Flüchtlinge in Pullach:Endlich wieder niedrige Decken

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Beim Herrichten der Räume bringt jeder der Flüchtlinge seine speziellen Fähigkeiten ein. (Foto: Claus Schunk)

Nach Monaten in einer Traglufthalle haben sich zehn junge Flüchtlinge mit Hilfe der Gemeinde und von Ehrenamtlichen in einem alten Holzhaus wohnlich eingerichtet. Doch der Mietvertrag endet im Dezember.

Von Melanie Artinger, Pullach

Zwei junge Menschen stehen zusammen in der Küche und kochen. Sie unterhalten sich und lachen. Aus dem Zimmer nebenan tönt Musik. Währenddessen wird im Gemeinschaftsraum zusammen gelernt oder eifrig auf dem Handy getippt. An der Wand hängt neben dem Kalender ein handgeschriebener Putzplan. So sieht der Alltag in einer Wohngemeinschaft aus - für die jungen Menschen in dem alten Holzhaus an der Flurstraße 16 in Pullach bedeutet der Einzug in eine WG jedoch nicht, der elterlichen Obhut zu entkommen. Für sie ist die Flurstraße 16 eine neue Heimat geworden. Zumindest vorübergehend.

Als kurzfristige Unterbringungsmöglichkeit für zehn Asylbewerber hat der Gemeinderat dies vor einigen Wochen in einer Sondersitzung beschlossen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) bereits alles in die Wege geleitet. Der Mietvertrag ist befristet bis zum Dezember dieses Jahres.

Die Bewohner waren schon einmal in Pullach untergebracht

Die neuen Bewohner sind in Pullach keine Unbekannten. Im vergangenen Sommer waren sie in der Mittelschulturnschulhalle untergebracht, bis sie in die Traglufthalle nach Oberhaching umgezogen sind. Während der Monate, die die jungen Männer dort verbrachten, haben sie mit einigen Mitgliedern des Pullacher Helferkreises engen Kontakt gehalten. Entsprechend froh war man beim Helferkreis, dass man gerade diese jungen Männer an der Flurstraße 16 unterbringen konnte. Es hat sich fast so etwas wie eine Patenschaft entwickelt.

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(Foto: Claus Schunk)

Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (oben mit fünf Bewohnern vor dem Haus an der Flurstraße) setzt auf die dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen.

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(Foto: Claus Schunk)

Zzehn junge Flüchtlinge haben geholfen, das Haus herzurichten, in dem sie jetzt wohnen.

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(Foto: Claus Schunk)

Sie haben eine Odyssee von Pullach (Turnhalle), Oberhaching (Traglufthalle) und jetzt wieder Pullach hinter sich.

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(Foto: Claus Schunk)

Dass sie jetzt wieder zurück nach Pullach dürfen, haben sie dem aktiven Helferkreis zu verdanken.

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(Foto: Claus Schunk)

Nach Wochen ohne Privatsphäre genießen die jungen Leute das Wohnhaus.

Das Ehepaar Hans-Werner und Fumiko Thürk kümmert sich um die Eritreer, Lutz und Ulrike Schonert haben engen Kontakt mit den Männern aus Afghanistan und Diane Herzfeld betreut die Senegalesen und Nigerianer. "Manchmal sagen sie sogar Mami und Papi zu uns", erzählt Ulrike Schonert. Doch auch untereinander unterstützen sich die Bewohner der neuen Wohngemeinschaft. Die vier Schlafzimmer, die Küche und der Aufenthaltsraum in dem Haus aus den Fünfzigerjahren haben die Asylbewerber gemeinsam mit Mitgliedern des Helferkreises wohnlich hergerichtet.

Jeder bringt seine Fähigkeiten ein

Die Möbel und die Küche wurden gespendet. Jeder hat sich bei der Renovierungsaktion so gut eingebracht, wie er kann. Die jungen Männer wussten, je schneller das Haus hergerichtet ist, desto schneller können sie aus der Traglufthalle ausziehen. Einer von ihnen ist gelernter Maler und hat sich um die Malerarbeiten gekümmert. Zusammen wurde abgeklebt und die Wohnung neu gestrichen. Ein anderer ist Schneidermeister. Er hat die Vorhänge gekürzt. Für den nächsten Tag hat er einen Bewerbungstermin in einer Änderungsschneiderei.

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Beim Schränketragen packten schließlich alle mit an. Für den Anschluss der Küche, der Waschmaschine und der Lampen waren vor allem die Mitglieder des Helferkreises gefragt. Es ist das erste Mal seit sie in Deutschland sind, dass die jungen Menschen eigenverantwortlich wohnen können. Anfangs hatten sie noch Probleme mit der Mülltrennung oder der Dosierung des Waschpulvers. Der nächste Supermarkt ist fußläufig erreichbar. Mit das Wichtigste für die Asylbewerber ist, dass sie nun wieder selbst kochen und sich so einen "Funken Heimat" schaffen können, weiß Diane Herzfeld vom Helferkreis.

Gekocht wird getrennt - zu unterschiedlich sind die Vorlieben

Wie unterschiedlich dabei die Geschmäcker sind, zeigt die wichtigste Regel im gemeinsamen Haushalt: Wer gekocht hat, räumt sofort wieder auf. Damit sich der nächste sein Lieblingsgericht zubereiten kann. Herzfeld betont, wie groß die Dankbarkeit ist. "Seit Jahren hatten diese jungen Männer keinen Heimathafen. Für sie bedeutet dieses Haus vor allem, dass sie sich wieder als Mensch fühlen können. Gerade mit seinen niedrigen Decken, die für die Jungs in positivem Kontrast zur Höhe der Traglufthalle stehen, gibt es ihnen nun ein Gefühl von angekommen sein."

Von den 100 Asylbewerbern, die im vergangen Sommer in der Mittelschulturnhalle lebten, konnte die Gemeinde insgesamt bereits etwa 20 dezentral unterbringen, an der Flurstraße und in privaten Appartements. "Man kommt also schon ganz schön weit mit dezentralen Unterbringungsmöglichkeiten", findet Tausendfreund. Wie viele junge Wohngemeinschaften planen auch die Bewohner der Flurstraße 16 eine Einweihungsfeier, zu der die Nachbarn eingeladen sind.

© SZ vom 02.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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