München:Ganz schön beschränkt

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Im Landkreis gibt es immer noch zahlreiche Bahnschranken. Das wird auch so bleiben

Von Daniela Bode

Man steht an der Schranke, stellt den Motor ab und wartet. Und wartet. Nach fünf Minuten, einer gefühlten Ewigkeit, fährt eine S-Bahn vorbei. Kann man die Schließzeiten nicht verkürzen oder mit Unterführungen und Brücken Abhilfe schaffen? Sind Schranken nicht sogar veraltet? Das dürfte sich jeder schon einmal gefragt haben, wenn er an einem Bahnübergang hielt. Kein Wunder also, dass in vielen Gemeinden immer wieder der Wunsch nach Unter- oder Überführungen laut wird.

Im Landkreis München gibt es noch zahlreiche Bahnschranken. Laut einem Bahn-Sprecher sind es im gesamten S-Bahnbereich München noch 95. Hinzu kommen fünf Übergänge mit Signalen und 32 kleinere, ungesicherte Überwege. Die Süddeutsche Zeitung hat sich ein paar Übergänge genauer angesehen.

Beispielsweise in Neubiberg. Dort ist die Schranke an der Hauptstraße seit vielen Jahren ein leidiges Thema. "Man steht hier bis zu fünf Minuten. Das nervt einige Leute schon", sagt Rainer Gränzer von der lokalen Agenda, der sich auch in der Initiative S7 Ost Plus engagiert. Sie setzt sich unter anderem für einen zweigleisigen Ausbau der S7 Richtung Aying ein. Bernhard Rott, Fraktionssprecher der örtlichen CSU, hat nach eigenen Worten schon "fünf bis zehn Minuten" an der Schranke gewartet. "Wenn Rettungsfahrzeuge bei einem Notfall ausrücken müssen, ist das tödlich", gibt er zu bedenken.

Beschränkt: Bahnübergänge, wie hier am Gut Freiheim, wird es auch in Zukunft im Landkreis geben. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Auf Antrag der CSU hat der Gemeinderat unlängst beschlossen, im aktuellen Haushalt 20 000 Euro für eine Machbarkeitsstudie einzustellen, in der geprüft werden soll, ob und wie eine Unterführung an der Stelle zu verwirklichen wäre. Die CSU hatte das Thema schon in der Vergangenheit immer wieder ins Spiel gebracht. Weil die Strecke vor und nach dem Bahnhof eingleisig ist und sich Züge in kurzen Abständen begegnen, bleibt die Schranke oft lange geschlossen.

Das führt auch in Höhenkirchen-Siegertsbrunn zu langen Wartezeiten an den Übergängen in der Bahnhofstraße und im Kirchenweg. "Alle 20 Minuten ist hier für fünf Minuten Stopp. Das stört die Bürger schon", sagt Bürgermeisterin Ursula Mayer (CSU). In der Rushhour von 16 bis 17.30 Uhr stauten sich die Autos bis zur Friedenseiche und zum Ortskern von Siegertsbrunn. Von einer Taktverdichtung bei der S-Bahn hält Mayer daher nicht viel: "Das würde bei uns wahrscheinlich den Kollaps herbeiführen." Von einer Unterführung hatte die Gemeinde in den Neunzigerjahren Abstand genommen, weil die Anfahrtsrampe so lang sein müsste, dass mehrere Häuser an der Bahnhofstraße mit einer Parallelstraße angeschlossen werden müssten.

In Oberschleißheim ist besonders der beschrankte Bahnübergang an der Bundesstraße 471, die dort Dachauer Straße heißt, den Bürgern ein Dorn im Auge. Es gibt viel Autoverkehr und es fahren viele Züge: die S1, Güterzüge und Fernzüge. Laut einem Gutachten, aus dem Peter Benthues zitiert, sind es 320 Züge am Tag. Die Folge: Die Schranken sind 16 von 24 Stunden geschlossen. Benthues ist Vorsitzender der Bürgerinitiative "Bahn im Tunnel". Sie kämpft seit 25 Jahren dafür, dass die Gleise wegen der Staus auf der B 471 in Oberschleißheim, Unterschleißheim, Eching und Neufahrn in einen Tunnel gelegt werden. Unter anderem auf Initiative der zweiten Bürgermeisterin Angelika Kühlewein (CSU) hin ist in die Wege geleitet, dass die Gespräche über eine Tieferlegung der Bahn wieder in Gang kommen und unter dem Dach des Landratsamts eine Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2010 fortgeschrieben werden soll.

"Finanziell ist es unmöglich, mittelfristig alle Bahnübergänge technisch zu sichern, geschweige denn durch Unter- oder Überführungen zu sichern", heißt es seitens der Bahn. Dabei tragen die Bahn, der Bund und der Straßenbaulastträger je ein Drittel der Kosten. Bei der Beurteilung, wie ein Bahnübergang zu sichern ist, gelten folgende Kriterien: die Anzahl und Geschwindigkeit der Züge auf der Schiene sowie der Autos auf der Straße. Auch die Zahl der Unfälle, die sich ereigneten, spielt eine Rolle.

In Pullach bedienten gar noch bis 2013 Schrankenwärter die zwei Schließanlagen an der Pater-Rupert-Mayer- und Münchener Straße - es waren die letzten Schrankenwärter im Landkreis. Doch auch seither müssen die Pullacher viel Geduld aufbringen. Von einer Verkürzung der Wartezeiten ist trotz Automatisierung nicht viel zu merken. Laut Jürgen Weiß, dem Leiter der Bauverwaltung im Rathaus, ist ein Problem, dass 2013 die S20 dazukam, die morgens und abends zwischen Pasing und Höllriegelskreuth verkehrt. "Man steht vier bis fünf Minuten an der Schranke, wenn sich zwei Züge begegnen sieben bis acht Minuten", hat er gemessen. Es sei sogar so, dass die Schranke an der Jaiserstraße sich bereits schließe, wenn die S7 von Süden in Höllriegelskreuth einfahre. Mitarbeiter hätten das vor zwei Jahren selbst überprüft.

Die Deutsche Bahn bestätigt das im Großen und Ganzen. Die Schranke schließe sich, wenn der Zug in Höllriegelskreuth das Ausfahrtsignal überfahre. Ein Bahnsprecher begründet die Wartezeiten damit, dass "drei Bahnübergänge miteinander verschaltet sind". Um Verbesserungen zu erreichen, ist die Gemeinde immer wieder in Gesprächen mit der Bahn. Doch das gestaltet sich schwierig. "Finden Sie einmal den richtigen Ansprechpartner. Zudem reagiert die Bahn manchmal nicht", sagt Weiß.

Die Erfahrungen aus dem Landkreis verdeutlichen: Schranken können lästig sein, manchmal Rettungsfahrzeuge behindern. Sie bergen aber auch Gefahren. An dem Bahnübergang in der Putzbrunner Straße in Ottobrunn hat 2015 ein Autofahrer in Panik eine Schranke umgefahren, weil sein Auto vorher wegen eines Staus auf den Gleisen anhalten musste. 2011 durchbrach ein betrunkener Autofahrer, ebenfalls in Ottobrunn, mit seinem Wagen die Schranke und rammte einen vorbeifahrenden S-Bahnzug. Noch gefährlicher sind unbeschrankte Bahnübergänge wie etwa der am Faistenhaarer Weg in Höhenkirchen-Siegertsbrunn, an dem sich in den vergangenen 20 Jahren drei schwere Unfälle ereigneten. Zuletzt starb 2015 der Fahrer eines Unimogs, der mit einer S-Bahn kollidierte.

Der Umbau eines Bahnübergangs ist im übrigen nicht nur teuer, er erfordert von einer Gemeinde auch viel Geduld. Der Bau einer Unterführung, wie in der Neubiberger Hauptstraße von der CSU gefordert, würde laut DB Netz AG mindestens fünf Jahre dauern. Eine Realisierung vor 2021 sei nicht möglich, teilte die Bahn erst kürzlich Bürgermeister Günter Heyland mit. Manchmal aber lohnen sich Geduld und Hartnäckigkeit: Unterschleißheim hat nach vielen Jahren des Ringens im vorigen Jahr seine Straßenunterführung am Bahnübergang Bezirksstraße eröffnet.

© SZ vom 20.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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