Bürgerliches Engagement:Hilfe beim Ankommen in Deutschland

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Geschafft: Die neuen Kulturdolmetscher der Caritas freuen sich über ihre Zertifikate. (Foto: Sebastian Gabriel)

Zwölf weitere Kulturdolmetscher im Landkreis München erhalten in Ottobrunn ihre Zertifikate. Seit 2017 wurden bereits mehr als 130 Ehrenamtliche ausgebildet.

Von Narisara Behrends, Ottobrunn

Ein gemütlicher Abend unter Freunden: Ein Spanier kündigt an, nach Hause zu gehen, doch zwei Stunden später sitzt er immer noch am Tisch und führt angeregte Gespräche. Ein so langes Abschiedsritual mag Deutschen verwunderlich erscheinen. Sie würden sich eher kurz auf die Oberschenkel schlagen und sagen: "Ich muss jetzt los." Und dann auch wirklich aufstehen und gehen. Mit diesem Beispiel erklärt Elisabeth Stein die kulturellen Unterschiede, auf die Migranten und Migrantinnen treffen, die in Deutschland eine neue Heimat suchen.

Für sie könne es besonders anfangs herausfordernd sein, sich mit den kulturellen Unterschieden zwischen ihrem Herkunftsland und ihrer neuen Umgebung vertraut zu machen, sagt die stellvertretende Leiterin der Volkshochschule Südost. Dadurch komme es häufig zu Unsicherheiten und Missverständnissen. In solchen Situationen kann eine Person hilfreich sein, die mit beiden Kulturen vertraut ist und vermitteln kann. Genau hier setzt das Projekt Kulturdolmetscher an, das vom Landkreis München gefördert wird.

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Bettina Händel, Fachdienstleiterin für Bürgerliches Engagement des Landkreises und Mitarbeiterin der Caritas, bildet seit 2017 ehrenamtliche Kulturdolmetscher aus und ist seit einem Jahr für das Projekt zuständig. Die Aufgabe der Kulturdolmetscherinnen und Kulturdolmetscher besteht nicht nur darin, für Migranten und Migrantinnen zu übersetzen, sondern vor allem den Neuankömmlingen dabei zu helfen, sich in Deutschland besser zurechtzufinden. Ziel sei es, Menschen mit den jeweils anderen kulturellen Gepflogenheiten vertraut zu machen und dadurch ein sensibles Zusammenleben zu fördern.

"Die Motivation der meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer ist, anderen Menschen beim Ankommen in Deutschland zu helfen, zumal sie den Prozess aus eigener Erfahrung kennen", sagt Händel. Am Dienstag erhielten zwölf Teilnehmende des jüngsten Ausbildungskurses in einem festlichen Rahmen in Ottobrunn von der Caritas ein Zertifikat, das sie als ausgebildete Kulturdolmetscher ausweist.

An dem Kurs nehmen überwiegend bereits gut integrierte Migrantinnen und Migranten teil, deren Kontakte von verschiedenen Stellen an die Caritas weitergeleitet und empfohlen wurden. Wie lange sie bereits in Deutschland sind, variiert: Zwischen 40 und gerade einmal zwei Jahren leben die Kulturvermittler hierzulande. Die Weiterbildung zum Kulturdolmetscher dauert in der Regel sieben Wochen und findet halbjährlich abwechselnd im Norden und Süden des Landkreises München in Räumen der Volkshochschule statt. Auf dem Stundenplan stehen unter anderem Themen wie das deutsche Krankenkassensystem, Demokratie und spezifische Schuldnerthematiken. Die Module werden von Spezialisten auf den entsprechenden Gebieten referiert.

Es geht nicht nur um sprachliche, sondern auch kulturelle Vermittlung

Seit 2017 wurden bereits mehr als 130 Kulturdolmetscher in 40 verschiedenen Sprachen ausgebildet, darunter Arabisch, Russisch und Vietnamesisch. Die Ehrenamtlichen unterstützen zum Beispiel bei Behördengängen, Arztbesuchen, Elterngesprächen oder in Kindergärten. Auch Institutionen wie Schulen, Kitas oder Altenheime können an dem Projekt teilnehmen und bei der Caritas einen Einsatz von Kulturdolmetschern anfragen. Die Ehrenamtlichen werden meistens ein- bis dreimal im Monat eingesetzt.

Das Beispiel des Spaniers, der sein Heimgehen lange ankündigt, verdeutlicht, wie schwierig Kommunikation sein kann, selbst wenn man die selbe Sprache spricht. "Es geht meistens nicht nur um die sprachliche, sondern um eine kulturelle Vermittlung", erklärt VHS-Mitarbeiterin Elisabeth Stein. Als Beispiel schildert sie die Situation, in der sich eine Grundschullehrerin darüber ärgert, dass eine türkische Mutter nicht zur Elternsprechstunde kommt. Diese ist wiederum verwundert, da in der Türkei die schulische Ausbildung der Kinder nicht von den Eltern begleitet wird, sondern in Verantwortung der Schule liegt. "In solchen Situationen hat man dann mit Glück einen Kulturdolmetscher an seiner Seite", sagt Stein.

Interessierte, die sich über Ausbildung und Einsätze informieren wollen, können sich unter der Telefonnummer 0160 / 96 21 36 63 oder per E-Mail bei kulturdolmetscher-lkm@caritasmuenchen.org melden.

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