Pädagogik:Maria macht jetzt mit

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Die Gemeinde Taufkirchen unterstützt die Schulsozialarbeit jährlich aus eigenen Mitteln mit 140 000 Euro. Deren Arbeit erklärt der Pädagoge Paul Haas anhand eines realen Falls

Von Patrik Stäbler, Taufkirchen

Maria hat in der Grundschule Am Wald vom ersten Tag an Probleme gemacht. "Sie hat gespuckt, geschlagen, gekratzt und gebissen", berichtet Sozialpädagoge Paul Haas. Das Mädchen habe nicht auf Grenzen reagiert, eine geringe Aufmerksamkeitsspanne gehabt und nicht mit ihren Mitschülern in Kontakt treten können. "Sie war nicht beschulbar und hat den Unterricht massiv gestört", sagt Haas, der sich mit zwei Kolleginnen um die Jugendsozialarbeit an der Wald-Schule kümmert. Zu ihrer Arbeit gehören auch regelmäßige Berichte im Sozialausschuss des Gemeinderats, wo die Pädagogen zumeist allerlei Statistiken vortragen. Diesmal aber wolle er ihre Arbeit an einem Beispiel schildern, sagt Haas, an Maria Mustermann: "ein realer Fall, den wir anonymisiert haben".

Die Erstklässlerin habe schon im Kindergarten Auffälligkeiten gezeigt, in der Schule sei es dann nahtlos weiter gegangen. Und so wurde Maria für die Jugendsozialarbeit zu einem "intensiv kontinuierlichen Fall" - so heißt das in der Statistik. Bedeutet: "Es finden nicht nur ein paar Gespräche mit Kindern und Eltern statt, sondern wir betreuen diese Kinder intensiv über einen längeren Zeitraum", erklärt Haas. An der Grundschule Am Wald gebe es im Schnitt 20 solcher Fälle - pro Schuljahr.

Bei Maria fingen die Pädagogen damit an, dass sie sich schon eine Stunde vor Schulbeginn in der Frühbetreuung um das Mädchen kümmerten. "Dadurch war der Start in den Tag strukturierter", sagt Paul Haas. "Und erste Krisen sind bei uns passiert - nicht im Klassenzimmer." Überdies hospitierten die Sozialpädagogen in der Klasse und führten regelmäßige Gespräche mit Kind, Lehrkraft und Eltern. Nach einem halben Jahr habe man erfahren, dass Maria daheim geschlagen werde, sagt Haas. In der Folge schaltete die Jugendsozialarbeit das Jugendamt ein; zudem wurde der Mobile Sonderpädagogische Dienst hinzugezogen. Dank ihres Netzwerks konnten die Schulsozialarbeiter die Mutter an die Erziehungsberatungsstelle der Caritas vermitteln. Zudem willigten die Eltern ein, Maria von einem Psychotherapeuten untersuchen zu lassen. Und sie beantragten - mit den Sozialarbeitern - eine Schulbegleiterin, die das Mädchen im Unterricht unterstützt.

Es ist dies eine der zentralen Aufgaben der Jugendsozialarbeit an Schulen: Sie soll frühzeitig erkennen, welche Probleme es bei Kindern gibt, und den Eltern dann passende Hilfsangebote vermitteln. Insgesamt gab es im vergangenen Schuljahr an allen Schulen im Landkreis rund 100 Planstellen mit 3859 Einsatzstunden. Fast die Hälfte davon entfiel auf die 44 Grundschulen; dazu kamen je 1000 Einsatzstunden an 13 Mittelschulen und 14 Gymnasien. "Die Zahl der Jugendsozialarbeiter/innen ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen", teilt das Landratsamt mit. "Der Bedarf und die Akzeptanz an den Schulen haben sich weiter entwickelt und gefestigt."

Das wiederum kostet Geld: 3,7 Millionen Euro zahlt der Landkreis pro Schuljahr für die Jugendsozialarbeit an Schulen. Dabei werden die Kosten nur an den zwei Förderschulen komplett übernommen. Bei den übrigen Schulen teilen sich Kreis und Kommune oder Zweckverband je zur Hälfte die Gesamtkosten, die nicht durch Zuschüsse und Elternbeiträge abgedeckt sind. Wie viele Stellen der Landkreis an einer Schule bezuschusst, hängt ab von der Schülerzahl. Mehr als zwei werden jedoch nirgendwo gefördert. Mitunter springt daher die Gemeinde ein - so wie in Taufkirchen. Dort gibt es an der Grundschule Am Wald drei Pädagogen auf 2,5 Stellen; dazu kommen eine Dreiviertelstelle an der Grundschule an der Dorfstraße sowie je zwei Stellen an Real- und Mittelschule.

Für die Gemeinde bedeutet das pro Schuljahr Kosten von rund 140 000 Euro. Viel Geld, das jedoch sinnvoll eingesetzt sei - so beurteilen das mehrere Mitglieder im Sozialausschuss. Ihnen kann Paul Haas im Fall der Maria Mustermann von einem Happy End berichten. Ein Gutachten habe bei der Erstklässlerin eine Entwicklungsverzögerung sowie ADHS festgestellt, weshalb sie inzwischen Medikamente bekomme, berichtet der Pädagoge. Überdies erhält das Mädchen ein Konzentrationstraining, es wird von einer Schulbegleiterin unterstützt und besucht nach dem Unterricht eine heilpädagogische Tagesstätte. Die Mutter habe mittlerweile Hilfe vom Jugendamt in Anspruch genommen. All das habe dazu geführt, so Haas, dass sich die Situation merklich verbessert habe. "Nach zwei Schuljahren kann das Kind inzwischen am Unterricht teilnehmen, ist nur noch selten in Konflikte verwickelt, und es hat Freunde in der Klasse gefunden."

© SZ vom 22.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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