Prozess:Fataler Streit um ein Handy

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Ein 22-Jähriger aus Afghanistan steht nach einer Messerattacke in einem Unterföhringer Flüchtlingsheim vor Gericht

Von Marie Heßlinger, Unterföhring

Nach einer Messerattacke in einer Unterföhringer Flüchtlingsunterkunft muss sich ein 22-Jähriger aus Afghanistan seit Montag vor dem Landgericht München verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm versuchten Totschlag, versuchte schwere räuberische Erpressung sowie gefährliche Körperverletzung vor.

Amir M. ist anerkannter Flüchtling und wohnte bis zu seiner Festnahme in einer Unterkunft in Unterföhring. Dort brach zwischen ihm und einem Mitbewohner, der ihm ein Smartphone verkauft hatte, am 4. August 2018 Streit aus: Der Identifizierungscode ließ sich nicht einrichten. Der Angeklagte wollte deshalb sein Geld zurück. Da sich der Verkäufer jedoch weigerte, das Handy zurückzunehmen, schlug M. laut Anklageschrift mit einer Eisenhantel auf dessen Oberschenkel. Anschließend soll er mit einem Klappmesser in den Rücken des Mitbewohners gestochen und gerufen haben: "Ich töte dich gleich jetzt, oder ich kassiere mein Geld von dir." Als drei anwesende Bewohner der Unterkunft versuchten, M. festzuhalten, soll er auch diese verletzt haben. Sie eilten daraufhin davon, um Hilfe zu holen. Einem von ihnen rannte M. laut Anklageschrift hinterher. Dieser soll sich in das Büro der Securitymitarbeiter geflüchtet und mithilfe zweier Helfer die Türe von innen zugehalten haben.

M. soll es dennoch geschafft haben, mit dem Messer in den Raum zu stürzen und den weggelaufenen Bewohner am Unterarm zu verletzen. Den beiden Helfern im Büro gelang es, M. festzuhalten und nach draußen zu führen. Seitdem sitzt M. in Untersuchungshaft. Der Verkäufer des Handys erlitt eine etwa zwei Zentimeter tiefe Schnittverletzung auf Nierenhöhe und war zwei Wochen krankgeschrieben.

M. räumt laut seiner Verteidigerin Birgit Schwerdt ein, das Messer geführt zu haben. Einen tödlichen Ausgang habe er jedoch nicht billigend in Kauf genommen. M. selbst wollte sich am Montag nicht zum Tathergang äußern, machte jedoch ausführliche Angaben zu seiner Person. Sein Vater ist demnach psychisch krank und arbeitsunfähig. Deshalb verdiente M. nach eigener Aussage seit seiner Kindheit Geld für seine Familie, webte Teppiche und arbeitete in einer Autowerkstatt. Wegen eines Erbschaftsstreits sei er 2015 über die Balkanroute nach Deutschland geflohen. Dort lebte er zunächst in Unterföhring und arbeitete in einem Fahrradunternehmen. Wegen seines hohen Drogenkonsums verbrachte M. 2017 eine Woche stationär in einer psychiatrischen Einrichtung. Anschließend, so gab M. an, habe er noch gelegentlich Kokain geschnupft.

Während der Verhandlung blickte Amir M. meist zu Boden. Konzentriert, den Kopf geneigt, sprach er leise zu seinem Dolmetscher. Die Verhandlung am Montag musste für eine Stunde unterbrochen werden, da die Richterin Elisabeth Ehrl um einen neuen Dolmetscher gebeten hatte, der simultan übersetzen könne. Vier weitere Verhandlungstage sind für den Prozess angesetzt. Das Urteil soll am Donnerstag, 13. Juni, fallen.

© SZ vom 04.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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