Münchens Rathauskoalition:Zeichen des Verblühens

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Der Klinik-Skandal und die Olympia-Bewerbung bringen die rot-grüne Koalition im Münchner Rathaus in die Defensive - nach 20 Jahren an der Macht geht dem Bündnis allmählich die Kraft aus.

Peter Fahrenholz

Vom ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti stammt das Bonmot, Macht verschleiße vor allem den, der sie nicht habe. Davon kann die CSU in München ebenso ein Lied singen wie die SPD auf Landesebene. Beide warten schon ewig auf die Macht, und das Warten hat sie nicht stärker gemacht.

20 Jahre Rot-Grün im Münchner Rathaus, 2010 Bürgermeister Hep Monatzeder (Grüne, l.) und Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) bei der Feier im Alten Rathaussaal zum 20-jährigen Bestehen des rot-grünen Bündnisses im Münchner Rathaus. (Foto: sz.sonstige)

Dass Macht natürlich auch den auszehrt, der sie hat, merkt man erst nach einer ganzen Weile. Helmut Kohl war 16 Jahre Bundeskanzler und gegen Ende legte sich seine Regentschaft wie Mehltau über das Land. In München regiert Christian Ude jetzt bereits ein Jahr länger als Kohl, und die rot-grüne Mehrheit im Rathaus bestimmt sogar schon seit 1990 die Geschicke der Stadt - seit 20 Jahren. Die Schattenseiten dieser schier endlosen Machtausübung sind nie so deutlich zu Tage getreten wie in der vergangenen Woche. Zwei Ereignisse, die nichts miteinander zu tun haben, der Klinik-Skandal und die Pannen bei der Münchner Olympia-Bewerbung, haben nicht nur offengelegt, wie ungeniert von der langen Vorherrschaft Gebrauch gemacht wurde, sondern auch, wie sehr der Elan der ersten Jahre nachgelassen hat. Es sind Zeichen des Verblühens, zum ersten Mal seit vielen Jahren befindet sich das rot-grüne Rathausbündnis in der Defensive.

Die politischen Facetten des Klinik-Skandals reichen dabei weit über hygienische Unzulänglichkeiten hinaus. Dass verschmutzte OP-Bestecke im Umlauf waren und diese Tatsache von den Verantwortlichen bewusst verschwiegen wurde, ist sozusagen nur die Vorderseite des Skandals. Die Rückseite ist, wie rücksichtslos die rot-grüne Mehrheit bei wichtigen Personalentscheidungen ihre Vorlieben durchgesetzt hat und wie nonchalant die Kritik daran von der Stadtspitze abgetan wurde. Dass der Oberbürgermeister heute zugeben muss, der mittlerweile suspendierte Klinik-Geschäftsführer Reinhard Fuß sei schon bei seiner Berufung ein gewisses Risiko gewesen und man habe gehofft, er werde es schon lernen, zeigt vor allem eines: Fachlich hätte der Mann nicht berufen werden dürfen, aber er war halt der Wunschkandidat des grünen Koalitionspartners. Hinweise von Ärzten, die die Zusammensetzung der Klinik-Geschäftsführung kritisierten, wurden mit höflichem Desinteresse beiseite gelegt. Und dass Hep Monatzeder, der Dritte Bürgermeister und Klinik-Aufsichtsratschef, einfach vergessen haben will, dass sich damals auch Ärzte beworben haben, obwohl er tagelang Zeit hatte, sich alle Akten und Sitzungsprotokolle vorlegen lassen, zeigt ein Maß an Fahrlässigkeit, das an Hybris grenzt. Offenbar sind Münchens rot-grüne Regenten fest von der eigenen Unverwundbarkeit überzeugt.

Bei der Olympia-Kandidatur ist der Fall anders gelagert. Hier liegen die Probleme nicht in München. Eine ganz große Koalition will die Spiele. Das ist schön für München, nützt aber nichts. Denn ohne die Garmischer Bauern wird es auch keine Münchner Spiele geben. Es läge also im Interesse Stadt, sich mit allen Kräften darum zu bemühen, den störrischen Kompagnon zu überzeugen. Doch München ergibt sich ganz jener anstrengungslosen Selbstverliebtheit, zu der die Stadt ohnehin neigt. So als ob Olympia ein Geschenk wäre, das die Welt der Stadt irgendwie schuldet.

Rot-Grün hat es lange Jahre leicht gehabt, zu leicht. Das lag zum einen am maroden Zustand der CSU, die meist mit sich selbst beschäftigt war. Zum anderen hat die dominierende Figur des Oberbürgermeisters von vielen Schwächen abgelenkt. Dank Udes Strahlkraft hat es so gut wie keine Rolle gespielt, dass nicht jeder städtische Referent ein Glücksgriff war. Oder dass es in kaum einer anderen Großstadt so schwer ist, einen Kindergartenplatz zu bekommen, und die S-Bahn auch nach mehr als 40 Jahren immer noch nicht pünktlich fährt. Doch das nächste Mal wird Ude nicht mehr zu Verfügung stehen, dann müssen die rot-grünen Protagonisten eine Idee zu bieten haben, warum man sie noch einmal wählen sollte. Das Beruhigende für die Machthaber im Rathaus ist: Bis dahin sind es noch vier Jahre. Aber das ist zugleich das Beunruhigende. Denn vier Jahre sind eine verdammt lange Zeit für ein Bündnis, dem allmählich die Kraft ausgeht.

© SZ vom 19.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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