Regenwetter in München:Der graue Süden

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Sonne an der Nordsee, Regen in München. Die nördlichste Stadt Italiens ist in ein tiefes Grau getaucht. Warum das Wetter derzeit nicht hält, was der Juni eigentlich verspricht.

Wolfgang Görl

Derzeit genügt ein Blick nach draußen, um die ohnehin zum Grant neigenden Münchner noch verdrießlicher zu stimmen: Wolken so weit das Auge reicht, und wenn es nicht gerade regnet, dann nieselt es zumindest. München ist in Grau getaucht.

Nur die ganz Harten gehen bei diesem Regenwetter in den Augustiner Biergarten. (Foto: ag.ddp)

Das Deprimierendste aber ist der Blick auf die Wetterkarte: Im Norden Deutschlands, also dort, wo der Regen hingehört, lässt die Sonne noch die trübseligsten Landschaften und Städte erstrahlen - ein Zustand, den die Leute im Süden nicht nur als ungerecht, sondern geradezu als naturwidrig empfingen. Eines steht jetzt schon fest: Der Mai und der Juni haben ihre Bestimmung, den Münchnern zu Sonnenbädern und Biergartenbesuchen zu verhelfen, in diesem Jahr fast gänzlich verfehlt.

Christian Vogler, der Wirt des Augustinerkellers in der Arnulfstraße, hat immerhin ein sonniges Gemüt, das ihn befähigt, auf die Frage, wie das Biergeschäft läuft, mit Ironie zu reagieren: "Super! Wir haben den Biergarten voll, die spielen alle Wasserball." Ein Geschäft ist das natürlich nicht, aber gottlob, sagt Vogler, habe die Augustinerbrauerei den alten Lagerkeller als Gastsaal ausgebaut, und der sei jeden Abend voll. 300 Plätze hat das Gewölbe, in dem einst das Märzenbier für den Sommer lagerte; im Biergarten hingegen könnten bis zu 5000 Menschen zechen.

Folglich muss Vogler mit Umsatzeinbußen rechnen, deswegen aber gehe die Welt nicht unter und er schon gar nicht: "So schlimm ist es noch nicht, dass ich mich aus dem Fenster stürze." Wäre ja auch übertrieben, denn noch hat er genug Gäste, die ihn über Wasser halten. Zum Beispiel den Herrn, der sich jetzt täglich im Augustinerkeller aufwärmt, weil in seiner Wohnung die Heizung heruntergedreht wurde - schließlich ist ja fast Sommer.

Apropos: Mit einer Hitzewelle wird sich der Sommer am 21. Juni wohl nicht einführen, allenfalls wird es ein bisschen wärmer. So prophezeit es der Diplom-Meteorologe Volker Wünsche vom Deutschen Wetterdienst. Tröstliches hat Wünsche aber auch parat, wenigstens für Münchner und andere Süddeutsche. Am Wochenende wird das Wetter auch im Norden schlecht, dann steht Deutschland wieder vereint im Regen.

Wie aber ist es mit dem derzeitigen Nord-Süd-Gefälle? Gilt es nicht eigentlich als gottgewollt, dass der Münchner Sommer italienisch daherkommt, mit viel Sonne, seidig-blauem Himmel und luftig bekleideten Menschen, während in Hamburg Schmuddelwetter herrscht und die Sylter Strände vom Sturmwind weggeblasen werden?

Und jetzt das: Sonne im Norden, Sauwetter im Süden. So ungewöhnlich sei das gar nicht, sagt Volker Wünsche, das komme immer wieder mal vor. Und was die durchschnittlichen Wetterwerte betreffe, seien die Unterschiede zwischen Nord und Süd gar nicht so groß. Derzeit liege nun mal Norddeutschland auf der Sonnenseite, was einer stabilen Hochdruckzone zu verdanken sei, die von Westeuropa bis Skandinavien reiche. Der Süden wiederum stehe unter dem Einfluss eines Tiefs, das leider auch sehr stabil ist. Es bringt Wolken mit sich, feuchte Luft und Regen, auch am Wochenende wird es kaum besser.

Im Übrigen erinnert Wünsche daran, dass im Volksmund nicht zufällig von Schafskälte und den Eisheiligen die Rede ist. Kälteeinbrüche im Mai oder Juni hat es schon immer gegeben, auch in der angeblich nördlichsten Stadt Italiens. Dennoch, so darf man hinzufügen, sind deren Bewohner mitunter persönlich beleidigt, wenn der Biergartenbesuch ins Wasser fällt. Manche gehen vor lauter Verdruss stattdessen ins Museum.

© SZ vom 18.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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