Wirtschaft:Spekulation über Verkauf heizt Chemiewerk-Debatte an

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Das Firmengelände von United Initiators in Pullach kann umgestaltet werden. (Foto: Sebastian Gabriel/)

Der Städtebauliche Vertrag zu den Erweiterungsplänen von United Initiators stößt auf Kritik. Außer über einen Bürgerentscheid diskutiert Pullach nun über mögliche neue Eigentümer.

Von Michael Morosow, Pullach

Eine offiziell nicht bestätigte Meldung über einen Verkauf von United Initiators liefert Wasser auf die Mühlen der Kritiker, die Erweiterungspläne stoppen wollen. Equistone Partners Europe, der Eigentümer des Chemiewerks, soll dieses sechs Jahre nach der Übernahme im Jahr 2016 wieder abstoßen wollen. Das Unternehmen schweigt dazu, dementiert aber auch nicht. "United Initiators will die Braut schmücken", unterstellt Christian Boeck, Sprecher der Bürgerinitiative "Schutz des Isartals", dem Unternehmen.

Derweil ist nach wie vor fraglich, ob das Bauleitverfahren für die Umbau- und Erweiterungspläne in der Julisitzung des Gemeinderats die letzte Hürde nehmen werden. Seit Freitag stehen, teils geschwärzt, Inhalte des mit Spannung erwarteten Städtebaulichen Vertrags zwischen Gemeinde und Unternehmen auf der Homepage des Pullacher Rathauses. Das Vertragswerk, so lässt sich jetzt schon sagen, trägt nicht zur Besänftigung der Kritiker des unter "Big Wings" laufenden Vorhabens bei. "Zu unkonkret, zu unverbindlich" seien die Zusagen von United Initiators, moniert Peter Kloeber, Sprecher der Pullacher Agenda.

Dass es überhaupt zu einer Beschlussfassung Ende Juli im Gemeinderat kommen wird, hängt im Wesentlichen davon ab, ob das Gremium das von der Bürgerinitiative angestrengte Bürgerbegehren gegen die Erweiterungspläne dieses Mal für zulässig erklärt, nachdem es im Vorjahr dagegen gestimmt hatte und vom Verwaltungsgericht und vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit formaljuristischen Begründungen Recht bekommen hatte. Boeck und eine Mitstreiter haben nun die gerichtlich beanstandete Fragestellung des Begehrens umformuliert, am Mittwoch eine Unterschriftenliste mit 773 Unterzeichnern im Rathaus abgegeben und damit vermutlich das Quorum von 700 erreicht.

Für den Fall, dass das Bürgerbegehren zugelassen wird, werde sie parallel dazu ein Ratsbegehren vorschlagen, sagte Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne). Wenn die Mehrheit gegen eine Zulassung stimme, würde den Antragstellern ein Zeitfenster eingeräumt, um die Entscheidung gerichtlich überprüfen zu lassen. "Keine Panik, wir werden die Rechte eines Bürgerbegehrens nicht verletzen und keine vollendeten Tatsachen schaffen", sagte die Rathauschefin. Zur Frage der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens werde in der kommenden Woche ein Beschlussvorschlag formuliert.

Photovoltaik am Dach weckt Befürchtung

"Unsere Tendenz ist klar: gegen eine eilige Entscheidung und dafür, den Bürger ernst zu nehmen", sagte Christine Eisenmann (CSU), deren Fraktionskollegen das ebenso sähen. Was sie auf den Straßen empfange, sei, dass das Thema ganz Pullach beschäftige, durch alle Schichten und parteiliche Anschauungen. Die CSU wird wie beim ersten Bürgerbegehren im Gemeinderat für eine Annahme stimmen, wie auch die beiden FDP-Vertreter. "Die Sache ist soweit, dass die Bürger entscheiden müssen", sagte Alexander Betz, dem der Städtebauliche Vertrag nicht recht gefallen will. "Da steht nur Unverbindliches drin, und was verbindlich ist, war eh klar", sagt der Freidemokrat. In einem wesentlichen Punkt enttäuscht zeigte sich auch Reinhard Vennekold von der vierköpfigen WIP-Fraktion.

Er hätte sich beim Thema Energie mehr Zugeständnisse von United Initiators gewünscht, er erwarte von einem großen Industrie-Unternehmen, dass es zu mehr Kompromissen bereit ist, allzumal in der heutigen Zeit. Und die im Städtebaulichen Vertrag geregelten Photovoltaikanlagen auf den Dächern des Unternehmens sehe er noch nicht. "Ich glaube nicht, dass das brandschutzrechtlich möglich ist auf Dächern eines hochexplosiven Chemiewerks", sagte Vennekold. Dem ersten Bürgerbegehren hatten von seiner Fraktion nur er und Angelika Metz zugestimmt, ob Cornelia Zechmeister und Johannes Schuster nunmehr bei geänderter Fragestellung dafür stimmten, werde sich zeigen. Eine Antwort auf diese Frage ließ auch Caroline Voit von der Fraktion Pullach plus offen.

Auch Holger Ptacek von der SPD hat nach eigenen Worten gehofft, dass mehrere Punkte im Vertrag geregelt werden. Aber wenn dieser abgelehnt würde, dann würde alles nach dem alten Bebauungsplan aus dem Jahr 1995 abgehandelt, und dann hätte die Gemeinde gar keinen Einfluss mehr. "Die Frage ist, ob wir mit der Wurst nach der Speckseite werfen sollen", sagte er und widersprach den Befürchtungen, durch einen Verkauf von United Initiators könnten alle Abmachungen null und nichtig werden. Auf das Bebauungsplanverfahren hätte ein Verkauf keinen Einfluss, "es geht um das Unternehmen, wer Eigentümer ist, spielt keine Rolle".

Agenda-Sprecher Peter Kloeber moniert neben "höchst unklaren Formulierungen" vor allem das Fehlen von konkreten und verbindlichen Vereinbarungen zu Mengenbeschränkungen in der Produktion und zum Umstieg auf erneuerbare Energien und Schiene im Städtebaulichen Vertrag. So stehe kein Wort zum Erhalt der 18 000 Quadratmeter großen Waldfläche im Süden des Werkes drin, kein Wort auch über die Verlagerung der Gefahrstofftransporte auf die Schiene.

Kennzeichnend für einen städtebaulichen Vertrag (SBV), wie ihn die Gemeinde Pullach und United Initiators (UI) ausgehandelt haben, ist in der Regel die Bereitschaft eines - zumeist privaten - Investors, Kosten für bestimmte städtebauliche Projekte zu übernehmen, um dafür im Gegenzug von einer Kommune Baurecht zu bekommen, etwa durch die Aufstellung eines Bebauungsplans. Im Pullacher Vertragswerk sind unter anderem Vorgaben für den Natur-, Arten- und Umweltschutz sowie Maßnahmen zum Verkehr und zur Energiegewinnung darin enthalten. Die UI habe sich verpflichtet, "die in diesem Vertrag übernommenen Pflichten und Bindungen ihrem jeweiligen Rechtsnachfolger im Eigentum der im Planungsgebiet befindlichen Flächen — jeweils mit Weitergabeverpflichtung - aufzuerlegen", teilt die Gemeinde mit.

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