Übung von Feuerwehr und BRK:Druck schweißt Helfer zusammen

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Feuerwehr und Rettungsdienst holen Verletzte aus der liegen gebliebenen S-Bahn. Dabei stoßen sie auf einige Schwierigkeiten. (Foto: Claus Schunk)

Ein S-Bahnunglück und andere Szenarien: Feuerwehr und Rettungsdienst proben in Oberhaching den gemeinsamen Einsatz.

Von Sophie Kobel, Oberhaching

Das grelle Licht der Schweinwerfer reflektiert auf den Leuchtstreifen der Feuerwehruniformen, die Haare der Einsatzkräfte kleben ihnen im Gesicht. Auch um zehn Uhr abends hat es noch 23 Grad und die Dienstjacken liegen schwer auf den Schultern der Helfer.

Gerade hebt ein Feuerwehrmann ein Mädchen im Teenageralter aus den Türen einer liegen gebliebenen S-Bahn. Um ihre 15 Zentimeter lange Schnittwunde am Unterarm kümmern sich Hilfskräfte des Roten Kreuzes, die im hohen Gras notdürftig ihre Versorgungsstelle aufgebaut haben. Im Hintergrund flackert das Blaulicht der Rettungswagen, das Mädchen weint.

Gabriel Bücherl beobachtet das Szenario aus 30 Metern Entfernung und lächelt. "Die Mimen spielen ihre Rollen wirklich gut, die Einsatzkräfte erleben gerade realistisch den Druck und Stress, den man in so einer Situation erfährt", sagt er. Seit 28 Jahren ist der Oberhachinger ehrenamtlich beim Roten Kreuz, hat gemeinsam mit Kollegen den Ablauf der Übung ausgearbeitet. 24 Stunden geht das Programm am letzten Juliwochenende und wird ausgerichtet von der Freiwilligen Feuerwehr Oberhaching und dem Roten Kreuz Deisenhofen. Die Idee: "Wir möchten das Gemeinschaftsgefühl zwischen den beiden ehrenamtlichen Parteien stärken, sie sollen sich besser kennenlernen und auch mal den Blickwinkel des anderen sehen", sagt Bücherl und macht sich Notizen auf seinem Klemmbrett. Denn am Tag darauf wird es ein Feedback-Gespräch mit allen geben.

Freitagnachmittag hat alles mit einer Sicherheitseinweisung für die gut 30 Einsatzkräfte begonnen. Nach dem Abendessen wurden die Feldbetten im Rotkreuzhaus bezogen, dort werden sie die Nacht zum Samstag verbringen. Davor gilt es, den Einsatz an der S-Bahn zu meistern. Um 21 Uhr hat der Einsatz begonnen, im Dunkeln unter Scheinwerferlicht muss gearbeitet werden. "Wir wollten einen realistischen Einsatz üben und eine liegen gebliebene Bahn kommt häufig vor", sagt Bücherl, "die Einsatzkräfte sollen kompromissfreudig zusammenarbeiten und die Passagiere betreuen, verarzten und geordnet nach draußen bringen." Um die Übung realistisch zu gestalten, hat das Planungsteam per Aufruf 40 Bürger aus der Umgebung dafür gewonnen, sich als Mimen in die Bahn zu setzen.

Zwei Bewusstlose und ein Betrunkener

Sie haben unterschiedliche Rollen: Es gibt zwei Bewusstlose und einen Betrunkenen. Eine Person spricht ausschließlich französisch, eine Frau beherrscht nur die Gebärdensprache. Zwei junge Männer prügeln sich am Einsatzort und ein Mädchen hat eine große Schnittwunde.

Das Konzept geht auf, die Schauspieler nehmen ihre Aufgabe ernst. Als zwei Rettungskräfte durch die S-Bahn gehen und sogenannte Sichtungs-Kärtchen verteilen, um die unterschiedlichen Verletzungen einzustufen zu können, erschweren sie ihnen den Einsatz mit viel Elan. Der genervte Lokführer schaltet spontan das Licht aus, der Betrunkene pöbelt die junge Rettungsdienstlerin an und eine Mutter fordert hysterisch die sofortige Behandlung ihrer verletzten Tochter. Aber Lina und ihr Kollege vom Roten Kreuz arbeiten sich ruhig Stück für Stück durch die Bahn.

Inzwischen ist es Nacht, die Mimen bekommen vor dem Nachhauseweg noch späte Brotzeit als Dankeschön. Die 13-jährige Babett drückt ihre künstliche Schnittwunde zurecht und strahlt: "Es hat wirklich Spaß gemacht, seine Rolle zu spielen und zu sehen wie alles abläuft", sagt die junge Deisenhofenerin. Ihr Einsatz ist beendet, für die Ehrenamtlichen vom Roten Kreuz und der Feuerwehr aber geht es weiter. "Das wissen die Helfer zwar noch nicht, aber um 2.30 Uhr werden wir alle im Feldbettlager aufwecken und zur Kiesgrube schicken. Dort ist eine Person bei einem Unfall unter einen Radlader gekommen und muss mithilfe von Schaufeln freigegraben werden", sagt Bücherl, bevor er sich selbst auf den Weg zu seinem Schlafplatz macht.

Am darauffolgenden Abend ist das Grillfest für alle Helfer in vollem Gange, auch wenn der eine oder andere allmählich von der Müdigkeit übermannt wird. Den nächtlichen Einsatz an der Kiesgrube haben sie gut gemeistert. Das Aufbauen des Notstromaggregates für die Beleuchtung ist den eher selten mit Technik arbeitenden Rotkreuzlern gut gelungen. "Ein wenig enttäuscht waren dafür manche von dem späteren Einsatz Samstagmittag im Altenheim", erzählt Bücherl. Es sollte eine Etage der Seniorenresidenz wegen Rauchentwicklung geräumt werden. 30 Deisenhofener Senioren waren als Mimen eingeplant. "Aber leider haben bei dem guten Wetter viele Bewohner den Tag draußen verbracht und einige haben geschlafen."

Im Endeffekt konnte nur eine Person aus dem Haus gebracht werden, erzählt der hauptberufliche Informatiker. Und er lacht dabei: Denn in der Realität weiß man bei Einsätzen oft auch nicht, ob zehn oder 100 Personen zu retten sind. Es war wie im richtigen Leben.

© SZ vom 30.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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