Oberhaching:"Wir sind ein Kindergarten mit angeschlossenem Rathaus"

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Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) ist Vorsitzender des Regionalen Planungsverbands und sieht als solcher keine Alternative zu einer schnellen Energiewende, wenn man den Wohlstand sichern wolle. (Foto: Claus Schunk)

Bürgermeister Stefan Schelle erklärt bei der Bürgerversammlung mit launigen Worten, warum die Gemeinde gute Gründe für ihre Verschuldung hat.

Von Michael Morosow, Oberhaching

Als Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) bei der Bürgersammlung im November 2019 für die Besucher das Jahr Revue passieren ließ, waren das Coronavirus und der Ukraine-Krieg noch kein Thema. Wie sehr beide Ereignisse die Gemeinde und den Landkreis heute noch beschäftigen, das erfuhren am Montagabend bei der ersten Bürgerversammlung seither gut hundert Gäste im Bürgerhaus, für die Schelle dieses Mal gleich zweieinhalb Jahre Gemeindeleben zusammenfasste. Seine Zuhörer konnten nach drei Stunden mit der Gewissheit den Nachhauseweg antreten, dass sie aus Sicht der Polizei in einem "wirklich sicheren Ort" leben, die Gemeindekasse stimmt und die Energiewende voranschreitet, aber sich gerade beim Thema Verkehr altbekannte Ärgernisse seit 2019 nicht in Luft aufgelöst haben. "In zweieinhalb Jahren ist ein wenig viel zusammengekommen", sagte denn auch Schelle eingangs seiner Rede.

Der Bürgermeister erinnerte an die Zeit, da sich die Corona-Situation in Oberhaching zugespitzt hatte, sich Rat- und Hilflosigkeit in Wirtschaft und Politik breitgemacht und es viele Todesfälle im Ort gegeben hatte. Oberhaching befinde sich wie der Landkreis seit drei Jahren im Krisenmodus, sagte auch Landrat Christoph Göbel (CSU), der den Blick auf die aktuelle gemeinsame Herausforderung lenkte, die Unterbringung ukrainischer Flüchtlinge. Göbel unterstützte denn auch den Aufruf des Bürgermeisters, vorübergehend privaten Wohnraum für diese in Not geratenen Menschen bereitzustellen. Deren 5000 seien bereits im Landkreis angekommen, 4000 seien bislang privat untergekommen, berichtete Göbel.

"Wir haben relativ viel Schulden, aber mit relativ guter Begründung."

Dass der Kontostand der Gemeinde aktuell mit 50 Millionen Euro Schulden nicht gerade prickelnd ist, dafür hat Stefan Schelle eine Erklärung: "Wir haben relativ viel Schulden, aber mit relativ guter Begründung", sagte der Rathauschef und führte die zunehmend aufwendigere Kinderbetreuung sowie die hohen Kosten für den Ausbau der Geothermie an. "Wir sind ein Kindergarten mit angeschlossenem Rathaus", scherzte er. Den Beitrag der Gemeinde zur Klimaneutralität wusste sein Parteifreund Göbel zu würdigen. Der Landrat berichtete von "unglaublich vielen" Dienstaufsichtsbeschwerden gegen Schelle, die er zu Beginn des Fernwärmeausbaus in Oberhaching auf seinem Schreibtisch liegen gehabt habe. Die drei großen Handlungsfelder für die Energiewende - Wärmeversorgung, Mobilität und Strom - seien durch die Ukraine-Krise verschärft worden, sagte Schelle, weshalb ihn die stark gestiegene Nachfrage nach geothermischen Hausanschlüssen in seiner Gemeinde freue. "Die Zahl steigt dramatisch", sagte Schelle, worauf Beifall aufbrandete. Anders als die Landes-CSU setzt Schelle darüber hinaus auch auf die Windkraft: "Ohne die werden wir nicht klarkommen", so der Bürgermeister.

Breiten Raum räumte Schelle der Vorstellung der Pläne der Gemeinde für einen Schulcampus mit Fachoberschule und Realschule am Bahnhof ein, für den er mit einem Baubeginn 2023 rechnet. Aus dem Publikum meldete sich dazu Gerhard Jobst zu Wort. Er habe Angst, sagte er an Landrat Göbel gerichtet, dass das Projekt in Dimensionen lande, "dass einen friert", und schlug vor, den Bau von FOS und Realschule zu trennen, das heißt, die FOS im Gewerbegebiet, die Realschule am Bahnhof zu errichten. Dann bräuchte man zwei Mensen und zwei Turnhallen, Kreisausschuss, Zweckverband und Gemeinderat hätten einstimmig dagegen gestimmt, sagte Schelle.

Es vergeht keine Bürgerversammlung in Oberhaching ohne Wortmeldungen zu den vielen rasenden Radfahrern auf der Linienstraße bei der Kugler-Alm. Für den Bau einer Fahrradstraße gebe es keinen Platz, sagte Schelle, und der Leiter der Polizeiinspektion 35, Siegfried Graf, merkte an, dass man in München schlechte Erfahrungen mit Fahrradstraßen gemacht habe. Man werde aber wieder mehr kontrollieren und auch eine Schwerpunktaktion starten. Aber die Linienstraße sei halt kein Unfallschwerpunkt.

Im Zuge der Sanierung und Verbreiterung der Sauerlacher Straße parallel zu den Bahngleisen wird die Straße laut Schelle am Ende eine Ampel bekommen, er hoffe, dass die Arbeiten bis Dezember abgeschlossen seien. Bereits abgeschlossen ist die umfängliche Neugestaltung der Oberbiberger Ortsdurchfahrt. Anwohnerin Ann Marie Hollinger ist dabei nicht ganz zufrieden mit dem Ergebnis. "Es fühlt sich unfertig an", sagte sie und berichtete von fehlenden Gehsteigen und der Gefahr für Kinder, wenn sie die Straße zu Bushaltestelle überqueren wollen. Tempo 30 wäre gut, sagte sie. Man habe lange über eine Querungshilfe diskutiert, eventuell mit Ampel, aber dazu seien zu wenige Autos und Fußgänger unterwegs, die eine Ampel rechtfertigen würden.

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