Oberschleißheim:Heimatmuseum weltweit

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Erich Fischer hat die Webseite des virtuellen Heimatmuseums gestaltet. (Foto: Stephan Rumpf)

Weil sie kein passendes Gebäude gefunden haben, präsentieren Erich Fischer und Otto Bürger die ortsgeschichtliche Sammlung der "Freunde von Schleißheim" im Internet. Und erreichen damit sogar Menschen in Amerika.

Von Gudrun Passarge, Oberschleißheim

Da gab es diesen Moment, als sich zwei ältere Männer auf die Schulter klopften, weil sie alles richtig gemacht hatten. In der Zeitung hatten sie gelesen, dass die Besucherzahlen von Heimatmuseen rückläufig seien, ein Problem, das Erich Fischer und Otto Bürger nicht haben, denn im Verein "Freunde von Schleißheim" haben sie rechtzeitig die Zeichen der Zeit erkannt und 2013 ein Heimatmuseum im Internet aufgebaut.

Geschichte und Geschichten per Mausklick sozusagen. Noch dazu mit weltweiter Präsenz, die ihnen jetzt sogar einen Kontakt mit einem Kunstmuseum aus Seattle einbrachte. Der Grund war eine nackte Frau namens "Stella", so jedenfalls lautet der Titel des Bildes, das sie zeigt.

Gemalt hat es Gustav Majer, genannt Schwabenmajer, über den Otto Bürger eine Schrift verfasst hat mit dem Titel: "Maler, Dichter, Lebenskünstler". Das Frye-ArtMuseum war interessiert an der Publikation. "Sie wollten sie kaufen", erzählt Bürger. Aber die Bezahlung per Kreditkarte war den Schleißheimern zu kompliziert, die Amerikaner bekamen das Büchlein umsonst und können jetzt nachlesen, was für ein Künstler und Mensch Gustav Majer war, dessen Bild sie bald in einer Ausstellung zeigen wollen.

Majer war in der Münchner Künstlergesellschaft "Allotria" aktiv, in der er gemeinsam mit Franz von Lenbach, Franz von Stuck, Wilhelm von Kaulbach, Gabriel von Seidl und vielen anderen wohl auch große Feste gefeiert hat. Majer kam aus Balingen und lebte später als Maler in der Münchner Schillerstraße, nach Schleißheim kam er erst gegen Ende seines Lebens.

Die Zeichnung zeigt den Maler Gustav Majer und stammt von einem Künstlerkollegen der "Allotria". Reproduktion: Stephan Rumpf (Foto: N/A)

Er hatte sein Atelier beim damaligen Braumeister des Remontebräus Adolf Hilg an der Dachauer Straße und wohnte in der Schlossgaststätte. Dort starb er auch im Jahr 1900, angeblich soll er noch das Götz-von-Berlichingen-Zitat ausgesprochen haben, bevor er seinen letzten Schnauferer tat, wie Bürger erzählt. Bei seiner Beerdigung in Hochmutting erwiesen ihm auch Lenbach, Rudolf Seitz und Stuck die letzte Ehre, so Bürger.

Der Ortschronist selbst hat es verpasst, ein Bild von Majer zu erwerben, zumal eines, das den Schleißheimer Kanal zeigte. Er hat bei einer Auktion mitgeboten. "Aber das hat mir jemand weggeschnappt", sagt er. Doch die Gemeinde hat noch zu DM-Zeiten ein Bild gekauft. Außer seiner Malerei muss der Schwabenmajer wohl ein Talent für die Dichtkunst gehabt haben.

So schrieb er etwa die humorige "Lenbachiade" zu dessen 50. Geburtstag und nahm auch die Vorliebe des Architekten Gabriel Seidl für Giebel aufs Korn, indem er ihn als "Gibi-Gabi" beschrieb. Auch seine Lebenseinstellung als nicht sehr wohlhabender Künstler hat er in einem Vers festgehalten: "Ich säe nicht, ich ernte nicht, und weiß doch auch zu leben. Kann ich für heute ein paar Groschen borgen, genügt mir dies, das weit're pump ich morgen."

Majer ist nur einer von etwa 70 Malern, die im virtuellen Heimatmuseum mit Text und Bildern bedacht sind. Fischer findet es selbst erstaunlich, was dieses Museum alles zu bieten hat: "Das können sie in einem realen Heimatmuseum gar nicht alles zeigen." Dabei war das durchaus mal der Plan. Bürgers Haus birgt eine Sammlung unterschiedlichster Themen aus der Geschichte Schleißheims.

Bücher, Ansichtskarten, Bilder, alte Karten stapeln sich hier, sind in Regalen und Kisten verstaut. Immer wieder gab es Hoffnung, es könnte doch mal ein Museum geben, wo man das alles zeigen könnte, so wie es die Satzung des Vereins auch vorsieht. Zuletzt hatte man laut Fischer den alten Bahnhof ins Auge gefasst. Aber nachdem dieser nicht an die Gemeinde, sondern an einen Investor verkauft worden ist, sind diese Pläne wieder hinfällig.

Ins Internet musste sich Erich Fischer erst reinfuchsen

Insofern war es wohl eine kluge Entscheidung, auf das Netz zu setzen, um Sehenswertes aus Oberschleißheim zu zeigen und die Geschichten dazu zu erzählen. Der Vorteil gegenüber einem realen Museum laut Bürger: "Das haben wir selber machen können. Das andere sind Sterne, die man sieht, aber man kommt nicht dran."

Das mit dem Selbermachen war allerdings auch nicht so einfach. Erich Fischer war früher technischer Leiter bei der Hubschrauberstaffel der Bundespolizei am Oberschleißheimer Flughafen. Ins Internet musste sich der heute 76-Jährige erst reinfuchsen. Er besuchte einen Kurs an der Volkshochschule und bekam Unterstützung von einem ehemaligen Kollegen, der ihm zeigte, wie man Webseiten gestaltet.

Das Ergebnis ist äußerst bemerkenswert. Wer unter Heimatmuseum Oberschleißheim sucht, landet auf der richtigen Seite. Sie zeigt den Grundriss des Schlosses Lustheim, in jedem Zimmer sind andere Themen untergebracht. Es ist eine Einladung zum Stöbern und Schmökern. Allein die vielen alten Ansichten sind einen Besuch dieses Museums wert.

Wo sonst würde man die Bruchlandung einer "Rumpler-Taube" auf dem Flughafen anschauen können. Oder Ansichten des im Zweiten Weltkriegs schwer beschädigten Alten Schlosses. Auch die Bilder erzählen Geschichten. Etwa die Präsentation einer Atomkanone mit einem amerikanischen Soldaten daneben am Flughafen, ein Foto aus dem Jahr 1961.

Beim Lesen erfährt der Besucher bestimmt einiges, das er vorher noch nicht gewusst hat. Sei es über das Kanalsystem und einen früheren Lagerhafen in Dirnismaning, oder zur Geschichte der Post, die eng mit der Bahn verknüpft war und deren erster Leiter 1860 der "Eisenbahn Stationseinnehmer" Max Bikard war.

Dass natürlich der Flughafen und die Schlösser ebenfalls breiten Raum einnehmen, versteht sich von selbst. Fischer hat es nach eigenen Angaben drei Jahre gekostet, alles einzuscannen und so aufzubereiten, wie es jetzt ist, eine Fundgrube an Informationen.

Und zwar nicht nur für die Oberschleißheimer, sondern für Interessierte aus aller Welt, wie die Anfrage aus Amerika zeigt. Die erfreut Fischer sehr. "Weißt was, wir fliegen da hin", schlägt er Otto Bürger vor. Das ginge allerdings nicht virtuell, dafür müssten die beiden schon in einen realen Flieger steigen.

© SZ vom 01.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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