München/Unterschleißheim:Alles auf Anfang

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Die schwarz-rote Rathauskoalition in München will im Verfahren zur Ausweisung des Naturschutzgebietes "Südliche Fröttmaninger Heide" Auflagen verhindern. Beteiligte des Bürgerdialogs sprechen von einer "Katastrophe"

Von Thomas Kronewiter und Stefan Mühleisen, München/Unterschleißheim

Zunächst sah es nach einer Hauruck-Aktion der CSU-Stadtratsfraktion aus - doch nun zeichnet sich ab, dass die schwarz-rote Rathauskoalition im Verfahren zur Ausweisung des Naturschutzgebietes "Südliche Fröttmaninger Heide" gemeinsam Auflagen verhindern will. Die Stadtpolitik löst damit, zweieinhalb Jahre nach dem Start eines Bürgerdialogs, nicht nur bei Nachbarn des Biotops Verärgerung aus. Eine Beteiligte des Dialogs spricht von einer "Katastrophe".

So steht noch eine Extrarunde im schier endlosen Ringen um Kompromisse für das 334 Hektar große Gebiet im Münchner Norden an. Seit Jahren läuft eine zermürbende Debatte unter Anwohnern, Naturschutzexperten, Regierungsvertretern und dem Heideflächenverein. Es geht darum, wie einerseits die Natur geschützt werden kann, andererseits aber auch die Erholungssuchenden zu ihrem Recht kommen können. Gut zwei Jahre lang redeten sich die Beteiligten in einem Bürgerdialog die Köpfe heiß - bis Anfang Mai dieses Jahres ein Kompromisspapier auf dem Tisch lag: Das Gebiet zwischen der Münchner Stadtgrenze in Freimann und den Kommunen Ober- und Unterschleißheim, Garching, Eching und Neufahrn soll in vier Zonen eingeteilt werden. Alle diese Städte und Gemeinden sind mit den Landkreisen München und Freising Mitglieder des Heideflächenvereins, des Eigentümers der Flächen. In manchen Zonen soll ein striktes Betretungsverbot herrschen, in anderen haben nur Hunde keinen Zutritt. Die Regeln sind strikt: Der Verordnungsentwurf sieht Bußgelder von bis zu 25 000 Euro für unberechtigtes Gassigehen vor.

Für die Stadtpolitik wird das Thema jetzt aktuell, weil München als Kommune die offizielle Stellungnahme zum Verfahren abgeben soll; die Regierung von Oberbayern hat dafür eine Fristverlängerung bis Ende Oktober gewährt. Die CSU preschte bereits mit einem Antrag vor. Der Fraktion stößt auf, dass es ausgerechnet an der südlichen Heidegrenze, unmittelbar vor den Balkonen der Wohnbevölkerung, nur einen schmalen Betretungsstreifen geben soll. "Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen, die am Rande der Heide wohnen, Möglichkeiten für verträgliche Naherholung haben", sagt CSU-Stadträtin Evelyne Menges und betont: "Wir stellen nicht das Regelwerk in Frage, es geht uns um die Feinjustierung." Sie fordert mindestens einen Streifen von 300 Metern, der frei betretbar ist und will die drakonischen Bußgelder streichen. Dieser Auffassung ist auch SPD-Stadtrat Klaus Rupp, der wie Menges als Emissär die Stadt im Heideflächenverein vertritt. "Wir brauchen eine Reglementierung, aber diese übermäßigen Verbote sind nicht sinnvoll." Er lässt wie Menges erkennen, dass die Koalitionäre eine einheitliche Gangart finden wollen: "Die Stadt muss hier mit einer Stimme sprechen." Im September soll der Planungsausschuss einen Beschluss fassen.

Menges' Stimme hat zuletzt die Partner allerdings ziemlich geschockt, als sie ihre Position kürzlich in einer Sitzung des Heideflächenvereins darlegte. Er sei "erschüttert über das Vorgehen der Landeshauptstadt", sagte der Freisinger Kreisrat Rainer Schneider (parteifrei). Und auch die Beteiligten der jahrelangen Workshop-Phase sind alles andere als begeistert. Ingrid Kirchleitner aus der Freimanner Gruson-Siedlung, eine der Initiatoren der Facebook-Gruppe "Freunde der Fröttmaninger Heide", nennt es eine Katastrophe. Erst habe man in "extrem aufwendiger Weise" den Bürgerwillen ermittelt. "Ist das Ergebnis dann nicht das, was ich mir vorgestellt habe, kippe ich das", wundert sich Kirchleitner. Das Ergebnis intensivster Beratungen sei ein Kompromiss gewesen, sozusagen "der kleinste gemeinsame Nenner". Da habe jeder Abstriche gemacht - sie selbst auch. Meggy Rabbithead, vermutlich eine Anwohnerin, die sich diesen Facebook-Namen zugelegt hat, findet es dagegen "gut, das sich Frau Menges für uns Freimanner einsetzt: "Der Heideflächenverein ist schon etwas realitätsfern, wenn er denkt, dass sich alle Anwohner auf den zehn Prozent der Heide tummeln werden, die zur freien Nutzung vorgesehen sind".

Dessen Moderator Kai Elmauer sieht zwar nicht den ganzen Dialogprozess in Frage gestellt. Doch hätte er sich gewünscht, dass sich die Politik mehr mit den Grundlagen der Debatte befasst hätte. Ein 300-Meter-Streifen am Siedlungsrand greife das eigentliche Interesse der Menschen gar nicht auf, die sich steten Zugang zur freien Landschaft wünschten: "Da hat sich jemand etwas vorschnell ausgedacht, ohne sich mit den Interessen der Bevölkerung auseinanderzusetzen." Gerade im Münchner Norden, dessen Bürger eine lange Geschichte mit politischen Entscheidungen verbindet, die auf ihrem Rücken ausgetragen worden seien, sei es nicht die richtige Maßnahme, da jetzt "drüberzubügeln", sagte Elmauer.

© SZ vom 21.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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