Tassilo-Preisträger:Erfolgreiche Schwegeljahre

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Gerd Pöllitsch hat die Garchinger Pfeifer vor 45 Jahren gemeinsam mit Herbert Grünwald gegründet. (Foto: Robert Haas)

Neben der Urform der Querflöte pflegen die Garchinger Pfeifer auch die Tradition anderer alter Volksmusikinstrumente.

Von Udo Watter, Garching

Das Reservoir an seltenem altbairischem Notenmaterial, aus dem die Garchinger Pfeifer dank jahrzehntelanger Recherche schöpfen, ist riesig, doch dieser eine Volkstanz sollte im Juli 2014 aus der Masse heraustreten und einen besonderen Namen erhalten: Nicht "Schicksals-Landler", "Dreher mit dem Paukenschlag" oder "Mondschein-Zwiefacher", sondern "Tassilo-Walzer". Gespielt haben ihn die Garchinger Pfeifer nämlich bei der Tassilo-Preisverleihung der SZ vor knapp zwei Jahren in Krailling, und das bis dato namenlose Stück wurde damals quasi via Schwegelpfeife, Bass und Violine getauft.

"Den ,Tassilo-Walzer' spielen wir noch oft", sagt Gerd Pöllitsch, der 1971 mit dem Flötensammler Herbert Grünwald die Garchinger Pfeifer gegründet hat. Gerade jetzt im Frühjahr hat das sechsköpfige Ensemble, das alte Musikerhandschriften wieder erklingen lässt - und zwar stilgerecht auf den seinerzeit gebräuchlichen Instrumenten wie Schwegelpfeife, Fozhobel (Panflöte) oder Drehleier - dazu viel Gelegenheit: Etliche Auftritte stehen an, ein Höhepunkt ist der "Tanz in den Mai" am 30. April im Garchinger "Neuwirt" und der "Bayerische Pfeifentag" im Wirtshaus auf dem Taubenberg am 1. Mai. "Das ist eine richtige Pfeifer-Börse. Da werden Instrumente gehandelt, Noten getauscht, Griffe gezeigt", erklärt Pöllitsch.

Der Tassilo-Saltarello harrt noch seiner Komposition

Gefreut haben sich die Garchinger Pfeifer über den Tassilo-Preis vor zwei Jahren auch insofern, als die Resonanz für ihre Art, Musik zu machen und auf nachgebauten Instrumenten vorzutragen, inzwischen eher gering ist. "Uns hat immer die Neugierde angetrieben und die Frage: Wie klingt Volksmusik mit alten Instrumenten?" Die Antwort ist: Reizvoll, aber nicht spektakulär, und einen vergleichbaren Trend wie in der Klassik à la "Historisch informierte Aufführungspraxis" gibt es in der Volksmusik nicht.

Die Auszeichnung zu erhalten, sei daher vor allem eine schöne Honorierung für das Engagement in einer Nische gewesen. "Wir haben jetzt dadurch nicht mehr Aufträge bekommen, aber es war vor allem innerhalb der Gruppe wichtig. Die Jungen haben neuen Ansporn bekommen. Und die Altpfeifer haben sich auch sehr gefreut." Einer ist zur Preisverleihung bis aus Italien angereist. In der Hochstimmung damals war sogar die Rede davon, ein neues, dem Anlass würdiges Stück zu komponieren.

Während der angedachte "Tassilo-Saltarello" nach mittelalterlichem Vorbild freilich noch auf seine kreative Erweckung wartet, hat Pöllitsch eine andere Ankündigung von damals wahr gemacht: Im Mai 2015 gab es in der Stadtbücherei ein kulturelles Gipfeltreffen mit vier Tassilo-Preisträgern aus Garching: Initiiert von Pöllitsch waren der Kirchenmusiker und Theatervereinsgründer Albert Neuhauser (2000), der ehemalige Büchereileiter Jürgen Heckel (2002) und der Fotograf und Kulturmacher Herbert Becke (2010) zu Gast - kein anderer Ort im Landkreis München hat eine vergleichbare Zahl an Gewinnern des SZ-Kulturpreises hervorgebracht.

Gerd Pöllitsch sucht in Archiven nach neuem Notenmaterial

Die Garchinger Granden treffen sich auch so noch ab und zu und schmieden sogar gemeinsame, ambitionierte Pläne. "Wir haben darüber nachgedacht, die Beggar's Opera im Original zu machen. Jeder von uns vier hätte sich einbringen können und das Römerhoftheater in Garching wäre auch geeignet." Gleichwohl ist das Projekt erst mal auf Eis gelegt. "Das wäre einfach ein Riesenaufwand, sowohl zeitlich als auch finanziell", sagt Pöllitsch.

Langweilig wird dem 74-Jährigen aber auch so nicht, nach wie vor geht der passionierte Flötist und Instrumentensammler in Archive und Museen, um in alten Handschriften neues Notenmaterial zu finden. In seinem Besitz sind ungefähr hundert Schwegelflöten - quasi die hölzerne Urform der Querflöte - und die älteste davon ist etwa 300 Jahre alt. Um den Nachwuchs bei den Pfeifern muss man sich auch nicht konkret Sorgen machen.

Im Ensemble spielen Musiker aus mehreren Generationen, wobei die jüngste, Anna-Maria Hefele, sich inzwischen einen Namen als Oberton-Sängerin gemacht hat und nicht mehr so viel Zeit für die Pfeifer aufbringen kann. Falls ein Nachwuchsflötist an der Garchinger Musikschule das Schwegel-Spielen lernen will, hat er dazu dank der dort unterrichtenden Altpfeiferin Agnes Fischer die Gelegenheit. Und wer weiß, vielleicht findet sich ja sogar noch jemand, der den "Tassilo-Saltarello" komponiert.

© SZ vom 23.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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