Bundeswehruniversität Neubiberg:Müllabfuhr im Weltraum

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Etwas mehr als 6000 Tonnen Schrott fliegen durch den Weltraum, sie gefährden auch die zirka 1000 Satelliten. (Foto: dpa)

Susanne Peters erforscht an der Bundeswehruniversität Neubiberg, wie gefährlicher Weltraumschrott entsorgt werden kann. Statistisch gesehen gibt es alle fünf bis neun Jahre katastrophale Kollisionen.

Interview von Daniela Bode, Neubiberg

Eine Welt ohne Satelliten ist nicht mehr vorstellbar: Sie informieren über das aktuelle Wetter, unterstützen Helfer bei Naturkatastrophen oder ermöglichen eine gute Orientierung. Doch unkontrolliert schwebender Weltraumschrott kann die Flugkörper treffen und sie unbrauchbar machen.

Diplomingenieurin Susanne Peters, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Raumfahrttechnik und Weltraumnutzung an der Universität der Bundeswehr München in Neubiberg, erforscht, wie der Weltraumschrott entsorgt werden kann. Sie erhielt dafür ein Stipendium der Zonta International Foundation, das jedes Jahr nur an 35 Wissenschaftlerinnen weltweit vergeben wird.

SZ: Was fliegt denn alles an Schrott im Weltraum herum?

Susanne Peters: Als Schrott in dem Sinne bezeichnen wir die menschgemachten Objekte im All. Dazu zählen unter anderem Raketenoberstufen, Fragmente, durch Explosionen entstandene Kleinteile, aktive und inaktive Satelliten und missionsbezogener Weltraummüll.

Die Rede ist von mehr als 200 Millionen Trümmerteilen. Kommt das hin?

Diplomingenieurin Susanne Peters. (Foto: dpa/ESA)

Ja, es gibt etwa 17 000 bis 25 000 Objekte, die man verfolgt, und 300 Millionen Teile, die größer als ein Millimeter sind. Dabei sind die Objekte, die größer als zehn Zentimeter sind, also in der Größe einer Orange, in der Lage, einen Satelliten zu zerstören. Teilchen, die kleiner als ein Millimeter sind, führen zu Degradationen.

Welche Gefahr geht von den Teilen aus?

Es gibt eine direkte Gefahr, dass ein Satellit so getroffen wird, dass er nicht mehr funktionstüchtig ist. Das ist gleichzeitig eine indirekte Gefahr für den Menschen. Auf der Internationalen Raumstation gab es bereits 26 Vorfälle wegen Weltraumschrott. 23 Mal musste sie ausweichen und drei Mal musste die Crew zum Schutz in die Weltraumkapsel gebracht werden.

Es gibt auch den Fall unkontrollierter Wiedereintritte, bei denen Objekte beim Wiedereintritt nicht vollständig in der Atmosphäre verglühen und auf die Erde prallen.

Woran forschen Sie also, um den Weltraummüll zu entfernen?

Ich habe zuerst untersucht, wie groß die Weltraumrückstände sind, wo sie sich befinden und mir darauf aufbauend eine Mission überlegt, wie man die Kollisionswahrscheinlichkeit im Allgemeinen eingrenzen kann. Es gibt Richtlinien zum Ablassen von Treibstoff, um die Explosionsgefahr gering zu halten. Nach Untersuchungen steigt die Anzahl an Weltraumschrott auch, wenn alle Richtlinien befolgt werden. Simulationen zeigen, dass fünf bis 15 Objekte, bei denen eine hohe Kollisionswahrscheinlichkeit besteht, pro Jahr entfernt werden müssen. Diese Objekte sind meist schwerer als eine Tonne und haben eine Größe, bei der nicht garantiert werden kann, dass das Objekt bei Wiedereintritt vollständig verglüht. Daher sollte der Wiedereintritt kontrolliert erfolgen.

Wie soll das funktionieren?

Ein Hauptsatellit mit dem Namen ADReS-A, der kleine Kits, sprich kleine Raketenantriebe dabei hat, wird in einem Park-Orbit im Weltall in der Nähe von Zielobjekten wie ausrangierten Raketenoberstufen ausgesetzt. Der Satellit bringt eines der Kits zu einer Raketenoberstufe und befestigt es daran. Das Kit kontrolliert dann das De-Orbiten, ersetzt also den defekten Antrieb und bringt das aus dem Weltraum. Die Rückstände im All taumeln unkontrolliert. Eine der vielen Schwierigkeiten der Mission ist dementsprechend, das Objekt zu stabilisieren, das Kit zu befestigen und in einem Zustand zurückzulassen, dass das Kit sicher de-orbiten kann.

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Wann werden ADReS-A und die Kits den Weltraum säubern?

Meine Studie ist eine Machbarkeitsstudie, die vom Forschungsverein Munich Aerospace finanziert wird. Außerdem ist das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt beteiligt. Ein Kollege kümmert sich um die Navigation. Gebaut werden Satellit und Kits bisher nicht. Die fünf SL-8-Raketen, die ich herunterbringen würde, gehören der ehemaligen Sowjetunion (nun GUS), was die Mission politisch und juristisch anspruchsvoll macht. Es gibt aber bei der ESA (Europäische Raumfahrtbehörde) Bestrebungen, ein eigenes Objekt aus dem Weltall zu entfernen. Die Behörde spricht von 2023.

Was würde passieren, wenn all die Teile im Weltall blieben?

Die Statistiken sagen, dass es alle fünf bis neun Jahre katastrophale Kollisionen gibt. Wenn man nichts täte, würden es immer mehr werden. Die Satelliten dienen unter anderem der Forschung, um die Wetterlage zu beleuchten, für Erdbeobachtungen und der Kommunikation. Wenn man nichts dagegen unternimmt, wird das höchstwahrscheinlich unseren gewohnten Lebensstandard beeinträchtigen.

© SZ vom 04.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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