Sie das selbst ausprobiert?

Wir sind im August eine Woche mit einer beweglichen Klangbox über das Gelände der Stiftung gezogen und haben mit allen Tieren Klangversuche gemacht. Wir wollten herausfinden, wie sie auf verschiedene Instrumente sowie unterschiedliche Tonhöhen und Klangfarben reagieren. Die Wasserbüffel haben am meisten Interesse gezeigt, insbesondere bei den tiefen Blech- und Holzblasinstrumenten.

Andreas Greiner hat bei Olafur Eliasson studiert. Er interessiert sich vor allem für das Verhältnis von menschlicher zu nicht-menschlicher Natur. (Foto: Theo Bitzer/oh)

Wer waren die schlechtesten Zuhörer?

Die Hühner und die Schafe. Die Ponys waren durchaus interessiert. Grundsätzlich muss man davon ausgehen, dass Tiere ein anderes Klangempfinden haben als wir Menschen. Am ehesten reagieren sie, wenn man ein Geräusch anspielt, das nah an ihren eigenen Lautäußerungen ist.

Womit erreicht man das Herz des Wasserbüffels?

Wasserbüffel sprechen eher auf tiefe Töne und Klänge an. Zudem ähneln langsamere und repetitive Töne ihrer Muttersprache. Kontrast scheint ein wichtiger Faktor zu sein, um ihre Aufmerksamkeit zu halten. Umgekehrt lässt sich ein Gewöhnungseffekt beobachten. Man kann mit ihnen auch kommunizieren, es gibt so eine Art Frage-Antwort-Spiel in unserem Stück. Ob wir wirklich ein Konzert für Tiere geben werden, ob wir etwas machen, das ihnen gefällt oder nicht gefällt, das ist eine Frage, die wir erst nach der Uraufführung zusammen mit unseren Gästen zu beantworten versuchen. Das menschliche Publikum ist ja auch Teil dieses Experiments.

Und bildet dann eine Art Jury?

Es wird nicht direkt eine Bewertung geben. Wir stellen uns das so vor: Die Musiker werden zuerst auf der Weide sein. Das menschliche Publikum wird gebeten, ganz leise die Plätze einzunehmen und auch nicht zu klatschen. Dann kommen von der anderen Seite die Tiere dazu, das Musikstück baut sich langsam auf. Die Aufführung dauert 20 Minuten, danach gehen alle Gäste zurück zum Langen Haus, wo man sich gemeinsam Gedanken macht. Mit dabei ist auch Martin Ullrich von der Nürnberger Musikhochschule. Er ist Professor für interdisziplinäre Musikforschung mit Schwerpunkt Human-Animal Studies und wird einen Vortrag halten.

Haben Sie sich von ihm beim Komponieren beraten lassen?

Das nicht, aber wir hatten ein Gespräch. Er findet unsere Aufführung interessant - ein kleines Experiment in einer großen Fragestellung. Vieles auf diesem Gebiet ist bislang rein spekulativ. Zum Beispiel heißt es ja immer wieder, Kühe würden mehr Milch geben, wenn sie Mozart hören. Wissenschaftlich belegt ist das nicht.

Auch der Tubist Tobias Gschwendner wirkt beim "Konzert für Tiere" mit. (Foto: Andreas Greiner, VG Bildkunst, 2023/oh)

Welche Musik wird am Samstag auf der Weide erklingen?

Wir haben einen Tubaspieler, mehrere Alphornspieler und einen Cellisten dabei. Louis McGuire, der sich die Systematik des Stückes überlegt hat, ist Sounddesigner und Komponist. Er bringt auch Synthesizer-Klänge und Aufnahmen von Geräuschen mit ein. Am Freitag gibt es eine Generalprobe, bei der wir uns erstmals alle treffen und eine Strategie entwickeln, wie wir Improvisation und geplante Abfolgen verbinden. Die Musiker werden dann auch lernen, Spezialgeräusche zu erzeugen: das Schnauben und das Muhen des Wasserbüffels, das eher wie ein Grunzen klingt. Es wird viele neuartige Klänge geben, insgesamt aber ist es eine sehr ruhige Musik, bei der auch die Stille eine wichtige Rolle spielt.

Wer in Nantesbuch spazieren geht, bekommt nur selten einen Wasserbüffel zu Gesicht. Wie bringen Sie die Tiere vor die Bühne?

Sie haben einen Betreuer, den Josef Forster, der sie regelmäßig füttert. Er wird Teil des Arrangements sein und dafür sorgen, dass der Auftritt klappt. Die Wasserbüffel folgen ihm.

Worum geht es Ihnen bei diesem Experiment? Worin besteht die Kunst?

Wir leben in einer Zeit, in der es wichtig ist, in der Kunst ein selbstreflexives Momentum zu haben. Wir Menschen wirken als eine der stärksten gestalterischen Kräfte auf diesen Planeten - oft indirekt. Es mehren sich die kritischen Stimme, die fordern, die Mensch-Tier-Verhältnisse neu zu denken und auch mit Nutztieren würdevoll umzugehen. Zugleich gibt es den Trend, Tiere zu vermenschlichen. Das hat positive und negative Seiten und es bringt Missverständnisse mit sich. Meine Kunst dreht sich um das Verhältnis von menschlicher zu nicht-menschlicher Natur und um die Frage: Was ist Kunst, was ist künstlich und was können wir noch natürlich nennen - in einer Zeit, in der sich selbst in Kuhmilch Gore-Tex nachweisen lässt.

Im Langen Haus wird die Uraufführung nachbesprochen. (Foto: Manfred Neubauer)

Was würde bei der Uraufführung idealerweise passieren?

Ich wünsche mir, dass das Publikum einen Impuls mitnimmt, diesen Fragen weiter nachzugehen und über Antworten nachzudenken. Und natürlich hoffe ich, dass alles klappt und wir eine gute Zeit miteinander haben.

Und was, wenn die Büffel nach fünf Minuten das Weite suchen?

Dann muss man das hinnehmen. Wir treten nicht mit dem Versprechen an, am Ende tanzende Wasserbüffel zu sehen. Trotzdem hoffen wir, dass uns eine Begegnung mit etwas Größerem, als das, was wir im Voraus planen könnten, erwartet.

Konzert für Tiere, Uraufführung, Samstag, 28. Oktober, 15.30 Uhr, Gut Karpfsee, Bad Had Heilbrunn, kostengünstige Transfer-Angebote von München und Penzberg, Eintritt 24/15 Euro, Karten und Infos unter kunst-und-natur.de

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