Radlstadt München:Der Narr ist los

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Es ist die Rede von "Witzfigur" und "Radlclown": Ein "Sicherheitsjoker" spricht Radler auf Münchens Straßen an, um über Verkehrssicherheit zu informieren. Die Opposition hält das für Geldverschwendung.

Marco Völklein

Klar, eigenartig sieht er aus, der Sicherheitsjoker. Mit seinem Narrenhelm und den orangefarbenen Streifen an seinem blauen Anzug. Aber irgendwie wirkt er auch: Bei seinem ersten Einsatz am Dienstagabend am Rotkreuzplatz verengt eine Baustelle vor einem Haus den Platz für Radler und Fußgänger. Ein Schild steht dort: "Radfahrer absteigen".

Unterwegs mit Narrenkappe, blauem Anzug und einem auffälligen Fahrrad: So wird der Sicherheitsjoker in den kommenden Wochen auf den Straßen der Stadt auf die Münchner zugehen - und versuchen, sie zu mehr Rücksicht im Straßenverkehr zu bewegen. (Foto: Stephan Rumpf)

Doch kaum ein Radler hält sich dran. Erst als der Sicherheitsjoker sich daneben postiert, sein "Obacht"-Schild in Form einer Sprechblase an einen Laternenmast hängt und mit seinem auffälligen Aussehen für Aufmerksamkeit bei Radlern und Passanten sorgt, bremsen die Radfahrer ab. Die meisten steigen vom Rad und schieben es durch den Engpass. Und manch einer lässt sich auch auf ein Gespräch ein.

"Genau das ist das Ziel", sagt Günther Baldauf, der zuletzt die vier Joker ausgebildet und verschiedene Spielszenen entwickelt hat, in denen die Joker auf die Menschen zugehen sollen. Der Joker soll nicht belehren oder bestrafen, sondern informieren und "die Menschen zum Nachdenken anregen über ihr eigenes Verhalten im Straßenverkehr", sagt Baldauf. Immer mit dabei bei jeder Aktion des Jokers ist ein Infostand, an dem weitere Mitarbeiter der Stadt und des Vereins Green City über Radverkehrssicherheit informieren sowie die Fahrräder einem Technikcheck unterziehen. Kleinere Reparaturen nehmen die Mitarbeiter sofort vor - und zwar kostenlos. Am Dienstag jedenfalls bildete sich schnell eine kleine Traube von Radfahrern vor dem Reparaturstand auf dem Rotkreuzplatz.

Der politische Streit um den Joker setzt sich indes weiter fort. Wie berichtet, will die Stadtspitze die Münchner dazu bringen, mehr mit dem Rad zu fahren. Neue Radwege und -streifen will die Stadtverwaltung bauen lassen, die Beschilderung soll verbessert werden - aber eben auch die Sicherheit für Radler wie Fußgänger. Der Sicherheitsjoker soll dabei helfen. Auf eine charmante Art soll er die Münchner zu mehr Rücksicht im Straßenverkehr ermuntern.

Als er jedoch im Frühjahr erstmals vorgestellt wurde, schoss sich die Opposition auf den Joker ein. Eine "Witzfigur" sei er, von einem "Radlclown" war die Rede. Rot-Grün versprach, das Joker-Konzept zu überarbeiten, vielleicht sogar auf die Narrenkappe zu verzichten, die für die Clown-Assoziationen gesorgt hatte. Die Kappe behält er nun weiter auf. Aber er wird anders auf die Münchner zugehen, verspricht Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle. Rund 30-mal werden die vier Schauspieler, die den Sicherheitsjoker mimen, heuer auf Münchens Straßen anzutreffen sein.

Die Münchner CSU kritisierte den Sicherheitsjoker am Mittwoch erneut. "Die Blamage geht ungehindert weiter", befand Fraktionschef Josef Schmid: "Nun wurde der Clown zum Joker und treibt sein Unwesen in noch übertriebenerem und lächerlicherem Outfit." Für ihn handelt es sich bei der Aktion um eine "unsinnige öffentliche Geldverbrennung" - denn zum einen lasse "das Kreisverwaltungsreferat den Radlclown mit Narrenkappe auf die Münchnerinnen und Münchner los", zum anderen aber "werden sie in demselben Referat künftig lange in der Warteschlange stehen, weil kein Geld für Personal da ist", so Schmid. Laut Kreisverwaltungsreferat kostet die Sicherheitsjoker-Aktion etwa 30.000 Euro im Jahr - insgesamt kalkuliert die Stadt für ihre Radverkehrsimagekampagne mit 980.000 Euro. In diesem Betrag enthalten ist zum Beispiel auch die Aktion "München sucht den Radlstar".

So ulkig der Sicherheitsjoker auch wirken mag - die Aktion hat einen ernsten Hintergrund: Pro Jahr kommen auf Münchens Straßen ein halbes Dutzend Radler ums Leben; 2100 werden verletzt. Zuletzt verzeichnete die Polizei eine steigende Zahl von Radlunfällen. "Am besten wäre es, überall einen Joker aufzustellen", sagt ein Passant am Rotkreuzplatz, der beobachtet, wie der Joker die Radler zum Absteigen bringt. Ein bisschen skeptisch ist er aber dennoch: "Noch wirksamer wäre wohl ein Polizist." Aber den an jede Ecke zu stellen, das gehe halt nicht.

© SZ vom 12.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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