Neubiberg:Ein Gebetshaus für das Regenbogen-Bataillon

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Die kleine Kirche auf dem Campus der Bundeswehr-Universität wurde vor 70 Jahren von amerikanischen Soldaten gebaut. Daran erinnern unter anderem die Glasfenster.

Von Angela Boschert, Neubiberg

Für den jungen Piloten Norman C. Gaddis aus North Carolina war es eine Umstellung, als er 1949 nach Neubiberg kam. Hatten amerikanische Soldaten immer eine Kirche an ihrem Standort, mussten sie hier ihre Gottesdienste zunächst im Keller eines Kasernengebäudes abhalten. Denn eine Kirche fehlte auf dem Fliegerhorst.

Das sollte sich ändern. Auf Initiative amerikanischer Soldaten baute ein US Army Air Force Engineering Bataillon aus Erding in nur sechs Monaten die "Air Force Chapel Neubiberg". Der Kirche, die am 12. September 1949 eröffnet wurde, sieht man ihr amerikanisches Vorbild noch heute an: Der Kirchenbau ist innen im anglikanischen Stil gehalten, wie ein Bürogebäude mit einem Dachstuhl aus Holz, der ein bisschen an ein Schiff erinnert. Hinten im Chor stand ein einfacher Holzaltar, weit von den Gläubigen entfernt.

Nach der Übergabe des Fliegerhorstes an die Bundeswehr im Jahr 1958 diente die Kirche dem Luftwaffentransportgeschwader 61 der Luftwaffe als Gotteshaus. 15 Jahre später wurde die Hochschule der Bundeswehr auf dem ehemaligen Fliegerhorst gegründet. Der jetzt als Hochschulkirche bezeichnete Bau wurde zur geistlichen Heimat engagierter Studentengemeinden. 1981 erhielt die Bundeswehrhochschule den Status einer Universität, die Hochschulkirche wurde zur "Universitätskirche". Das ist sie bis heute und sie wird von Gläubigen aller Bekenntnisse besucht.

Schon seit Beginn an hat sie - anders als vergleichbare Kirchen etwa in Fürstenfeldbruck, Erding oder Landsberg am Lech - aufwendig verzierte Glasfenster, die eine oberbayerische Kunstglaserei gefertigt hat. Jedes der Fenster hat einerseits eine religiöse Bedeutung, andererseits eine für die amerikanische Einheit, die es gestiftet hat. Das halbrunde Fenster über dem Eingang der Kirche zeigt einen Regenbogen. Er erinnert zum einen an Noah, steht aber auch für die Soldaten aus allen Staaten der USA, die in Neubiberg Dienst taten. Sie nannten sich daher "Rainbow Bataillon".

Unter dem Regenbogen sind ein Alpha und ein Omega abgebildet, Anfang und Ende, zugleich das Zeichen für das Headquarter. Im kleinen Fenster links ist eine Lilie zu sehen. Sie ist das Symbol für Charity (Wohltätigkeit, Güte). Gegenüber befinden sich drei Rosen, die für tiefe Liebe und Ehre stehen. Unter religiösen Symbolen wie dem Kreuz oder dem "Auge der Vorsehung" finden sich die Namen der Geschwader, die für das jeweilige Fenster gespendet haben. Ein Fenster ziert die Menora, der siebenarmige jüdische Leuchter. Denn auch jüdische Soldaten, die zur Einheit gehörten, haben die Kirche zum Gebet genutzt, wie Norman C. Gaddis erzählte, als er 2010 anlässlich der Wiedereröffnung der Kirche nach ihrer Renovierung nach Neubiberg gekommen war.

Die Glasfenster erinnern an die amerikanischen Erbauer. (Foto: Claus Schunk)

Norman C. Gaddis brachte die Kopie eines Aquarells mit, das die Chapel Neubiberg zeigt, wie sie der Soldat John Pike im Jahre 1954 empfunden hat. Ein Flugzeug zischt am Kirchendach vorbei, unmittelbar dahinter sind die Alpen zu sehen. Das entspricht nicht ganz der Wirklichkeit, gut erkennt man aber, dass der Kirchenbau im Grunde bis heute unverändert ist. Außen herum hat sich jedoch viel verändert - wo sich damals ein großer weiter Platz vor der Kirche öffnete, befindet sich heute das Sportzentrum.

Bei der Renovierung, die nach mehreren Anläufen 2010 endlich vorgenommen wurde, wurden nicht nur der Kirchenraum geweißelt und die Bänke ausgetauscht, sondern vor allem der abgeschottete Altarraum zur Kirche hin geöffnet. Auch setzten die damals neue evangelische Militärpfarrerin Barbara Hepp und der katholische Dekan Anton Tischinger ein deutliches Zeichen für die Ökumene: Sie ordneten die vier liturgischen Elemente über Kreuz an.

Dabei stehen Buchstele und Ambo für die Bedeutung des Wortes in der evangelischen Kirche, Taufbecken und Tabernakel für das Sakrament als wesentliches Element in der katholischen Kirche. In deren Mitte steht der Altar. Zugleich verweist das Material der liturgischen Elemente, Stein und geflämmter Stahl, auf den Militärcampus als Standort der Kirche. Der hohe Kirchenraum sei charakterisiert durch "das Ökumenische und die angenehme Schlichtheit", sind sich Hepp und der jetzige katholische Militärdekan Michael Gmelch einig.

Wiederum auf Initiative von Soldaten wurde vor zwei Jahren die Totengedenkstätte in der Nähe des Kircheneingangs eingerichtet. Im Totenbuch stehen alle Soldaten und Beschäftigten der heutigen Universität der Bundeswehr, die seit 1959 im Rahmen ihres Dienstes oder ihrer Tätigkeit gestorben sind. Die Initiative für die Gedenkstätte sei aus der Gemeinschaft gekommen und sie sei ausschließlich aus Spenden von Angehörigen und Soldaten finanziert worden, betont Hepp. Auf der anderen Seite des Kircheneingangs gibt es einen Ort, der an die "Klagemauer" erinnert. Dort kann man Zettel mit Wünschen in die Ritzen stecken. Es sind viele Zettel, die alle ungelesen ins Osterfeuer gegeben werden. Die Wünsche steigen so zum Himmel auf.

Die Unikirche soll nicht nur Gläubigen Halt bieten, sondern auch Studenten, die wieder in Kontakt mit der Kirche kommen wollen. "Ihnen versuchen wir eine geistliche Heimat zu geben", betont die aus Putzbrunn stammende Hepp. "Wir wollen mit unseren Angeboten und Aktivitäten kleine Anker werfen", ergänzt Gmelch.

© SZ vom 10.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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