Oberschleißheim:Firma ignoriert Naturschutz seit Jahren

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Das Grundstück nahe dem historischen Flugplatz darf gewerblich nicht genutzt werden. Doch Anordnungen des Landratsamts verhallen bisher. (Foto: privat)

Die Grünen fordern das Landratsamt auf, die widerrechtliche Nutzung einer Fläche als Lagerplatz zu beenden. Die Behörde verweist auf langwierige Verfahren.

Von Bernhard Lohr, Oberschleißheim

Seit Jahren gelingt es den Behörden nicht, einen in einem naturschutzrechtlich geschützten Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Gebiet bei Oberschleißheim eingerichteten illegalen Lagerplatz aufzulösen. Verfügungen liefen bislang trotz der Androhung von Zwangsgeldern ins Leere. Die Bauaufsicht im Landratsamt München räumt ein, dass der Eigentümer des Areals am historischen Flugplatz in Oberschleißheim Vorgaben nur zögerlich und teilweise umsetzt. Nun appellieren die Grünen an das Landratsamt als nächster staatlicher Aufsichtsbehörde sowie an das Rathaus, den Druck kräftig zu erhöhen. Und sie kündigen an, mit dem Fall beim bayerischen Umweltministerium vorstellig zu werden. Der Grünen-Landtagsabgeordnete Markus Büchler fordert mehr "Durchsetzungsfähigkeit" des Staates. "Muss eine Sauerei in Bayern nur groß genug sein, damit man damit durchkommt?", fragt der Politiker, der selbst in Oberschleißheim zuhause ist.

Die Angelegenheit ist bei den Behörden wohlbekannt und die Bemühungen, dort Recht durchzusetzen, sind gut dokumentiert. Und doch ist es dem Eigentümer gelungen, alle Verfahren über Jahre an sich abperlen zu lassen. Das Landratsamt bestätigt, dass es rechtlich ermöglich sei, "ein Verfahren beträchtlich zu verzögern", wenn der Eigentümer seine juristischen Möglichkeiten ausschöpft und bereit ist, die verhängten Zwangsgelder zu bezahlen.

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Um einen solchen Fall handelt es sich ganz offensichtlich in Oberschleißheim, wo sich dem Landratsamt zufolge der Lagerplatz "ungenehmigt entwickelt" hat. Die Behörde erließ, nachdem sie davon erfahren hatte, nach eigener Darstellung im Jahr 2020 eine bauaufsichtliche Anordnung und forderte die "vollständige Aufgabe der Lagernutzung". Auch Zwangsgelder habe man verhängt, die Verantwortlichen seien den Anordnungen dennoch bislang nur teilweise nachgekommen. Das Landratsamt erwägt nun weitere Maßnahmen. Welche dies sein werden, teilt die Behörde nicht mit.

Den Grünen im Oberschleißheimer Gemeinderat und den Landtagsabgeordneten Markus Büchler und Claudia Köhler geht das alles zu langsam. Sie fordern die Bauaufsicht im Landratsamt auf, das Gelände zu sperren und den alten, schützenswerten Zustand als Ersatzvornahme auf Kosten des Betreibers wiederherzustellen. Köhler beklagt eine "skandalöse Beschädigung eines wertvollen Schutzgebietes". Das Umweltministerium sei nun gefordert, um zu klären, wie eine "wertvolle Fläche eines FFH-Gebiets einfach skrupellos zerstört werden" könne.

Protestieren gegen den fortgesetzten Verstoß: Gemeinderat Fritz Kropp, Ortsvorsitzende Andrea Wörle, die Abgeordnete Claudia Köhler, Kreisrätin Helga Keller-Zenth und der Abgeordnete Markus Büchler (von links). (Foto: privat)

Büchler fordert eine Gleichbehandlung. "Bei jedem Häuslebauer, der seinen Wintergarten ohne Genehmigung zwei Zentimeter zu groß baut, ist der Teufel los." In einem Rechtsstaat müssten Regeln durchgesetzt und Umweltfrevel geahndet werden. Der Missstand in dem europarechtlich geschützten Naturraum hält nach Darstellung der Grünen bereits mindestens fünf Jahre an.

Die Gemeinde beteuert, sie habe keine Handhabe. Das sei allein Sache des Landratsamtes

Im Rathaus ist der Geduldsfaden ebenfalls am Reißen. Von dort heißt es, man habe die unrechtmäßige Nutzung der Bauaufsicht im Landratsamt "schon wiederholt" mitgeteilt. "Auch der Landrat wurde schon persönlich informiert." Als Gemeinde habe man keine Handhabe gegen den Betreiber des Lagerplatzes. Den Hebel habe alleine das Landratsamt in der Hand. Das Landratsamt wiederum verweist auf das rechtlich vorgegebene Verfahren, bei dem nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit gehandelt werden müsse - Schritt für Schritt: zunächst mit der Androhung, dann mit der Anordnung von Zwangsgeldern. Der Betroffene habe dabei jedes Mal die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen. Erst am Ende dieser "Eskalationskaskade", so das Landratsamt, habe man die Möglichkeit, eine Beseitigung auf dem Wege der sogenannten Ersatzvornahme in die Wege zu leiten und dem Eigentümer die Kosten aufzuerlegen.

Nach Ansicht von Markus Büchler darf die Behörde gerade im Umfeld des historischen Flugplatzes nicht länger zuschauen. In dem Naherholungsgebiet mit seinen asphaltierten Wegen seien viele Familien unterwegs sowie Radfahrer und Roller-Blader. Kinder aus dem Ort lernten dort Fahrradfahren, Lkw-Verkehr sei deshalb gefährlich. Dieser wurde laut Landratsamt zumindest reduziert. Das Gelände diene aufgrund einer Anordnung nicht mehr als Abstellplatz für Lastwagen. Bei Kontrollen habe man auf dem Areal keinen Betrieb und auch keinen Erschließungsverkehr festgestellt. Die Straße diene Anliegern als Erschließungsstraße. Eine Freizeitnutzung gebe der Behörde keine weiteren Möglichkeiten in die Hand.

Vom Eigentümer der Fläche - nach Informationen der SZ eine Immobilienfirma mit Sitz in Gräfelfing - war am Montag keine Stellungnahme zu bekommen.

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