Ottobrunn:"Dann gehört uns das Ding aber"

Lesezeit: 3 min

Die ersten beiden Bauabschnitte der Josef-Seliger-Siedlung in Ottobrunn sind längst fertig und bezogen. (Foto: Claus Schunk)

In der Josef-Seliger-Siedlung soll auf Kosten der Gemeinde eine Kita entstehen, die Eigentum der Baugesellschaft München-Land bleibt. Das halten Kritiker für einen schlechten Deal.

Von Martin Mühlfenzl, Ottobrunn

Von kommendem Frühjahr an wird der letzte Abschnitt eines der wichtigsten Bauprojekte in der Gemeinde Ottobrunn in Angriff genommen: der dritte Bauabschnitt der Josef-Seliger-Siedlung an der Putzbrunner Straße mit sozial gefördertem Wohnraum. Die in den Fünfziger- und Sechzigerjahren erbaute Anlage wird seit Jahren in mehreren Etappen abgerissen und neu aufgebaut, zwei Abschnitte sind bereits fertiggestellt. Bis 2024 wird nun am dritten gearbeitet, dann sollen insgesamt 180 moderne und vor allem bezahlbare Wohnungen fertig sein - und eigentlich auch eine brandneue Kindertagesstätte mit einer Innenraumfläche von etwa tausend Quadratmetern. Doch genau um die gibt es Streit in der Gemeinde. Und nach der jüngsten Sitzung des Hauptausschusses des Gemeinderats ist vollkommen unklar, ob die Kita überhaupt kommt.

Die Gemeinde müsste die Kosten über ein Vierteljahrzehnt abstottern

Bauherr in der Josef-Seliger-Siedlung ist die Baugesellschaft München Land (BML), an der auch die Gemeinde Ottobrunn beteiligt ist. Eine Kooperation, die Ottobrunns Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) in den höchsten Tönen lobt - auch wenn es um den Bau der Kita in der Josef-Seliger-Siedlung geht. Eine günstigere Möglichkeit, an eine Kindertageseinrichtung zu kommen, gebe es nicht, sagte Loderer im Ausschuss über den Deal, den seine Verwaltung selbst mit der Baugesellschaft ausgehandelt hat. Etwa 9,7 Millionen Euro werden alleine für die Kita veranschlagt, abzüglich von etwa einer Million Euro an staatlichem Zuschuss. Die verbliebenen Baukosten soll die Gemeinde "abstottern", wie es Loderer ausdrückte - und zwar monatlich mit etwa 22 000 Euro, und das über 25 Jahre. Und genau so lang wird auch ein Nutzungsrecht der Räumlichkeiten für eine Kita eingeräumt. Danach - und das ließ einige Gemeinderäte erschreckt aufhorchen - wird sich der Bau weiterhin im Besitz der Baugesellschaft München-Land befinden. Und nicht der Gemeinde Ottobrunn gehören.

Dietrich Zeh von den Grünen versuchte sich an einem Vergleich. "Wenn ich für eine Million Euro eine Wohnung kaufe, sie dann vermiete, muss ich Zinsen zahlen, kriege aber eine Rendite und irgendwann gehört sie mir", sagt Zeh. Er verstehe daher das Konzept nicht, das die Gemeinde und die BML entwickelt haben. "Denn wir als Gemeinde haben dann ja nicht nur Zins und Tilgung bezahlt, sondern auch das Eigentum."

Ottobrunns Bürgermeister Thomas Loderer setzt sich vehement für die Kooperation mit der Baugesellschaft München-Land ein. (Foto: Claus Schunk)

Die Kita wird in der Kommune mit ihren bald 23 000 Einwohnern dringend gebraucht, Betreuungsplätze in Ottobrunn sind knapp. Zunächst war auch angedacht, auf dem sogenannten Johanniter-Grundstück, das sich in Besitz der Gemeinde befindet, selbst zu bauen; eine Idee, der Rathauschef Loderer zunächst sehr zugetan war, die er dann aber selbst wieder verwarf. Denn Grundstücke in Ottobrunn sind mehr als rar. Und es gehöre daher auch zur Aufgabe der Politik, nachfolgenden Entscheidern Möglichkeiten der Entfaltung - etwa mit dem freien Johanniter-Areal - zu hinterlassen, betonte Loderer noch einmal.

"Wir wollen als Gemeinde ja gar kein Eigentum", sagt Bürgermeister Loderer

Dass die Kita nach 25 Jahren nicht der Gemeinde gehören wird, pries der Bürgermeister in der Diskussion sogar als Vorteil. "Wir wollen ja als Gemeinde gar kein Eigentum", sagte Loderer. "Wir wollen ja die Nutzung haben." Und der Vorteil der Zusammenarbeit mit der BML sei, dass diese nicht "renditegetrieben" arbeite und keinen Gewinn machen wolle. Zudem, so Loderer, sei er überzeugt davon, dass es auch nach 25 Jahren eine vertrauensvolle Kooperation geben und die Baugesellschaft die Bedürfnisse der Gemeinde berücksichtigen werde.

Dem wollte und konnte sich Doris Popp von den Grünen nicht anschließen. Sie brachte ins Spiel, lieber selbst einen Kredit aufzunehmen und zu bauen. "Das kostet dasselbe, dann gehört uns das Ding aber", warf sie ein. Loderer aber verwies auf die extrem hohen Grundstückspreise in der Kommune und bezeichnete daher Eigentum als "eine Last" für die Gemeinde - "und wir haben diese Grundstücke in Ottobrunn nicht".

SPD-Fraktionschefin Ruth Markwart-Kunas sagte, sie könne sich "notgedrungen" schon mit der Idee anfreunden, die Räumlichkeiten der Kita zu finanzieren. Allerdings warf sie die Frage auf, ob der Nutzungszeitraum nicht verlängert werden könne. Zeit das auszuhandeln hat der Rathauschef von den Gemeinderäten bekommen, denn auf Markwart-Kunas' Intervention wurde eine Entscheidung über den Bau der Kita vertagt, die Fraktionen wollen noch einmal über das weitere Vorgehen beraten.

Dann werden auch die Kostensteigerungen beim Bau des gesamten dritten Abschnitts der Seliger-Siedlung eine Rolle spielen. Diese belaufen sich auf nahezu eine Million Euro, bedingt durch zusätzlichen Bedarf etwa in der Kita, aber auch durch höhere Baupreise. Diskutiert werden muss dann auch, um welchen Wert die Gemeinde ihre Stammeinlage bei der Baugesellschaft erhöht, über die auch der Mietpreis reguliert wird. Mit einer Einlage von 2,2 Millionen Euro könnte die Kaltmiete für die 16 Wohnungen in Abschnitt drei, deren Belegungsrecht bei der Gemeinde liegt, bei 10,95 Euro je Quadratmeter gedeckelt werden; bei einer Einlage von 1,45 Millionen Euro würde die Miete bei immer noch vergleichsweise günstigen zwölf Euro pro Quadratmeter liegen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: